Behandelter Abschnitt Lk 5,36-39
Verse 36-39 Altes und Neues
36 Er sagte aber auch ein Gleichnis zu ihnen: Niemand reißt einen Flicken von einem neuen Kleidungsstück ab und setzt ihn auf ein altes Kleidungsstück; sonst wird er nicht nur das neue zerreißen, sondern der neue Flicken wird auch nicht zu dem alten passen. 37 Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreißen, und er selbst wird verschüttet werden, und die Schläuche werden verderben; 38 sondern neuen Wein füllt man in neue Schläuche, und beide bleiben zusammen erhalten. 39 Und niemand will, wenn er alten getrunken hat, neuen, denn er spricht: Der alte ist besser.
Um seinen Widersachern den Unterschied zwischen seinem Dienst einerseits und dem des Johannes des Täufers und dem ganzen Alten Testament andererseits zu verdeutlichen, spricht Er in einem Gleichnis zu ihnen. Was Er sagt und was Er auf die Erde gebracht hat, vergleicht Er mit einem neuen Kleid. Dieses neue Kleid passt nicht zu dem alten. Das alte Kleid ist das Judentum, wo alles durch das Gesetz geregelt ist. Das Gesetz hat dem Volk keinen Segen gebracht, sondern Verlust des Segens und Gericht, denn das Volk hat das Gesetz gebrochen.
Der Herr ist nicht gekommen, um vom Volk zu verlangen, das Gesetz zu halten. Er hätte das tun können, denn Er selbst hielt das Gesetz vollkommen. Wenn Er dem Volk jedoch das Gesetz vorgehalten hätte, war damit an der Natur des Menschen nichts verändert worden. Der Mensch ist mit seinem ganzen Wesen ein Gesetzesübertreter und hat daher Strafe verdient. Er kann nur Segen erlangen, wenn ihm auf einer völlig anderen Grundlage begegnet wird, und zwar auf der Grundlage der Gnade. Diese Gnade hat Christus gebracht. In Ihm ist die Gnade Gottes erschienen, heilbringend für alle Menschen (Tit
2,11). Diese Gnade ist der Kern des Christentums, wie das Gesetz der Kern des Judentums ist.
Es ist unmöglich, das neue Kleid des Christentums in das alte des Judentums einzupassen. Sie schließen einander gänzlich aus. Das Neue muss das Alte ersetzen und nicht damit verbunden werden. Es ist wie mit dem alten Bund, der dem neuen Bund Platz machen muss (Heb 8,13). Gesetz und Gnade gehen nicht zusammen. Wo man versucht, das Gesetz und die Gnade zu vermischen, nimmt man beide nicht ernst und tut beiden Gewalt an. Dann ist das Gesetz kein Gesetz mehr, und die Gnade hört auf, Gnade zu sein. In der Gnade sind die Kraft und die Freude des Geistes wirksam (Wein ist ein Bild der Freude), wie im Gesetz die Kraft des Menschen wirksam ist.
Der junge Wein des Geistes passt nicht in die alten Schläuche. Die alten Schläuche symbolisieren einen Menschen, der auf der Grundlage des Gesetzes lebt. Die Macht des Geistes Gottes in Gnade kann sich nicht in die Vorschriften des Gesetzes pressen lassen. Die alten Dinge sind die Formen des Menschen nach dem Fleisch. Das Neue ist die Kraft Gottes nach dem Heiligen Geist. Der alte Mensch muss dem neuen Menschen Platz machen. Der junge Wein muss in neue Schläuche. Das bedeutet, dass die neue Kraft und Freude des Heiligen Geistes nur zu denen passen, die als verlorene Sünder Gnade empfangen haben. Sie suchen nicht mehr, auf der Grundlage des Gesetzes vor Gott gerecht zu sein, denn sie haben eingesehen, dass das Leben nach dem Gesetz unmöglich ist, weil der Mensch ein Sünder ist. Für den, der das erkennt, ist Christus mit seiner Gnade gekommen. Wer die Gnade angenommen hat, ist eine neue Schöpfung, ein neuer Schlauch, in den der Heilige Geist als junger Wein Kraft und Freude bringt.
Der Herr weiß, wie schwierig es für Menschen ist, und ganz besonders für Juden, von Gnade allein abhängig zu sein. Das bedeutet, dass der Mensch sich selbst verurteilt und anerkennt, dass er nicht nichts Gutes tun kann. Zu diesem Schluss kommt ein Mensch nur sehr schwer.
Viel lieber will er selbst etwas leisten, sich Mühe geben, das Gesetz zu halten, sich das Heil selbst verdienen. Solange er sagt: „Der alte ist besser“, lehnt er die Gnade ab.
Der Bräutigam ist anwesend, und obwohl das in Anbetracht der Kraft Gottes, die da ist, ein Grund zur Freude sein müsste, wählt der Mensch doch lieber das Alte, weil das der Mensch ist und nicht die Kraft Gottes. Das Alte ist so vertraut, dass wir Angst haben, es gegen das unbekannte Neue einzutauschen. Wir geben das Alte nur ab, wenn wir in dem Neuen den Herrn erkennen. Der Maßstab darf nicht sein, wie wir es immer gesehen haben, sondern der Maßstab muss das Licht sein, das Gott durch sein Wort gibt. Wir können in Traditionen erstarren, wenn wir uns der Kraft des Wortes Gottes verschließen.