Behandelter Abschnitt Jer 4,19-22
Verse 19–22 | Der Seelenkampf Jeremias
19 Meine Eingeweide, meine Eingeweide! Mir ist angst! Die Wände meines Herzens! Es tobt [in] mir mein Herz! Ich kann nicht schweigen! Denn du, meine Seele, hörst den Schall der Posaune, Kriegsgeschrei: 20 Zerstörung über Zerstörung wird ausgerufen. Denn das ganze Land ist verwüstet; plötzlich sind meine Zelte zerstört, meine Zeltbehänge in einem Augenblick. 21 Wie lange soll ich das Banner sehen, den Schall der Posaune hören? 22 Denn mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht; törichte Kinder sind sie und unverständig. Weise sind sie, Böses zu tun; aber Gutes zu tun, verstehen sie nicht.
Jeremia ist von seiner Botschaft tief getroffen (Vers 19). Er durchlebt, was er predigt. Er realisiert das Gewicht der Worte und wird davon niedergedrückt. Es dringt tief in sein Innerstes. Seine Eingeweide werden unruhig und „sein Herz tobt“ beim Anblick des Elends, das kommen wird. Es ist für ihn unmöglich, darüber zu schweigen. Er muss es weitergeben, um zu warnen. Er hört den Schall der Posaune und das Kriegsgeschrei der feindlichen Heere. So macht er sich eins mit dem Volk, dem Überrest, in dem der Geist Christi ist. Er ist sehr gebeugt über den bösen Zustand des Volkes und erfährt den Zorn Gottes darüber. Er repräsentiert die Stimme des treuen Überrestes. Es ist die Sprache des Buches der Psalmen.
Im Geist sieht er, wie Zerstörung auf Zerstörung folgt (Vers 20). Es gibt Meldungen über eine Zerstörung nach der anderen, genau wie die Boten, die nacheinander zu Hiob kommen. Der eine ist noch nicht fertig damit, ihm von dem Unglück zu berichten, da kommt schon der nächste mit einer neuen Unglücksbotschaft (Hiob 1,13-19). Das ganze Land wird durch den Feind verwüstet. In einem Augenblick ist jegliches Familienleben in Zelten unmöglich geworden, weil die Zelte zerstört worden sind. Jeremia spricht von „meinen Zelten“, so sehr macht er sich eins mit dem Volk. Er denkt sich vollständig in die herannahenden Schrecken hinein.
Er fragt den HERRN, wie lange er zusehen soll, dass der Feind das Sagen hat (Vers 21). Die Frage „wie lange“ ist auch in den Psalmen üblich. Sein Leiden zeigt eine tiefe Vaterlandsliebe, die niemand so fühlt wie er. Gemeinschaft mit Gott und Gehorsam in seinem Dienst vertiefen immer das Mitgefühl des Dieners. Wie kann dieser Mann, dem das Schicksal seines Volkes so sehr am Herzen liegt, später des Verrats bezichtigt werden?
Der HERR antwortet ihm, dass die Ursache für all dieses Elend bei „meinem Volk“ liegt (Vers 22). Auch hier hören wir den Schmerz im Herzen des HERRN. Obwohl sie sein Volk sind, kennen sie ihn nicht. „Kennen“ bedeutet hier, ein Leben in Gemeinschaft mit Ihm zu führen und in Liebe und Vertrauen Ihm zu begegnen. Doch Er muss von ihnen sagen, dass sie „törichte Kinder“ sind, die leben, ohne zu verstehen, wer Er ist und wer sie selbst sind (vgl. Spr 1,7). Sie wissen gut, wie man Böses tut, sie sind sogar „weise“ darin, aber sie sind unfähig, Gutes zu tun, das „verstehen sie nicht“.
Der HERR erwartet von uns, dass wir „weise sind zum Guten, aber einfältig zum Bösen“ (Röm 16,19b). Wir dürfen in unseren Herzen und in unserem Leben das Gute und das Böse nicht vertauschen und nicht miteinander vermischen (Jes 5,20).