Behandelter Abschnitt Hes 22,1-16
Einleitung
Dieses Kapitel enthält drei verschiedene Worte des HERRN, die jeweils mit dem Satz beginnen: „Und das Wort des HERRN erging an mich“ (Verse 1.17.23). Diese Worte des HERRN haben als gemeinsames Thema die Verunreinigung Israels. Die Botschaften können mit den folgenden Titeln versehen werden:
Die Stadt der Blutschuld (Verse 1–16)
Der Schmelzofen (Verse 17–22)
Das nicht gereinigte Land (Verse 23–31)
Verse 1–16 | Die Stadt der Blutschuld
1 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 2 Und du, Menschensohn, willst du richten, willst du richten die Stadt der Blutschuld? So tu ihr alle ihre Gräuel kund 3 und sprich: So spricht der Herr, HERR: Stadt, die Blut vergießt in ihrer Mitte, damit ihre Zeit komme, und die sich Götzen macht, um sich zu verunreinigen! 4 Durch dein Blut, das du vergossen hast, hast du dich schuldig gemacht, und durch deine Götzen, die du gemacht hast, hast du dich verunreinigt; und du hast deine Tage herbeigeführt und bist zu deinen Jahren gekommen. Darum habe ich dich den Nationen zum Hohn gemacht und allen Ländern zum Spott. 5 Die Nahen und die von dir Entfernten werden dich verspotten, weil dein Name befleckt ist [und] du reich an Verwirrung bist. 6 Siehe, in dir waren die Fürsten Israels, jeder nach seiner Kraft, um Blut zu vergießen. 7 Vater und Mutter verachteten sie in dir, an dem Fremden handelten sie gewalttätig in deiner Mitte, Waisen und Witwen bedrückten sie in dir. 8 Meine heiligen [Dinge] hast du verachtet und meine Sabbate entweiht. 9 Verleumder waren in dir, um Blut zu vergießen; und auf den Bergen in dir haben sie gegessen, sie haben in deiner Mitte Schandtaten verübt. 10 In dir hat man die Blöße des Vaters aufgedeckt, in dir haben sie die Unreine in [ihrer] Unreinheit entehrt. 11 Und der eine hat Gräuel verübt mit der Frau seines Nächsten, und der andere hat seine Schwiegertochter durch
Schandtat verunreinigt, und ein anderer hat in dir seine Schwester, die Tochter seines Vaters, entehrt. 12 In dir haben sie Geschenke genommen, um Blut zu vergießen; du hast Zins und Wucher genommen und deinen Nächsten mit Gewalt übervorteilt. Mich aber hast du vergessen, spricht der Herr, HERR. 13 Und siehe, ich schlage in meine Hand wegen deines unrechtmäßigen Gewinnes, den du gemacht hast, und über deine Blutschuld, die in deiner Mitte ist. 14 Wird dein Herz feststehen, oder werden deine Hände stark sein in den Tagen, an denen ich mit dir handeln werde? Ich, der HERR, habe geredet und werde es tun. 15 Und ich werde dich unter die Nationen versprengen und dich in die Länder zerstreuen und deine Unreinheit vollständig aus dir wegschaffen. 16 Und du wirst durch dich selbst entweiht werden vor den Augen der Nationen; und du wirst wissen, dass ich der HERR bin.
Dieses Kapitel ist eine einzige lange Liste von Sünden. Das Wort des HERRN ergeht an Hesekiel (Vers 1). Wiederum als „Menschensohn“ angesprochen wird ihm befohlen, die Stadt der Blutschuld, das heißt Jerusalem, zu richten (Vers 2). Der Titel „Menschensohn“ erinnert uns an den Herrn Jesus, der als Menschensohn vom Vater die Vollmacht hat, das Gericht zu vollstrecken (Joh 5,27). Die Stadt ist so verkommen, dass Gott sie „Stadt der Blutschuld“ nennt (Hes 24,6.9). Ninive wird ein ähnlicher Name gegeben (Nah 3,1). Jerusalem erhält diesen Namen wegen des Blutes, das innerhalb seiner Mauern geflossen ist. Hesekiel soll der Stadt alle ihre Gräuel vor Augen führen. „Gräuel“ hat immer mit Götzendienst zu tun. Alles Unrecht ergibt sich aus Götzendienst.
Gott sagt Hesekiel, was Er zu Jerusalem sagen soll (Vers 3). Er verwendet keine schmeichelhaften Worte. Gewalt und Götzendienst werden im gleichen Atemzug genannt. Sie haben die Stadt schuldig gemacht und verunreinigt (Vers 4). Folglich ist auch das Ende der Stadt in Sicht. Gott wird die Stadt den Nationen überlassen. Anstatt ein Segen für die umliegenden Nationen zu sein, was Gottes Absicht für Jerusalem ist, verhöhnen die Nationen Jerusalem.
Dieser Spott kommt sowohl von den Nationen in der Nähe Jerusalems als auch von den Nationen fern von ihr (Vers 5). Ihre Schuld und Unreinheit sind so groß, dass von ihr bis in die Ferne der Nationen gesprochen wird. Gott sagt, dass ihr „Name befleckt“ und sie „reich an Verwirrung“ ist. Die Unreinheit, die Sünde, bedeutet das Ende allen Miteinanders. Chaos ist die Folge. Keiner denkt mehr an den anderen, denn jeder ist nur mit und für sich selbst beschäftigt.
