Behandelter Abschnitt 1Kor 1,23 - 2,11
Traurigkeit, Freude, Vergebung
Der wahre Grund, warum Paulus noch nicht nach Korinth gekommen war, war Liebe. Alle Beschuldigungen wegen der Änderung seines Reiseplans waren falsch, und er wies sie entschlossen zurück. Gott war sein Zeuge!
Wenn er nach Korinth gekommen wäre, als es dort in geistlicher Hinsicht noch viel zu beanstanden gab, hätte er ihnen gegenüber streng auftreten müssen. Er hätte sie entschieden zur Rede stellen müssen. Das wollte er ihnen ersparen. Er hatte abgewartet, bis sie auf seinen ersten Brief hin davon überzeugt waren, dass es tatsächlich Dinge bei ihnen gab, die nicht in Ordnung waren.
Die Haltung, die er gegenüber den Korinthern einnimmt, sieht aus wie ein Herrschen über ihren Glauben. Aber das ist es nicht. Kein Apostel, auch nicht Paulus, wollte sich je zwischen den Gläubigen und Gott stellen. Nie darf ein Mensch, wie hochbegabt er auch sein mag, zwischen dir und Gott stehen. Wenn du noch jung im Glauben bist, läufst du Gefahr, dein Glaubensleben nach dem Vorbild von Christen auszurichten, die dir sehr gefallen. Das ist an sich nicht so schlimm, wenn du nur dafür sorgst, dass du selbst in eine gute persönliche Beziehung zum Herrn Jesus kommst oder darin bleibst. Sonst läufst du Gefahr, dass du deinem Vorbild alles nachmachst, ohne mit dem Herrn Jesus darüber gesprochen zu haben. Lot war jemand, der sich in seinem Glaubensleben völlig auf Abraham stützte. Abraham war zwar ein großer Gläubiger, aber er war kein vollkommenes Vorbild. Es gibt keinen Menschen, der ein vollkommenes Vorbild wäre. Lass dich in deinem Glaubensleben nicht von anderen beherrschen, und herrsche auch selbst nicht über den Glauben anderer.
Paulus wollte nicht herrschen, sondern daran mitwirken, dass die Korinther wieder wirklich glücklich sein konnten. Sünde in der Versammlung macht niemand glücklich. Erst wenn die Sünde weggetan ist, gibt es wieder Freude. Deshalb hatte er ihnen geschrieben und nicht, um über sie zu herrschen. Sie standen ja durch den Glauben. Das bedeutet, dass sie auf Gott und nicht auf Menschen ausgerichtet waren.
Paulus wollte gern nach Korinth kommen, aber dann ohne Traurigkeit. Diese Traurigkeit war der Unterton seines ersten Briefes gewesen. Er hatte sie durch seinen Brief betrübt. Zum Glück! Denn das bedeutete, dass sie eingesehen hatten, dass es nicht gut um sie stand. Aber jetzt konnte Freude dort einkehren, weil sie den Hurer, von dem er in 1. Korinther 5 geschrieben hatte, aus ihrer Mitte weggetan hatten und weil dieser Mann zur Einsicht gekommen war. Dieser Mann war allerdings am meisten betrübt worden. Seine Reue über seine Sünde erfreute Paulus. Das war das Ziel des Briefes gewesen, den er geschrieben hatte. Er vertraute darauf, dass die Korinther genauso erfreut waren wie er selbst. Er gestattet ihnen einen Blick in sein Herz und zeigt, was darin vorging, als er seinen ersten Brief schrieb. Auf einige hatte der Brief vielleicht einen sehr kühlen, distanzierten Eindruck gemacht, etwa so: „Da siehst du ihn wieder, den Schwarzseher, den Unheilspropheten.“ Hier zeigt er, was ihn wirklich beseelte. Sein Herz war voller Angst, er hatte Tränen in den Augen, sein Beweggrund war Liebe. Wenn du weißt, dass das der Hintergrund eines Tadels ist, macht das dein Herz weich. Dann bist du auch bereit, eine Ermahnung anzunehmen und in deinem Leben das zu korrigieren, was nicht gut ist. Es wäre schön, wenn wir so miteinander umgingen.
