Behandelter Abschnitt Ri 3,1-2
Einleitung
In diesem Kapitel erleben wir das Auftreten der ersten drei Richter. Von allen dreien lesen wir etwas, das ihren Personen ein niedriges Ansehen verleiht. Othniel ist der Sohn des Kenas, ein jüngerer Bruder Kalebs, Ehud ist Linkshänder, und Schamgar gebraucht im Kampf einen Rinderstachel. Im Allgemeinen erhalten solche Männer nicht die meisten Stimmen in einem Wahlkampf. Deutlich ist, dass die Männer von Gott gewählt wurden und nicht vom Volk, vom Menschen. Diese Wahl gehört zu den Wegen, die Gott in gebrochenen Situationen geht, wenn der Glanz des Anfangs verblichen ist.
Man betrachte nur die Entstehung der Gemeinde mit ihren großen Aposteln und vergleiche dies mit der späteren Situation, der des Verfalls. Am Anfang konnte der Geist mächtig wirken: eine Antwort auf die Verherrlichung Christi. Nach dem Eintritt des Verfalls sind auch die Instrumente von bestimmten Formen der Schwachheit gekennzeichnet. Luther und Calvin, Darby und Kelly, alle großen Gottesmänner in ihrer Zeit, erreichten nicht die gleiche Höhe wie Paulus und Petrus. Dennoch hat Gott sie für seine Gemeinde gebrauchen wollen, in der Reformation des 16. Jahrhunderts und in der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts. So will Gott noch immer schwache, begrenzte und unansehnliche Menschen gebrauchen, um die Befreiung seines gesamten Volkes zu vollenden.
Allgemein gesprochen, war die Reformation die Befreiung vom Joch Roms, dem Ritualismus; die Erweckungsbewegung war die Befreiung von der toten Orthodoxie, dem Rationalismus in den protestantischen Kirchen. Die Befreiung, die heute nötig ist, ist die Befreiung von dem Geist Laodizeas, dem Geist der Selbstgenügsamkeit, dem Besitzen-Wollen einer Spiritualität ohne Leben aus dem Geist. Es geht um das Erlebnis, das Gefühl: Wobei fühle ich mich gut?
Die Dinge Gottes werden nach dem Geschmack und den Gefühlen des Menschen beurteilt und nicht anhand des Wortes Gottes. Dass heute vor allem diese Feinde wirksam sind, heißt nicht, dass die alten Feinde, Ritualismus und Rationalismus, endgültig überwunden wären. Diese Feinde werden fortwährend versuchen, Gottes Volk wieder in den Griff zu bekommen. Dieser Zustand sorgt dafür, dass wir immer wieder aufs Neue mit diesen Feinden abrechnen und als Richter auftreten müssen. Wir werden dieser Erscheinung in Zukunft noch begegnen.
Verse 1.2 | Kämpfen lernen
1 Und dies sind die Nationen, die der HERR bleiben ließ, um Israel durch sie zu prüfen, alle, die nichts wussten von allen Kriegen Kanaans – 2 nur damit die Geschlechter der Kinder Israel Kenntnis davon bekämen, um sie den Krieg zu lehren: nur die, die vorher nichts davon gewusst hatten –:
Die Verse 1–6 gehören zum vorhergehenden Kapitel. Sie beschreiben noch andere Gründe, warum Gott die Feinde im Land gelassen hat. Gott tut nie etwas ohne Absicht. Manchmal hat Er sogar mehrere Ziele in seinen Gedanken. Er kann mit einer bestimmten Handlung oder einem bestimmten Wort verschiedene Dinge bewirken. Worum es Gott letztlich geht, ist die Verherrlichung seiner selbst im Glück und Segen des Menschen im Allgemeinen und seines Volkes im Besonderen. Der Grund, der hier genannt wird, ist, dass Gott durch die Gegenwart der Feinde seinem Volk „den Krieg“ lehren will.
Wenn es einem Mensch ausgezeichnet geht, sein Leben verläuft erfolgreich und ohne Rückschläge, wird nicht so deutlich, was in seinem Herzen für Gott vorhanden ist. Erfolg nimmt die Untreue, die im Herzen gegenwärtig ist, nicht weg. Wenn alles ausgezeichnet läuft, gibt es keine Übungen und keine schweren Kämpfe, um zu lernen, wer Gott ist und wie zur Überwindung des Widerstandes von seiner Kraft Gebrauch gemacht werden kann. Es ist nicht Gottes Absicht, dass wir uns vom Feind, vom Bösen, überwinden lassen, sondern dass wir das Böse in seiner Kraft überwinden.
Gott weiß, was in dem Menschen ist, aber durch die zurückgelassenen Feinde wird der Mensch das auch selbst schnell entdecken. Seine Reaktion auf das Böse macht deutlich, was in seinem Herzen ist. Wenn eine echte Verbindung mit Gott vorhanden ist, wird er zu Gott gehen, wenn Gefahr droht.
Was durch Untreue entsteht – das Volk war ja untreu gewesen und hatte darin nachgelassen, alle Feinde auszurotten –, wird von Gott zum Guten gebraucht. Die Feinde, die verschont worden waren, dienten dazu, ein Geschlecht, das nicht an der Eroberung Kanaans teilgenommen hatte, kämpfen zu lehren für die Segnungen, die Gott geschenkt hatte. Durch die Anwesenheit der Feinde konnten sie erkennen lassen, ob sie das Land Gottes wertschätzten.
Wer das schätzt, was Gott gegeben hat, wird nicht zulassen, dass der Feind die Besitznahme aufhält. Er würde dafür kämpfen. Was auf diese Weise der Macht des Feindes entrückt wurde, wird eine besonders wertvolle Bedeutung haben. Im täglichen Leben ist das auch so. Unser Besitz ist doch schließlich mehr wert, wenn wir selbst dafür gearbeitet haben? Er ist in viel größerem Maße unser Eigentum. Wir genießen dann die Dinge intensiver als solche, die uns in den Schoß gefallen sind.
Zeiten des Verfalls sind Zeiten des Kampfes für jemanden, der dem Herrn treu sein will. Im zweiten Brief an Timotheus, der die Zeit des Verfalls in der Christenheit beschreibt, wird verschiedene Male über Kampf gesprochen (2Tim 2,3.4; 4,7). In diesen Stellen wird der einzelne Christ aufgerufen, inmitten des Verfalls treu zu bleiben. Kampf macht Überwinder offenbar (vgl. Off 2,7.11.17.26; 3,5.12.21).
Bei diesem allem müssen wir uns stets vor Augen halten, dass unser Kampf sich in den himmlischen Örtern abspielt und kein Kampf gegen Fleisch und Blut ist. Die Völker, die übrig gelassen worden sind, sind ein Bild des Fleisches in uns. Doch das Fleisch ist nicht in uns gelassen worden, damit wir dem Fleisch dienen sollen, sondern damit wir lernen es zu richten. Diese Völker können auch ein Bild „eines Dornes für das Fleisch“ sein, wie Paulus diesen hatte (2Kor 12,7). Der Zweck dieses Dornes war nicht, Paulus in seinem Dienst für Gott lahm zu legen, sondern ihn klein und abhängig zu halten.
So kann es auch in unserem Leben Dinge geben, die wir gern loswerden wollen, die wir aber doch mittragen müssen. Das sind keine Sünden, denn die müssen wir verurteilen. Es geht meistens um unangenehme Dinge, die, unserer Auffassung nach, unser Funktionieren beeinträchtigen. Doch Gott hat diese Dinge zugelassen, um uns klein zu halten, damit wir besser für Ihn wirken können.