Die Machthaber, die Verantwortlichen, haben ihre Macht missbraucht (Vers 6). Sie haben gewaltsam Blut vergossen. In ihrer Machtposition haben sie das Gesetz verhöhnt. Sie haben Menschen getötet, um davon zu profitieren. Um das Gesetz Gottes kümmerten sie sich nicht.
Das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, treten sie verächtlich mit Füßen (Vers 7). Sie kümmern sich nicht um ihre Eltern (2Mo 21,17; 3Mo 20,9; 5Mo 27,16; Spr 20,20). Auch der Fremde in ihrer Mitte hat zu leiden. Diese sozial isolierte Gruppe ist auf die Freundlichkeit anderer angewiesen, um ein Einkommen zu haben. Die Machthaber sehen in dieser Gruppe aber nur eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Sie schonen die sozial Schwachen wie auch Waisen und Witwen nicht. Anstatt sie in ihrer Unterdrückung zu unterstützen, beuten sie sie noch stärker aus.
Natürlich wird auch Gott beraubt (Vers 8). Sie geben Ihm nicht, worauf Er Anspruch hat. Nicht nur das, sie behandeln die Ihm geweihten Gaben mit Verachtung, genauso wie sie es mit ihren Eltern tun. Als Machthaber kümmern sie sich nicht um Gerechtigkeit (Vers 9). Sie heißen Verleumder mit offenen Armen willkommen, stellen sie ein und schicken sie aus, um Menschen aus dem Weg zu räumen (vgl. 1Kön 21,4-13). Dann gehen sie mit ihnen auf die Berge, um den Götzen zu opfern und bei dieser Gelegenheit auch von den Götzenopfern zu essen. Das schändliche Verhalten dieser Verleumder lassen sie in ihrer Mitte ungestört fortbestehen.
Sie setzen auch alle Gebote über Ehe und Sexualität, die Gott gegeben hat, außer Kraft (Verse 10.11). Inzest wird auf schändliche und vielfältige Weise begangen. Mit „die Blöße des Vaters“ ist die Frau des Vaters gemeint (vgl. 5Mo 27,20; 2Sam 16,21-23; 1Kor 5,1). Sie kümmern sich nicht um Gottes Verbot, mit einer Frau, die menstruiert, Geschlechtsverkehr zu haben (3Mo 18,19), sondern entehren sie. Dasselbe gilt für den Geschlechtsverkehr mit der Frau des Nächsten (3Mo 18,20). Auch die Frau des Sohnes ist nicht sicher, aber man nimmt sie zu seiner eigenen Befriedigung (3Mo 18,15). Das Gleiche gilt für die Schwester (3Mo 18,9.11; 5Mo 27,22; 2Sam 13,12).
Nichts ist heilig, nichts ist sicher, niemand wird verschont. Gottes Gebote bezüglich Ehe und Sexualität werden widerwärtig verletzt. Sie machen sich schuldig an abscheulichem Inzest. Keine Unreinheit ist ihnen zu ekelhaft. In ihren Exzessen handeln sie „wie die unvernünftigen Tiere“ (Jud 1,10) und nicht als Geschöpfe mit Verstand.
So leichtfertig, wie sie das Eheund Familienrecht mit Füßen treten, lassen sie sich bestechen, unschuldige Menschen zu verurteilen und zu töten (Vers 12). Sie verlangen übermäßige Zinsen und Wucher von denen, die in ihrer Macht stehen. Sie erpressen ihren Nächsten, den Landsmann. Sie nutzen gewaltsam das Elend des Nächsten aus, um selbst davon zu profitieren.
Die Grundursache für alle im Einzelnen genannten Sünden wird am Ende von Vers 12 genannt: Sie haben Gott vergessen. Diejenigen, die mit Gott leben und nach seinem Willen fragen, werden sein Gesetz nicht brechen. Sie halten sich nicht an das Gesetz, weil sie nicht mit Gott leben und nicht nach seinem Willen fragen. Folglich kennen sie keine Bremse für ihr abscheuliches Verhalten. Die einzige Grenze, die sie für ihre abscheulichen Taten kennen, ist die ihrer Möglichkeiten.
In großer Empörung über das verbrecherische Verhalten Jerusalems schlägt der HERR in seine Hand (Vers 13). Die Geldgier ihrer Bewohner als Wurzel allen Übels hat sie zum Morden verleitet. Das Blut der Opfer ist in ihrer Mitte geflossen. Wenn der HERR kommt, um mit den Einwohnern zu handeln, wird ihr Gerede ein Ende haben. Ihr Herz wird versagen und ihre Kraft wird schwinden, wenn Er gegen sie handelt (Vers 14). Sie brauchen nicht zu zweifeln, dass es geschehen wird. Es wird geschehen, weil der HERR geredet hat. Sein Reden ist sein Handeln.
Er wird die Einwohner Jerusalems aus dem Land vertreiben, sie unter die Nationen versprengen und in den umliegenden Ländern zerstreuen (Vers 15). Auf diese Weise wird der HERR Jerusalem von der Unreinheit reinigen. Die Stadt ist selbst schuld daran, dass sie so vor den Augen der Nationen entweiht wird (Vers 16). Außerdem ist dies der Beweis, dass der HERR es getan hat. Jerusalem wird dadurch wissen, dass Er der HERR ist.