Behandelter Abschnitt Jer 5,20-31
Verse 20–31 | Bewusster Aufstand Israels
20 Verkündet dies im Haus Jakob und lasst es hören in Juda und sprecht: 21 Hört doch dies, törichtes Volk ohne Verstand, die Augen haben und nicht sehen, die Ohren haben und nicht hören. 22 Wollt ihr mich nicht fürchten, spricht der HERR, und vor mir nicht zittern? Der ich dem Meer Sand zur Grenze gesetzt habe, eine ewige Schranke, die es nicht überschreiten wird; und es regen sich seine Wogen, aber sie vermögen nichts, und sie brausen, aber überschreiten sie nicht. 23 Aber dieses Volk hat ein störriges und widerspenstiges Herz; sie sind abgewichen und weggegangen. 24 Und sie sprachen nicht in ihrem Herzen: Lasst uns doch den HERRN, unseren Gott, fürchten, der Regen gibt, sowohl Frühregen als Spätregen zu seiner Zeit; der uns die bestimmten Wochen der Ernte einhält. 25 Eure Ungerechtigkeiten haben dies weggewendet und eure Sünden das Gute von euch abgehalten. 26 Denn unter meinem Volk finden sich Gottlose; sie lauern, wie Vogelfänger sich ducken; sie stellen Fallen, fangen Menschen. 27 Wie ein Käfig voll Vögel, so sind ihre Häuser voll Betrug; darum sind sie groß und reich geworden. 28 Sie sind fett, sie sind glatt; ja, sie überschreiten das Maß der Bosheit. Die Rechtssache richten sie nicht, die Rechtssache der Waisen, so dass es ihnen gelingen könnte; und das Recht der Armen entscheiden sie nicht. 29 Sollte ich dies nicht heimsuchen, spricht der HERR, oder sollte an einer Nation wie dieser meine Seele sich nicht rächen? 30 Entsetzliches und Schauderhaftes ist im Land geschehen: 31 Die Propheten weissagen falsch, und die Priester herrschen unter ihrer Leitung, und mein Volk liebt es so. Was aber werdet ihr tun am Ende von [all] dem?
Jeremia soll „im Haus Jakob“ und „in Juda“ verkünden, wie der HERR sie sieht (Vers 20). Der HERR ruft sie auf, die Er ein „törichtes Volk ohne Verstand“ nennt, zu hören (Vers 21). Sie sind ein „törichtes Volk“, weil sie nicht mit Ihm rechnen. Infolgedessen sind sie auch „ohne Verstand“. Sie haben jeglichen Sinn für Vernunft verloren und können sich nicht mehr orientieren, um zu entdecken, was gut und richtig ist.
Der HERR hat ihnen „die Form der Erkenntnis und der Wahrheit in dem Gesetz“ gegeben (Röm 2,20b). Aber sie handeln in jeder Hinsicht dem Gesetz zuwider (Röm 2,17-23). Sie kümmern sich nicht um das, was der HERR von ihnen verlangt. Das liegt nicht an Ihm. Er hat ihnen Augen und Ohren gegeben. Weil sie die nicht benutzt haben, um Ihn anzuschauen und auf Ihn zu hören, sind sie blind und taub geworden (vgl. Hes 12,2). Er ruft sie zwar, um zu ihm zurückzukehren, aber sie hören nicht (vgl. Jes 6,9.10; Mt 13,13-15). Damit sind sie ihren Götzen gleich geworden, denen sie anstelle von Ihm dienen, Götzen, die kein Lebenszeichen von sich geben (Ps 115,5-8).
Der HERR fragt sich erstaunt, warum sie Ihn nicht fürchten und warum sie nicht vor Ihm zittern (Vers 22). Wo ist die Ehrfurcht vor Ihm (vgl. Mal 1,6a)? Schließlich ist Er doch der Ehrfurcht gebietende große Gott? Ihm gegenüber sind sie völlig hilflos.
Doch das Volk hat jeden Sinn für die Größe des HERRN verloren. Er bändigt das Meer und es gehorcht Ihm (Mk 4,37-41; Hiob 38,8-11; Ps 104,9). Er setzt dem Meer eine Grenze. Wie sehr das Meer auch wühlt und tobt, seine mächtige Hand hält es im Zaum, sodass es nichts ausrichten kann und die von ihm gesetzte Grenze nicht überschreiten wird. Das Volk aber lässt sich nicht zügeln und kümmert sich nicht um die Grenzen, die der HERR ihnen in seinem Bund gesetzt hat.
Die Ursache ist „ein störriges und widerspenstiges Herz“ (Vers 23). Infolgedessen überschreiten sie eklatant die moralischen Grenzen Gottes. Sie sind abgewichen von dem guten Weg und haben ihren eigenen verderbten Weg des Götzendienstes eingeschlagen. Der gläubige Überrest wird dies in der Zukunft als ihre Sünde bekennen und darf gleichzeitig feststellen, dass der Herr Jesus dafür die Strafe vonseiten Gottes getragen hat (Jes 53,6).
Es kommt nicht in ihrem Herzen auf, den HERRN, ihren Gott, zu fürchten (Vers 24). Das Herz ist das Zentrum des inneren Lebens und umfasst Gefühl, Wille und Verstand. Deshalb müssen wir unser Herz behüten, indem wir es Ihm übergeben (Spr 4,23; 23,26a). Der HERR nimmt es ihnen übel, dass sie nicht daran denken, Ihn zu fürchten, obwohl es neben den bereits erwähnten Beweisen seiner Allmacht auch so viele Beweise seiner Güte gibt.