Und doch fehlte noch etwas bei den Korinthern: Sie sollten dem reuevollen Bruder auch wieder ihre Liebe zeigen. Sie sollten ihm von Herzen vergeben. Dieser Bruder hatte Paulus sehr betrübt und eigentlich auch sie alle. Zuerst hatte sie das nicht sonderlich gekümmert, sie hatten nicht einmal darüber getrauert, dass eine solche Sünde in ihrer Mitte geschah (1Kor 5,2). Glücklicherweise waren sie durch den ersten Brief von Paulus doch über die Sünde in ihrer Mitte betrübt worden. Sie hatten den Bösen aus ihrer Mitte weggetan und so alle gemeinsam die Strafe ausgeführt, die notwendig war. Das hatte diesen Mann – glücklicherweise – zur Buße geführt. Das ist nämlich das Ziel jeder Zuchthandlung der Versammlung. Durch seine Reue ist die Beziehung des Bruders zum Herrn wiederhergestellt. Aber es muss noch etwas anderes geschehen: Auch die Versammlung muss ihm vergeben. Die Versammlung hat ihn ja wegen seiner Sünde hinausgetan; sie muss ihn daher auch wieder aufnehmen, nachdem er Reue gezeigt hat. Es sollte doch eine Freude sein, jemand, der bereut hat, wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen. Wie schade ist es daher, feststellen zu müssen, dass es bei den Korinthern eine gewisse Trägheit gab, ihm zu vergeben und ihn zu trösten. Zuerst waren sie zu träge, Zucht auszuüben, und jetzt waren sie zu träge zu vergeben.
Wenn du dich selbst ein bisschen kennst, erkennst du das bestimmt gut wieder. Wirkliches Vergeben ist manchmal ganz schön schwer. Vielleicht haben andere dir viel Böses angetan, sie haben dich betrogen, bestohlen, schlecht über dich geredet, sie haben dich misshandelt oder missbraucht. Es kann sein, dass man dich nicht um Vergebung gebeten hat. Aber du spürst in deinem Herzen die Bereitschaft oder auch den Widerwillen zu vergeben. Ich hoffe, wenn du in einem bestimmten Fall Widerwillen bei dir selbst feststellst, dass sich dieser Widerwille in Vergebungsbereitschaft verwandelt. Gott will dir dabei helfen. Es wird sicher Gläubige geben, die Er dazu benutzen kann und will. Suche sie auf und besprich das mit ihnen. Es wird dich erleichtern. Bei dem Mann in Korinth war echte Reue vorhanden. Wenn er darüber nachdachte, was er getan hatte, konnte er darüber verzweifeln. Was für ein Elend und was für eine Betrübnis hatte er anderen bereitet und zugefügt! Paulus spornt die Korinther an, ihn von ihrer Liebe zu überzeugen. Das würde ihm Ruhe ins Herz geben. Der Sturm würde gestillt werden. Er würde immer voller Scham an das zurückdenken, was er getan hatte. Wer hat wohl keine Dinge, an die er voller Scham zurückdenkt (Röm 6,21)? Indem sie ihm vergeben würden, sollten sie zeigen, dass sie in allem gehorsam waren. Paulus schließt sich ihnen dann an, indem auch er dem reuevollen Übertreter vergibt. Zuerst sollten also die Korinther dem Übertreter vergeben, und dann erst schließt Paulus sich ihnen an und vergibt ihm ebenfalls. Du siehst also, dass er die Verantwortung der Versammlung völlig anerkennt und sich nicht darüber stellt. Er vergibt, weil dies die Gesinnung Christi ist. Christus wird dadurch verherrlicht.
Der große Widersacher Christi, der Satan, wird alles daransetzen, Zwietracht zu säen. Was Satan gern will, ist überdeutlich. Was für ein Vorteil wäre es für ihn, wenn es zwischen dem Handeln der Versammlung und dem des Apostels Differenzen gäbe! Er will, dass wir immer ins eine oder ins andere Extrem verfallen.
Er will, dass wir es mit der Zucht nicht so genau nehmen. Wenn ihm das nicht gelingt, will er, dass wir nicht so schnell bereit sind zu vergeben. Was sollen wir tun? Schaue nur auf den Herrn Jesus. Wenn du Ihn vor Augen hast, weißt du, was du zu tun hast.