Behandelter Abschnitt Hes 19,1-9
Einleitung
Dieses Kapitel ist ein Klagelied (Vers 1), das Hesekiel kundtun soll. Dabei drückt er die Trauer Gottes um Jerusalem aus. Das Klagelied hat zwei Teile. Im ersten Teil (Verse 2–9) wird die Mutter der Fürsten Judas mit einer Löwin verglichen. Es geht um das Schicksal der letzten Könige von Juda. Im zweiten Teil (Verse 10–14) werden die Fürsten Israels in dem bekannten Bild eines Weinstocks dargestellt. Darin hören wir die Klage über den Fall dieser Fürsten.
Verse 1–9 | Die Löwin
1 Und du, erhebe ein Klagelied über die Fürsten Israels 2 und sprich: Welch eine Löwin war deine Mutter! Zwischen Löwen lagerte sie, unter jungen Löwen zog sie ihre Jungen groß. 3 Und sie zog eins von ihren Jungen auf, es wurde ein junger Löwe; und er lernte Raub rauben, er fraß Menschen. 4 Und die Nationen hörten von ihm, in ihrer Grube wurde er gefangen; und sie brachten ihn mit Nasenringen in das Land Ägypten. 5 Und als sie sah, dass ihre Hoffnung ausblieb, verloren war, da nahm sie ein anderes von ihren Jungen, machte es zu einem jungen Löwen. 6 Und er wandelte unter Löwen, wurde ein junger Löwe; und er lernte Raub rauben, er fraß Menschen. 7 Und er kannte ihre [zerstörten] Paläste, verheerte ihre Städte; und das Land und seine Fülle entsetzte sich vor der Stimme seines Gebrülls. 8 Da stellten sich gegen ihn die Nationen aus den Landschaften ringsum; und sie breiteten ihr Netz über ihn aus, in ihrer Grube wurde er gefangen. 9 Und sie setzten ihn mit Nasenringen in den Käfig und brachten ihn zum König von Babel; sie brachten ihn in eine der Festungen, damit seine Stimme nicht mehr gehört würde auf den Bergen Israels.
Das Klagelied soll „über die Fürsten Israels“ erhoben werden, womit die Könige Joahas und Zedekia gemeint sind (Vers 1). Sie sind zwar Könige von Juda, aber da nur noch Juda übrig ist – und im Lauf der Zeit auch Menschen aus Israel nach Juda gingen – gilt ihr Königtum für ganz Israel.
Die „Mutter“, die „Löwin“ (Vers 2), stellt den Königsstamm Juda dar. Der Herr Jesus ist „der Löwe aus dem Stamm Juda“ (Off 5,5). Hier geht es um Hamutal, die Mutter Joahas’ und Zedekias (2Kön 23,31; 24,18; Jer 13,18). „Die Löwen“, zwischen denen die „Mutter“ liegt, sind die Nationen, die Israel umgeben. „Die jungen Löwen“ sind die Fürsten dieser Nationen. „Ihre Jungen“ sind ihre Söhne Joahas und Zedekia. „Einer ihrer Jungen“ (Vers 3), den sie aufzog und der ein junger Löwe wurde, ist Joahas. Seine kurze Regierungszeit ist gottlos (2Kön 23,30-32). Er ist ein blutrünstiger König, der sich der Gewalt schuldig macht. Er beutet das Volk aus und frisst es so auf.
Die umliegenden Völker sprechen über ihn (Vers 4). Nach dem Bild, wie man Löwen fängt – in mit Zweigen getarnten Gruben –, fängt Pharao Neko Joahas. Neko bringt Joahas als Weggeführten nach Ägypten, wo er stirbt (2Kön 23,33.34; Jer 22,10-12). „Sie“, die Mutter Hamutal, nimmt Zedekia, „ein anderes ihrer Jungen“, und macht ihn zum König (Vers 5). Sie tut dies nach der Gefangennahme und Wegführung von Joahas. Vielleicht hat Nebukadnezar Zedekia zum König gemacht, aber es kann auch der Fürsprache von Hamutal geschuldet gewesen sein. Sie setzt ihre ganze Hoffnung auf ihn. Es ist ein großes Übel, wenn wir unsere Hoffnung auf etwas oder jemand anderen setzen als auf den Herrn. Kapitel 19 ist das Kapitel der falschen Hoffnung.
Dieser Zedekia geht stolz unter den umliegenden Völkern umher (Vers 6). Er, der junge Löwe, lässt sich von den anderen jungen Löwen nicht beeindrucken. Über ihn ergeht das gleiche Zeugnis wie über Joahas (Vers 3).
Zedekia ist auch ein moralisch verwerflicher Mann (Vers 7). Sein Leben trägt den Charakter von Gewalt und Zerstörung. Seine Schreckensherrschaft, die mit dem Brüllen eines Löwen verglichen wird, lähmt das Land. Angeführt vom König von Babel kommen die umliegenden Nationen zu ihm und nehmen Zedekia genauso gefangen wie Joahas (Verse 8.9). Joahas wird nach Ägypten weggeführt und Zedekia nach Babel. So kommt seine Stimme, das Brüllen des Löwen Zedekia, zu einem Ende.