Behandelter Abschnitt Hes 20,1-3
Einleitung
Anders als bei dem Bild des Findelkindes in Hesekiel 16 und in dem Gleichnis von Ohola und Oholiba in Hesekiel 23, beschreibt Hesekiel in diesem Kapitel die Vergangenheit Israels mit seiner andauernden Rebellion gegen Gott. Er verwendet tatsächliche historische Begriffe, ohne Bilder und Gleichnisse zur Hilfe zu nehmen. Hesekiel 20 beginnt mit der Sklaverei in Ägypten und dem Auszug daraus. Dann setzt sich die Beschreibung durch die Erfahrungen in der Wüste zum Leben in Kanaan fort und endet mit der Zerstreuung unter die Nationen.
Die letzte Periode der Geschichte Israels – die Zerstreuung unter die Nationen – wird als eine Rückkehr zum Leben in der Wüste dargestellt, d. h. die Rückkehr zu der Zeit, die der Besiedlung in das Land Kanaan vorausging (Vers 35). Dass Gott das Volk schließlich trotzdem segnet, liegt nicht an ihrer Treue, denn es gibt keine, sondern an seinem eigenen Namen (Vers 44).
Ein wiederkehrendes Thema ist die Widerspenstigkeit des Volkes gegen Gott während der verschiedenen Perioden seiner Existenz. Diese Widerspenstigkeit manifestiert sich in Ungehorsam und Untreue (Verse 8.13.21.27). Die Perioden sind nacheinander:
die ägyptische Sklaverei (Verse 5–9),
die Wüstenwanderung (Verse 10–26) und
das Verweilen im verheißenen Land (Verse 27–29).
Verse 1–3 | Die Ältesten kommen, um den HERRN zu befragen
1 Und es geschah im siebten Jahr, im fünften [Monat], am Zehnten des Monats, da kamen Männer von den Ältesten Israels, um den HERRN zu befragen; und sie setzten sich vor mir nieder. 2 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 3 Menschensohn, rede zu den Ältesten Israels und sprich zu ihnen: So spricht der Herr, HERR: Um mich zu befragen, seid ihr ge- kommen? [So wahr] ich lebe, wenn ich mich von euch befragen lasse!, spricht der Herr, HERR.
„Im siebten Jahr“ bezieht sich auf das siebte Jahr nach der Wegführung des Königs Jojakin nach Babel (Hes 1,2), das Jahr 591 v. Chr. Erneut kommen Männer „von den Ältesten Israels“ zu Hesekiel, um den HERRN zu befragen (Vers 1; vgl. Hes 8,1; 14,1-3). Sie waren schon einmal bei ihm gewesen und hatten von ihm das Wort des HERRN gehört. Was taten sie mit diesem Wort? Sie setzen sich nun wieder vor Hesekiel, um von ihm das Wort des HERRN zu hören. Ihr Wunsch, den HERRN zu befragen, kommt nicht aus einem Herzen, das sich Ihm ungeteilt hingeben will. Sie wollen die Götzen nicht aufgeben.
Es mag sein, dass sie wissen wollen, wie es Jerusalem ergehen wird. Nachdem nun so viele Monate nach der unheilvollen Botschaft von Hesekiel 8-11 vergangen sind, wird ihnen Hoffnung gemacht, dass die angekündigte Zerstörung doch nicht eintreten wird. Außerdem sind seit Hananjas Prophezeiung (Jer 28,1-3) drei Jahre vergangen. Hananja prophezeite, dass die Weggeführten aus Babel mit König Jojakin innerhalb von zwei Jahren nach Jerusalem zurückkehren würden, also spätestens im sechsten Jahr der Wegführung von König Jojakin.
Der HERR kennt ihre Beweggründe und spricht darüber zu Hesekiel (Vers 2). Hesekiel zeigt den Ältesten das Erstaunen des HERRN, indem Er die Frage wiederholt und damit andeutet, dass Er entrüstet ist, dass sie es wagen, zu Ihm zu kommen, um Ihn zu befragen (Vers 3). Es ist, als ob der HERR ihnen sagen würde, dass Er über diese Dreistigkeit erstaunt ist. Seine Antwort ist klar: Er wird sich nicht von ihnen befragen lassen. In den folgenden Versen erklärt Er, warum nicht.