Behandelter Abschnitt Ri 19,15-21
Verse 15–21 | Unterkunft in Gibea
15 Und sie wandten sich dahin, damit sie hineinkämen, um in Gibea zu übernachten. 16 Und er kam hinein und setzte sich hin auf den Platz der Stadt; und niemand war da, der sie zum Übernachten ins Haus aufgenommen hätte. Und siehe, ein alter Mann kam von seiner Arbeit, vom Feld, am Abend; und der Mann war vom Gebirge Ephraim, und er hielt sich in Gibea auf; die Leute des Ortes aber waren Benjaminiter. 17 Und er erhob seine Augen und sah den Wanderer auf dem Platz der Stadt, und der alte Mann sprach: Wohin gehst du? Und woher kommst du? 18 Und er sprach zu ihm: Wir reisen von Bethlehem-Juda zur äußersten Seite des Gebirges Ephraim; von dort bin ich her, und ich bin nach Bethlehem-Juda gegangen, und ich wandle mit dem Haus des HERRN; und niemand ist da, der mich in sein Haus aufnimmt. 19 Und wir haben sowohl Stroh als auch Futter für unsere Esel, und auch Brot und Wein habe ich für mich und für deine Magd und für den Knaben, der bei deinen Knechten ist; es mangelt an nichts. 20 Da sprach der alte Mann: Friede dir! Ich will für dich sorgen; doch auf dem Platz übernachte nicht. 21 Und er führte ihn in sein Haus und gab den Eseln Futter. Und sie wuschen ihre Füße und aßen und tranken.
Die Wahl ist getroffen, Gibea wird der Ort, in dem sie übernachten werden. Dort angekommen, erwartet sie ein sehr kühler Empfang. Die erste Bekanntschaft mit dieser Stadt muss dem Leviten kalt angemutet haben nach der überfließenden Gastfreundschaft im Haus seines Schwiegervaters. Hieraus zeigt sich schon das niedrige moralische Niveau der Einwohner von Gibea. Die übliche Gastfreundschaft wird nicht praktiziert. Wo man auf die Befriedigung eigener Bedürfnisse ausgerichtet ist, verliert man die Sorge für die Glieder des Volkes Gottes aus dem Auge und kommt somit nicht dazu, Gastfreundschaft zu erweisen. Das war damals so, das ist heute noch so.
Glücklicherweise werden sie von einem alten Mann bemerkt, der von seiner Arbeit zurückkommt und auf dem Weg nach Hause ist. Der alte Mann lebt dort als Fremdling, genauso wie Lot damals in Sodom. Er stellt zuerst einige Fragen. Das taten die Daniter in Richter 18 auch (Ri 18,3). Dort haben wir angemerkt, dass dem Leviten seine Augen für die Dinge, mit denen er beschäftigt war, geöffnet werden konnten, wenn er gut über Fragen nachgedacht hätte. Das können wir auch hier anwenden. Er erzählt, dass er von „Bethlehem-Juda zur äußersten Seite des Gebirges Ephraim“ reisen will, um zu seinem Haus zurückzukommen.
Die Umgebung, in die er will, ist die, welche er in Vers 1 verlassen hat. Er fügt hinzu, dass er auf dem Weg zum Haus des HERRN ist, das damals in Bethel oder in Silo stand. Ob er dort bleiben will oder es nur besuchen will, wird nicht deutlich. In jedem Fall fängt sein Gewissen bei der Erwähnung dieser Orte nicht zu reden an. Er wird dadurch nicht an seine Untreue Gott gegenüber erinnert und an das, was mit seiner Frau geschehen ist. Jemand, der mit seinem Gewissen weit von Gott entfernt ist, sieht die Hand Gottes in keinem Umstand mehr. Als er zu erkennen gibt, dass er auf dem Weg zum Haus Gottes ist, kann das sehr gut mit der Befriedigung eines religiösen Bedürfnisses zu tun haben, das aus seinem Gefühl hervorgeht und nicht aus einem Verlangen nach einer Begegnung mit Gott.
Er beklagt sich über den Mangel an Gastfreundschaft. Er benötigt lediglich eine Unterkunft. Weiter hat er nichts nötig, denn was den Rest betrifft, ist er mit allem versorgt. Dennoch wird sich seine Not als größer erweisen, als er denkt. Weil der alte Mann weiß, was in der Stadt vor sich geht, lässt er die Reisegruppe nicht auf dem Platz übernachten, sondern gewährt ihnen eine Unterkunft für die Nacht.
Es scheint so, als ob der Levit ein gutes Plätzchen für die Nacht gefunden hat, denn er kann seinen Wünschen nach Essen und Trinken nachgehen. Aber schon schnell wird deutlich, dass diese Gastfreundschaft keinen Schutz gegen die verderblichen Praktiken der Bürger der Stadt bietet.