Behandelter Abschnitt Dan 4,17-23
Verse 17–23 | Die Deutung des Traums
17 Der Baum, den du gesehen hast, der groß und stark wurde und dessen Höhe an den Himmel reichte und der über die ganze Erde hin gesehen wurde, 18 und dessen Laub schön und dessen Frucht zahlreich ist und an dem Nahrung war für alle, unter dem die Tiere des Feldes wohnten und in dessen Zweigen die
Vögel des Himmels sich aufhielten: 19 Das bist du, o König, der du groß und stark geworden bist; und deine Größe wuchs und reichte bis an den Himmel und deine Herrschaft bis ans Ende der Erde. 20 Und dass der König einen Wächter und Heiligen vom Himmel herabsteigen sah, der sprach: „Haut den Baum um und verderbt ihn! Doch seinen Wurzelstock lasst in der Erde, und zwar in Fesseln aus Eisen und Kupfer, im Gras des Feldes; und vom Tau des Himmels werde er benetzt, und er habe sein Teil mit den Tieren des Feldes, bis sieben Zeiten über ihm vergehen“ – 21 dies ist die Deutung, o König, und dies der Beschluss des Höchsten, der über meinen Herrn, den König kommen wird: 22 Man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des Feldes wird deine Wohnung sein; und man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern und dich vom Tau des Himmels benetzt werden lassen; und es werden sieben Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will. 23 Und dass man gesagt hat, den Wurzelstock des Baumes zu lassen: Dein Königtum wird dir wieder zuteil werden, sobald du erkannt haben wirst, dass die Himmel herrschen.
In seiner Deutung des Traums beginnt Daniel mit einer fast wortwörtlichen Wiederholung des ersten Teils des Traums. Damit zeigt er Nebukadnezar, dass er den Traum gut gehört und verstanden hat. Wenn er den Traum noch einmal wiederholt, wird der König seine Deutung noch stärker empfinden. Unmittelbar nach seiner Wiederholung dieses Teils des Traums sagt Daniel von dem Baum: „Das bist du, o König.“
So hörte er auch Daniel bei der Interpretation des ersten Traums sagen: „Du bist das Haupt aus Gold“ (Dan 2,38). Das wird ihm geschmeichelt haben. Diese Anwendung des Baumes auf ihn hätte er auch hier gern gehört, wenn dem nicht noch mehr folgen würde. Seine Größe ist überwältigend, sowohl in der Höhe – die „an den Himmel reichte“ – als auch in der Breite
„er wurde gesehen bis an das Ende der ganzen Erde“ (Vers 8).
Dann wiederholt Daniel den Teil des Traums, in dem es um den Wächter geht und um das, was er gesagt hat. Bei ihm hat dies mehr Gewicht als in Nebukadnezars Darstellung. Im Folgenden spricht Daniel davon, den Baum zu „verderben“. In dem, was der Wächter sagt, sehen wir, was der Himmel über diesen imposanten Baum denkt, über diesen gewaltigen
Nebukadnezar, der von sich selbst beeindruckt ist, und von dem auch die Menschen beeindruckt sind.
Der Himmel sagt: „Was unter Menschen hoch ist, ist ein Gräuel vor Gott“ (Lk 16,15). Deshalb ertönt die Stimme vom Himmel: „Haut ihn um; und von allem Sichtbaren darf nichts übrig bleiben.“ Der Wurzelstock des Baumes muss jedoch stehen bleiben. Nebukadnezars Leben wird nicht endgültig beendet, was aus dem Wort „bis“ hervorgeht. Es handelt sich um eine vorübergehende Erniedrigung, und zwar für die Dauer von sieben Zeiten.
Nachdem Daniel den zweiten Teil des Traums wiederholt hat, gibt er seine Deutung an. Diese Deutung leitet er mit der ernsten Gewissheit ein, dass das, was danach mit Nebukadnezar geschieht, „ein Beschluss des Höchsten“ ist. Damit stellt er den König, den er mit gebührendem Respekt als „mein Herr, der König“ anspricht, in die Gegenwart Gottes als dem Höchsten. Es geht darum, Nebukadnezar von seiner Existenz und seiner Souveränität zu überzeugen. Was mit ihm geschehen wird, ist ein Beschluss des Höchsten, den kein Mensch abändern oder ignorieren kann.
Der Inhalt des Beschlusses ist, dass Nebukadnezar aus dem Wohngebiet der Menschen vertrieben werden und bei den Tieren leben wird. Er wird seinen Platz unter den Menschen verlieren; er wird bei den Tieren sein und sich wie ein Tier verhalten. Seine Behausung, sein Essen, seine Kleidung, seine Würde – alles, was seine Größe als Mensch ausmacht, verliert er. Stattdessen wird er auf dem freien Feld leben, ohne Dach über dem Kopf, und wird Gras essen, wie die Rinder. Seinen Durst wird er nicht mehr mit auserlesenen Weinen stillen, sondern sich mit dem Tau des Himmels begnügen müssen.
Die Erniedrigung ist erst dann abgeschlossen und beendet, wenn er „erkennt, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will“. Bevor er so weit ist, werden sieben Zeiten vergangen sein, eine vollkommene Zeitspanne. Dass diese Zeit der Erniedrigung ein Ende hat, erkennt man in den Worten „den Wurzelstock des Baumes zu lassen“, Worte die auch Nebukadnezar hörte. Daniel fügt hinzu, dass sein Königtum, nachdem er anerkannt hat, „dass die Himmel herrschen“, dauerhaft sein wird.
Für jeden Menschen kann es nur dann eine Verbindung mit Gott geben, wenn er anerkennt, dass Gott der höchste Herrscher über alles ist. Gott ist souverän. Diese Erkenntnis gibt dem Geist Frieden. Auch wir als Gläubige müssen dies regelmäßig im eigenen Leben lernen, in dem so vieles geschehen kann, woraus deutlich wird, dass wir das vergessen haben.