Behandelter Abschnitt Jer 15,2-9
Verse 2–9 | Die festgelegte Strafe
Und es soll geschehen, wenn sie zu dir sagen: „Wohin sollen wir fortgehen?“, so sage ihnen: So spricht der HERR: Wer zum Tod [bestimmt ist], [gehe] zum Tod; und wer zum Schwert, zum Schwert; und wer zum Hunger, zum Hunger; und wer zur Gefangenschaft, zur Gefangenschaft. 3 Denn ich bestelle über sie vier Arten [von Unglück], spricht der HERR: das Schwert zum Morden und die Hunde zum Zerren und die Vögel des Himmels und die Tiere der Erde zum Fressen und zum Vertilgen. 4 Und ich will sie allen Königreichen der Erde zur Misshandlung hingeben, wegen Manasses, des Sohnes Jehiskias, des Königs von Juda, dessentwegen, was er in Jerusalem getan hat. 5 Denn wer wird sich über dich erbarmen, Jerusalem, und wer dir Beileid bezeigen, und wer wird einkehren, um nach deinem Wohlergehen zu fragen?
6 Du hast mich verstoßen, spricht der HERR, du gingst rückwärts; und so werde ich meine Hand gegen dich ausstrecken und dich verderben; ich bin des Bereuens müde. 7 Und ich werde sie mit der Worfschaufel zu den Toren des Landes hinausworfeln; ich werde mein Volk der Kinder berauben, es zugrunde richten. Sie sind von ihren Wegen nicht umgekehrt. 8 Ihre Witwen werden mir zahlreicher sein als der Sand der Meere; ich bringe ihnen über die Mütter der Jünglinge einen Verwüster am [hellen] Mittag, lasse plötzlich Angst und Schrecken auf sie fallen. 9 Die sieben gebar, verschmachtet, sie haucht ihre Seele aus; ihre Sonne ist untergegangen, als es noch Tag war; sie ist beschämt und zuschanden geworden. Und ihren Überrest werde ich dem Schwert hingeben vor ihren Feinden, spricht der HERR.
Der HERR bereitet Jeremia auf die Frage des Volkes vor, wohin sie gehen sollen (Vers 2). Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit Vers 1, wo der HERR gesagt hat, dass Er sich nicht zu ihnen wenden wird und Er sie nicht wiedersehen will. Die Antwort, die Jeremia zu geben hat, ist nicht, dass sie selbst entscheiden können, wohin sie gehen werden, sondern dass sie auf dem Weg zu ihrer selbst gewählten Bestimmung sind: in den Tod, womit möglicherweise Pest, Schwert, Hunger und Gefängnis gemeint sind.
In Vers 3 sagt der HERR, welches Mittel Er zur Strafe einsetzen wird. Das Schwert wird den Tod bringen. Die Toten werden aber kein ehrenvolles Begräbnis erhalten, sondern die Leichen werden von den Hunden weggeschleppt, während sie sie zerreißen, und von den Vögeln des Himmels und den wilden Tieren gefressen werden. Es ist die größte denkbare Erniedrigung für einen Juden, wenn sein toter Körper nicht begraben wird und dann auch noch zur Nahrung von Tieren wird.
Das wird sie zu einem Gegenstand des Schreckens machen unter allen Königreichen der Erde. Die Strafen kommen wegen Manasse, für das, was er in Jerusalem getan hat (Vers 4; 2Kön 21,1-16; 2Chr 33,1-11). Manasse hat nicht nur alle Reformen seines gottesfürchtigen Vaters Hiskia rückgängig gemacht, sondern er hat absichtlich Götzendienst und Dämonenanbetung eingeführt, um den HERRN herauszufordern. Dass Manasse hier mit Nachdruck „der Sohn Jehiskias“ genannt wird, liegt an dem Kontrast zwischen einem so gottesfürchtigen Vater und einem so gottlosen Sohn. Die Taten Manasses liegen zwar schon einige Zeit zurück, doch wenn eine Sünde nicht richtig bekannt und beseitigt wurde, bleiben die Folgen bestehen. Der HERR verweist immer auf den Ursprung der Sünde und des Gerichts.
In Vers 5 werden drei Fragen an Jerusalem gestellt. Die Fragen lauten, wer sich über sie erbarmen wird, wer ihnen Beileid bezeigen wird und wer nach ihrem Wohlergehen fragen wird. Die Antwort ist in der Frage enthalten. Es wird niemanden geben, der sich ihrer erbarmt oder ihnen Beileid bezeigt oder nach ihrem Wohlergehen fragt. Der Trost, der im Mitleid der anderen liegt, wird für Jerusalem nicht da sein. Niemand wird sich die Mühe machen, für einen Moment von seinem Weg abzuweichen, um zu fragen, wie es ihr geht.
Sie haben sich das selbst zuzuschreiben, denn sie haben den HERRN verlassen, den Einen, der sich immer über sie erbarmt und für sie gesorgt hat (Vers 6). Aber sie wollten seine Fürsorge nicht, sondern haben Ihm den Rücken zugewandt. Deshalb ist die Hand des HERRN gegen sie zum Gericht ausgestreckt, um sie zu Fall zu bringen. Es ist aus und vorbei mit dem Bereuen über das Leid als Folge des Gerichts. Er hat es schon so oft und so lange hinausgezögert, aber jetzt muss es kommen. Er ist „des Bereuens müde“.
Der HERR wird die Gottlosen seines Volkes mit der Worfschaufel richten in den Toren des Landes, in denen Recht gesprochen wird (Vers 7). Die Worfschaufel wird benutzt, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Spreu sind die Frevler. Sie werden von der Worfschaufel des Gerichts weggeblasen (Mt 3,12). Damit will Er seinem Volk die Kinder rauben und damit das Fortbestehen der Gottlosen unmöglich machen. Noch einmal wird der Grund genannt, nämlich dass sie in ihren sündigen Wegen fortfahren und nicht davon zu Ihm zurückgekehrt sind.
Es wird auch eine große Zahl von Witwen geben, was bedeutet, dass viele Männer sterben werden (Vers 8; vgl. 2Chr 28,6). Der HERR bringt das Gericht über „die Mütter“, d. h. das Volk, durch „einen Verwüster“, d. h. die Macht Babel, „am [hellen] Mittag“. Gleichzeitig sagt der HERR, dass Er selbst das Gericht über das Volk bringen wird. Was Babel tut, ist nichts anderes als die Ausführung seines Willens. Die plötzliche Angst und der
Schrecken, die das Volk überfallen, wenn der Feind kommt, wird von Ihm verursacht.
Die fruchtbare Frau, die sieben Kinder gebar, steht für Israel unter dem vollkommenen Segen des HERRN (5Mo 28,4a). Von dieser Fruchtbarkeit ist wegen ihres Ungehorsams nichts mehr übrig (5Mo 28,18a). Die Frau, also das Volk, verschmachtet und haucht ihre Seele aus, sie wird ihren letzten Atemzug tun (Vers 9). Während die Sonne noch scheint, die Sonne der Barmherzigkeit Gottes, wird es für sie wegen ihrer Sünden zur Nacht. Was noch an Menschen und Gütern übrig ist, wird durch den Feind weggenommen.