Jedes Mal, wenn sie die Erntefeste feiern, sehen sie diese Güte. Er hat den Regen gegeben, „sowohl Frühregen als Spätregen“, sodass die Ernte nicht ausbleibt. Es ist selbst so, dass Er „bestimmte Wochen der Ernte“ (vgl. 2Mo 34,22; 3Mo 23,10.15) eingesetzt und erhalten hat. So ist Er ständig mit ihnen beschäftigt (vgl. Apg 14,17). Doch sie erkennen Ihn nicht als die Quelle des Segens, sondern schreiben seinen Segen den Götzen zu. Was ist das für eine schamlose Beleidigung?
Deshalb kann Er sie nicht weiter segnen. Ihre Ungerechtigkeiten und Sünden blockieren Ihn, dem Volk all diese guten Dinge noch länger zu geben (Vers 25). Es liegt an ihnen selbst und nicht an Ihm. Immer sind es die Ungerechtigkeiten und Sünden des Menschen, die Gott daran hindern, den Segen zu geben, den Er gerne geben möchte. Ungerechtigkeit ist das Verlassen des Weges, den Gott mit dem Menschen gehen will, und Sünde ist das Verfehlen des Ziels, das Gott für den Menschen vorgesehen hat.
Deshalb tut Er alles in seiner Macht Stehende, um diese Blockade zu beseitigen, damit Er segnen kann. In Christus bietet Gott dem Menschen die Möglichkeit, von seinen Ungerechtigkeiten und Sünden befreit zu werden und den Segen zu empfangen, den Er geben will. Die Voraussetzung ist aber, dass sie ihre Sünden bereuen und sich Ihm zuwenden.
Alle Bemühungen des HERRN, sein Volk wieder auf den Weg des Segens zu bringen, wurden von dem Volk mit noch größerer Treulosigkeit beantwortet. Unter seinem Volk sieht Er solche, die wie Gottlose darauf aus sind, andere zu berauben (Vers 26). Wenn sie dann keinen Segen von Gott erhalten, werden sie sich selbst mit Nahrung und Einkommen versorgen. Dazu legen sie sich auf die Lauer und stellen zerstörerische Fallen auf. Ihr Ziel ist es, Menschen zu fangen, um ihnen alles zu rauben, was sie besitzen.
Mit der Beute füllten sie ihre Häuser, wie ein Vogelfänger seinen Käfig mit Vögeln füllt (Vers 27). Aber wie sie ihre Häuser gefüllt haben, das nennt der HERR „Betrug“, weil sie ihren Besitz auf unrechtmäßige, verlogene Weise erlangt haben. Ihre böse Absicht, sich auf Kosten anderer zu bereichern, scheint ihnen gelungen zu sein und durch diese bösartigen Machenschaften sind sie „groß und reich geworden“. Die Ungerechtigkeit hat sie „fett“ und „glatt“ gemacht (Vers 28). Sie schwelgen in ihren geraubten Gütern und lassen es sich hemmungslos gut gehen. Selbstbeherrschung kennen sie nicht.
Sie machen es noch schlimmer als die größten Verbrecher und leben ihr eigenes luxuriöses Leben, ohne sich auch nur im Geringsten um andere zu kümmern. Sie sind erfüllt mit bösen Praktiken. Die sozial Schwachen interessieren sie nicht, es sei denn, um sie auszurauben. Sie kümmern sich nicht um Recht und Gerechtigkeit. Dass sie trotz alledem wohlhabend sind, ist eine erstaunliche Beobachtung. Zahlt sich Sünde doch aus?
Auf diese Frage kommt die unmittelbare Antwort (Vers 29). Der HERR sagt, dass Er sie bestrafen wird. Er sagt dies als Frage. Das macht es umso deutlicher, dass Er keine andere Wahl hat, als sich „an einer Nation wie dieser“ zu rächen. Wir hören hier seine große Abscheu vor ihren Sünden. Es ist ein Volk, das mit dem Mund bekennt, sein Volk zu sein, während es gleichzeitig so viele verwerfliche Taten begeht.
Es ist entsetzlich und schauderhaft, was im Land geschieht (Vers 30; vgl. Hos 6,10). Der HERR ist entsetzt. Propheten, Priester und das ganze Volk haben sich von Ihm abgewandt (Vers 31). Diejenigen, die für das geistliche Wohl des Volkes sorgen sollen, denken nur an sich selbst. Die Propheten prophezeien Lügen, um in der Gunst des Volkes zu bleiben und um Geld für ihr schönes Geschwätz zu kassieren. Die Priester machen mit und stecken auch ihren Teil des Geldes ein.
Das Volk ist nicht weniger schuldig, denn sie sind nur zu froh, solche Führer zu haben, die ihnen nur schöne Reden präsentieren, während ihr Gewissen davon nicht betroffen ist (vgl. 2Tim 4,3.4). Sie mögen keine Propheten, die an ihr Gewissen appellieren. Sie lieben ihre falsche Sicherheit. Alle stehen schuldig vor Gott. Die Frage ist, was sie tun werden, wenn das Ende kommt. Dann wird sich zeigen, was das Gerede der falschen Führer wert war und was die falsche Sicherheit hervorgebracht hat.