Verse 8 | Der „Vorteil“ der Sünde
Sie essen die Sünde meines Volkes und verlangen nach seiner Ungerechtigkeit.
Wenn ein Mitglied des Volkes sündigt, muss ein Sündopfer dargebracht werden. Das Opfertier geht an den Priester, der es für die Sünde opfert. Von diesem Sündopfer soll der Priester essen. So hat es Gott vorgeschrieben (3Mo 6,19.22). Für die Priester bedeutet die Sünde den Lebensunterhalt. Je mehr die Menschen sündigen, desto mehr haben sie zu essen.
Dies widerspricht der Absicht Gottes mit dem Gebot, vom Sündopfer zu essen. Mit diesem Gebot beabsichtigt Gott, dass der Priester, indem er das Sündopfer isst, sich mit dieser Sünde identifiziert und sozusagen den inneren Ekel vor ihr fühlt.
Was Hosea sagt, entspricht dem nicht, sondern zeigt ein anderes Bild. Wörtlich sagt er, dass sie die Sünden des Volkes „verschlingen“. Sie sind gierig darauf, dass die Menschen sündigen, um möglichst viel Profit daraus zu schlagen. Sie ergötzen sich nicht nur wörtlich daran, sondern auch im übertragenen Sinn: Sie genießen es, wenn sie die Sünde anderer sehen.
Auch wir sind in der Lage, verurteilend über die Sünden anderer zu sprechen und uns doch heimlich an ihnen zu erfreuen (Röm 1,32). Das ist eine schlechte Sache. Es ist sogar noch schlimmer, wenn die Sünde der anderen Person uns irgendwie zugutekommt.
Das Übel, auf das Hosea hinweist, kann mit dem Ablasshandel der römisch-katholischen Kirche verglichen werden. Der Ablass ist ein Schein, den man kaufen kann und der besagt, dass eine bestimmte Schuld erlassen wurde. Je größer das Verbrechen, desto höher der Betrag. Es ist von einem Kirchenführer unterzeichnet. Dieser Brauch war lange Zeit in den Hintergrund gedrängt, aber in letzter Zeit ist er wiederbelebt. Dieser Brauch passt zu den Bedürfnissen des Menschen, etwas zu tun oder für etwas zu bezahlen, das schiefgelaufen ist. Die römisch-katholische Kirche lebt davon. Je mehr Menschen sündigen und einen Ablass wollen, desto mehr Geld bekommt die Kirche.
Anstatt die Stimme gegen die Sünde zu erheben und vor ihr zu warnen, wird die Sünde auf diese Weise in verschleierter Form gefördert. Natürlich wird gesagt, dass das, was geschehen ist, falsch ist. Aber nur, wenn es ein aufrichtiges Bekennen vor Gott gibt und die Erkenntnis, was es Christus gekostet hat, das Gericht für diese Sünde zu tragen, wird man den Ernst der Sünde mehr erkennen.
Solange für eine begangene Sünde eine bestimmte Gegenleistung verlangt wird, hat man das Werk Christi noch nicht verstanden. Das Ergebnis ist, dass wir die Sünde nicht so sehen, wie Gott sie sieht. Infolgedessen kann mit der Sünde Handel getrieben werden. Das Betreiben der Sünde ist zu einem Geschäft geworden, von dem die Kirche bzw. der Klerus profitieren kann.