Behandelter Abschnitt Ri 9,34-49
Verse 34–49 | Der Widerstand gebrochen
34 Und Abimelech und alles Volk, das bei ihm war, machten sich in der Nacht auf, und sie legten sich in vier Abteilungen gegen Sichem in einen Hinterhalt. 35 Und Gaal, der Sohn Ebeds, ging hinaus und trat an den Eingang des Stadttores. Da machten sich Abimelech und das Volk, das bei ihm war, aus dem Hinterhalt auf. 36 Und Gaal sah das Volk und sprach zu Sebul: Siehe, Volk kommt von den Gipfeln der Berge herab. Und Sebul sprach zu ihm: Den Schatten der Berge siehst du für Männer an. 37 Und Gaal redete weiter und sprach: Siehe, Volk kommt von der Höhe des Landes herab, und eine Abteilung kommt auf dem Weg von Elon-Meonenim. 38 Da sprach Sebul zu ihm: Wo ist nun dein Maul, da du sprachst: Wer ist Abimelech, dass wir ihm dienen sollten? Ist das nicht das Volk, das du verachtet hast? Zieh doch jetzt aus und kämpfe gegen ihn! 39 Und Gaal zog aus vor den Bürgern von Sichem und kämpfte gegen Abimelech. 40 Und Abimelech jagte ihm nach, und er floh vor ihm; und es fielen viele Erschlagene bis an den Eingang des Tores. 41 Und Abimelech blieb in Aruma; und Sebul vertrieb Gaal und seine Brüder, so dass sie nicht mehr in Sichem blieben. 42 Und es geschah am nächsten Tag, da ging das Volk aufs Feld hinaus; und man berichtete es Abimelech. 43 Und er nahm das Volk und teilte es in drei Abteilungen und legte sich in einen Hinterhalt auf dem Feld. Und er sah: Und siehe, das Volk kam aus der Stadt heraus; und er erhob sich gegen sie und schlug sie. 44 Und Abimelech und die Abteilungen, die bei ihm waren, brachen hervor und stellten sich an den Eingang des Stadttores; und zwei der Abteilungen fielen über alle her, die auf dem Feld waren, und erschlugen sie. 45 Und Abimelech kämpfte gegen die Stadt jenen ganzen Tag; und er nahm die Stadt ein, und das Volk, das darin war, tötete er; und er riss die Stadt nieder und bestreute sie mit Salz. 46 Und alle Bewohner des Turmes von Sichem hörten es, und sie gingen in das Gewölbe des Hauses des Gottes Berit. 47 Und Abimelech wurde berichtet, dass alle Bewohner des Turmes von Sichem sich versammelt hätten. 48 Da stieg Abimelech auf den Berg Zalmon, er und alles Volk, das bei ihm war; und Abimelech nahm eine Axt in seine Hand und hieb einen Baumast ab und hob ihn auf und legte ihn auf seine Schulter, und er sprach zum Volk, das bei ihm war: Was ihr gesehen habt, das ich getan habe, das tut schnell wie ich. 49 Da hieb auch das ganze Volk ein jeder seinen Ast ab, und sie folgten Abimelech nach und legten sie an das Gewölbe und zündeten das Gewölbe über ihnen mit Feuer an. Und so starben auch alle Leute des Turmes von Sichem, etwa tausend Männer und Frauen.
Abimelech folgt dem Rat Sebuls. Er gebraucht die Taktik seines Vaters Gideon: Er handelt nachts und teilt sein Heer in Gruppen ein (Ri 7,16-19). Als Gaal aus dem Stadttor geht, sieht er das Heer Abimelechs von den Bergen herabkommen. Sebul jedoch äußert, dass es sich um eine Sinnestäuschung handle. Als Gaal sich nicht hinters Licht führen lässt, fordert Sebul ihn heraus, zu zeigen, dass er nicht nur ein Sprücheklopfer ist, sondern auch jemand, der den Mut zu kämpfen hat.
Die Bürger von Sichem sind die Zuschauer bei diesem Kampf. Sie haben noch nicht wirklich für Gaal Partei ergriffen. Gaal wird geschlagen, und Sebul sieht seine Chance, um sich Gaals zu entledigen, so dass er die Befehlsgewalt über Sichem behält. Das heißt nicht, dass er Sichem wieder unter die Regierung Abimelechs bringt. Das Einvernehmen zwischen Abimelech und Sichem war völlig in die Brüche gegangen.
Nachdem Gaal geschlagen ist, will Abimelech sich die abfällige Stadt wieder unterwerfen. Er will Rache für ihre mangelnde Treue ihm gegenüber nehmen. In seinem persönlichen Stolz gekränkt, erhebt er sich gegen die Einwohner der Stadt, als diese auf dem Feld ans Werk gehen. Gekränkter Stolz von Menschen mit Eigendünkel ist in allen Zeiten und auch in der christlichen Gemeinde die Ursache von viel Streit mit vielen Opfern gewesen.
Abimelech lässt kein Gras darüber wachsen. Während die Bürger von Sichem auf dem Land an der Arbeit sind, besetzt Abimelech mit einer Gruppe die Stadt und zwei andere Abteilungen überfallen die Menschen auf dem Feld. Wer in seine Hände fällt, entkommt seiner Wut nicht, und die Stadt reißt er nieder. Er bestreut sie mit Salz, um eine vollständige Verwüstung und immer dauernde Unfruchtbarkeit zu symbolisieren (5Mo 29,22; Ps 107,34). Erst zwei Jahrhunderte später wird Sichem wieder aufgebaut (1Kön 12,25).
Die Rachsucht und der Blutdurst des erbarmungslosen Abimelech richtet sich gegen die ungefähr 1.000 übrig gebliebenen Männer und Frauen von Sichem, die ihre Zuflucht im Kellergewölbe des Tempels des Gottes Berit genommen haben. Vielleicht dachten sie, dass ihr Götze ihnen Schutz bieten würde. Dies ist jedoch ein Trugschluss.
Abimelech gibt seinen Mannschaften den Auftrag, das zu tun, was er tut (Vers 48). So etwas hatte auch sein Vater gesagt (Ri 7,17). Nur war das Vorbild Gideons gut und das von Abimelech schlecht. Ein gutes Vorbild lässt Gutes folgen, aber ein schlechtes Vorbild lässt Schlechtes folgen. Abimelech geht seinem Heer in einem Kampf voraus, in dem es ausschließlich um sein eigenes Interesse geht und darum, dass er zu seinem Recht kommt.
Dies geschieht auf Kosten seiner Volksgenossen, seines eigenen Fleisches und Gebeins, wie er sie in Vers 2 genannt hatte. Doch das alles nützt nichts mehr. Mit dem Schleier der Rachsucht vor seinen Augen verbrennt er die Menge im Kellergewölbe. Der erste Teil von Jothams Prophetie ist erfüllt (Vers 20a).