Behandelter Abschnitt Hes 33,1-9
Einleitung
Mit Hesekiel 33 beginnt der vierte Hauptabschnitt dieses Buches (Hesekiel 33-39). Dieser Teil befasst sich mit der zukünftigen Herrlichkeit Israels und kann wie folgt unterteilt werden:
Der treue Wächter und der treue Hirte (Hesekiel 33-34)
Ein erneuertes Land (Hesekiel 35-36)
Ein erneuertes Volk (Hesekiel 37)
Die Ausrottung des letzten Feindes (Hesekiel 38-39)
Verse 1–9 | Die Aufgabe des Wächters
1 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 2 Menschensohn, rede zu den Kindern deines Volkes und sprich zu ihnen: Wenn ich das Schwert über ein Land bringe, und das Volk des Landes nimmt einen Mann aus seiner Gesamtheit und setzt ihn für sich zum Wächter, 3 und er sieht das Schwert über das Land kommen und stößt in die Posaune und warnt das Volk – 4 wenn einer den Schall der Posaune hört und sich nicht warnen lässt, so dass das Schwert kommt und ihn wegrafft, so wird sein Blut auf seinem Kopf sein. 5 Er hat den Schall der Posaune gehört und hat sich nicht warnen lassen: Sein Blut wird auf ihm sein; denn hätte er sich warnen lassen, so würde er seine Seele errettet haben. 6 Wenn aber der Wächter das Schwert kommen sieht, und er stößt nicht in die Posaune, und das Volk wird nicht gewarnt, so dass das Schwert kommt und von ihnen eine Seele wegrafft, so wird dieser wegen seiner Ungerechtigkeit weggerafft; aber sein Blut werde ich von der Hand des Wächters fordern. 7 Du nun, Menschensohn, ich habe dich dem Haus Israel zum Wächter gesetzt: Du sollst das Wort aus meinem Mund hören und sie in meinem Namen warnen. 8 Wenn ich zum Gottlosen spreche: Gottloser, du sollst gewiss sterben!, und du redest nicht, um den Gottlosen vor seinem Weg zu warnen, so wird er, der Gottlose, wegen seiner Ungerechtigkeit sterben; aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern. 9 Wenn du aber den Gottlosen vor seinem Weg warnst, damit er von ihm umkehrt, und er von seinem
Weg nicht umkehrt, so wird er wegen seiner Ungerechtigkeit sterben; du aber hast deine Seele errettet.
Nach den Gerichtsankündigungen über sieben feindliche Völker nimmt Hesekiel seine Aufgabe als Prophet über Gottes Volk wieder auf. Das Wort des HERRN ergeht an ihn (Vers 1). Der HERR erinnert ihn erneut an seine Verantwortung als Wächter (Vers 2; Hes 3,16-21). Seine früheren Warnungen vor dem kommenden Gericht durch den König von Babel haben sich bewahrheitet, aber die Herzen des Volkes haben sich dadurch nicht verändert. Daher stehen neue Gerichte und vor allem das Endgericht der Unbußfertigen bevor, und daher muss Hesekiel weiterhin warnen. Auch wir sind nie fertig damit, die Menschen vor dem kommenden Gericht zu warnen, auch wenn es noch so viele Gerichtshandlungen Gottes gegeben hat.
Hesekiel soll das Wort an seine Mitbürger richten und ihnen erneut die Gerechtigkeit des HERRN vor Augen führen. Er muss das an einem Beispiel aus dem Alltag tun, das jeder verstehen kann. Wenn der HERR ankündigt, dass Er das Schwert bringt, weil sich ein feindliches Heer nähert, dann ist es gut, wenn das Volk einen Wächter bestellt. Sie wählen jemanden aus ihrer Gegend, der vertrauenswürdig ist und die Gegend kennt. Wenn dieser Mann den Feind kommen sieht, wird er mit der Posaune Alarm blasen und das Volk warnen, dass der Feind kommt (Vers 3; vgl. Amos 3,6a).
Zwei Reaktionen sind auf das Blasen der Posaune möglich: ignorieren oder hören. Wer den Schall der Posaune nicht beachtet und getötet wird, kann nur sich selbst die Schuld geben (Vers 4). Er ist stur gewesen und hat die Warnung nicht angenommen (Vers 5). Es ist seine eigene Schuld, dass er getötet wurde. Wer aber die Warnung annimmt, wird nicht getötet, sondern rettet sein Leben.
Es ist auch möglich, dass der Wächter untreu ist und nicht in die Posaune stößt, wenn er das Schwert kommen sieht (Vers 6). Ein solcher Wächter ist ein Feigling oder ein Verräter. Er denkt nur an sich selbst und flieht, um sich zu retten, oder verschwört sich mit dem Feind. Wenn das Schwert kommt und Menschen tötet, dann sterben diese Menschen zwar in ihrer eigenen Schuld, aber der Wächter ist schuldig. Das Gericht kommt unwiderruflich. Die Menschen, die umkommen, haben sich selbst schuldig gemacht, weil sie in Ungerechtigkeit gelebt haben, aber auch der Wächter hat seine Verantwortung.
Gott hat keine Freude daran, Menschen zu bestrafen (vgl. Klgl 3,33). Deshalb lässt Er sie warnen. Wenn der Wächter nicht warnt, wird Er das Blut von seiner Hand fordern. Wir erkennen diese Art von Wächter in unseren Tagen in Predigern, die nur Liebe predigen, aber nicht vor dem Gericht warnen oder sogar das Gericht leugnen. Sie sind Verräter und kollaborieren mit dem Feind Gottes. Menschen, die diesen Predigern zuhören, werden in ihrer Ungerechtigkeit umkommen, aber Gott wird diese Prediger zur Rechenschaft ziehen und für ihre Nachlässigkeit richten.
Dann richtet der HERR das Wort an Hesekiel persönlich und sagt zu ihm, dass Er ihn zum Wächter über das Haus Israel eingesetzt hat (Vers 7). Hier zeigt sich ein Unterschied zu dem Wächter der vorherigen Verse, denn er wurde vom Volk eingesetzt (Vers 2). Hesekiel soll ein treuer Wächter sein, der Israel im Auftrag des HERRN warnt. Der HERR hält ihm die große Verantwortung vor Augen, die diese Aufgabe mit sich bringt. Er sagt ihm, dass das Gericht über die Gottlosen beschlossen ist, aber auch, dass die Gottlosen gewarnt werden müssen (Vers 8).
Wenn Hesekiel den Gottlosen nicht warnt, ist er schuldig an dem Gericht, das den Gottlosen trifft. Der Gottlose stirbt in und wegen seiner eigenen Ungerechtigkeit, aber Hesekiel ist schuldig, weil er ihn nicht gewarnt hat. Wenn Hesekiel den Gottlosen gewarnt hat, der Gottlose aber nichts auf diese Warnung hin unternimmt, dann ist Hesekiel frei vom Blut des Gottlosen und er hat sein eigenes Leben gerettet (Vers 9; vgl. Apg 20,26.27; 1Kor 9,16). Die Verantwortung des Wächters wird stark hervorgehoben.