Behandelter Abschnitt Jes 53,4-6
Verse 4–6 | Stellvertretendes Leiden
4 Doch er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Und wir, wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt; 5 doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden. 6 Wir alle irrten umher wie Schafe, wir wandten uns jeder auf seinen Weg; und der HERR hat ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit.
Wir kommen nun zum Kern der Botschaft in diesem zweiten Hauptteil des Buches Jesaja, Jesaja 40-66, der aus drei Teilen mit jeweils neun Kapiteln besteht. Von diesen drei Teilen befinden wir uns in dem mittleren Teil von neun Kapiteln, Jesaja 49-58. In diesem Teil sind wir jetzt ebenfalls in dem mittleren Kapitel davon, das ist Jesaja 53. Dieses Zentrum besteht aus fünf Teilen oder Strophen zu je drei Versen, von denen wir uns jetzt im dritten und mittleren befinden (Verse 4–6). Ihr Inhalt ist der Herr Jesus, der als der vollkommene Knecht an die Stelle des versagenden Knechtes Israel tritt, sowohl in seinem Leben als auch in seinem Tod. In diesem ganzen Lied nimmt der Knecht in seinem Leiden stellvertretend den Platz Israels ein.
Der Klarheit halber sei darauf hingewiesen, dass es sich nicht um ein Leiden in „Solidarität“ mit dem Leiden der Menschheit handelt, wie moderne
Theologen behaupten, sondern um ein stellvertretendes Leiden für bußfertige Sünder. Es ist, wie Vers 10 unzweideutig erklärt, ein Schuldopfer.
Vers 4 In den Versen 4–6 geht der Überrest noch tiefer auf das Thema ein. Sie bekennen, dass seine Leiden von einer ganz anderen Art waren, als sie unterstellt haben. Er hat nicht wegen seiner eigenen Sünden gelitten, wie sie unterstellt haben. Er hat keine Gotteslästerung begangen als Er sich selbst als Sohn Gottes bezeichnete. Christus hat um ihrer Sünden willen gelitten. Die Leiden des Kreuzes sind nun im Blick. Die Veränderung in ihrer Auffassung wird durch das einleitende Wort „doch“ markiert.
Die Beschreibung „unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen“, drückt noch deutlicher aus, was im vorherigen Vers im Zusammenhang mit Ihm erwähnt wurde. Wir sehen daraus, wie der Herr in seiner eigenen Person Leiden ertragen hat, die nicht von Ihm waren. Matthäus zitiert dies im Zusammenhang mit seinen Taten der Heilung und Befreiung (Mt 8,16.17). Diese Beschreibung spricht nicht von seiner stellvertretenden Versöhnung, bezieht sich aber darauf. Der Herr Jesus wäre nicht in der Lage gewesen, Krankheiten wegzunehmen, wenn Er nicht ihren Kern, die Sünde, am Kreuz weggenommen hätte.
Vers 4 bringt uns zum Kreuz, denn darauf allein kann sich die Aussage „wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt“ beziehen. „Bestraft“ erinnert an die Plage des Aussatzes. Was bei Ihm nicht der Fall war, war bei Mirjam (4Mo 12,10), Gehasi (2Kön 5,27) und Ussija (2Chr 26,20) der Fall. In ihrer Verblendung sahen die Juden sein Leiden als die Strafe für seine eigenen Sünden, die ihrer Meinung nach besonders zahlreich und groß gewesen sein mussten. Insbesondere müssen wir besonders an den Vorwurf der Gotteslästerung denken, den Er begangen haben soll, indem Er sich selbst gleichstellte mit Gott.
Vers 5 Aber jetzt, unter dem Eindruck der Offenbarung der großen Tatsachen, kommen sie zu einer völligen Änderung ihrer Ansichten. Dies bemerken wir in besonderer Weise in der Reihe der nachdrücklichen persönlichen Ausdrücke im Plural, die folgen. „verwundet“ oder „durchbohrt“ und „zerschlagen“ sind die stärksten Worte, um einen gewaltsamen und erschreckenden Tod zu beschreiben. Die Betonung liegt auf „unser“.
In klaren Worten wird hier die Lehre von der Stellvertretung beschrieben: Jemand empfängt die Strafe, die andere verdient haben, damit diese frei ausgehen können (1Pet 2,24a). Ein einfache Lehre, aber eine unvorstellbare Wahrheit.
Die Strafe, die Gott Ihm auferlegt hat, ist eine, die unserem Frieden gedient hat – das hebräische Wort für Frieden, schalom, ist eine Zusammenfassung und beschreibt nicht nur einen friedlichen Zustand, sondern ein allgemeines Wohlbefinden, Wohlstand und Gedeihen sowie innere Ruhe und Gelassenheit. Es ist eine Bestrafung, die diese Wirkung für uns hat.
Dieser bemerkenswerte Gegensatz findet sich auch in den Wunden oder Striemen, die Ihm zugefügt wurden und aus denen Heilung für uns hervorkam. Die Striemen sind die, die Gott Ihm zufügte (1Pet 2,24b), und nicht die der römischen Soldaten, die Ihn gegeißelt haben. Es sind die Striemen des göttlichen Gerichts. Die Heilung und die geistliche Gesundheit, die wir empfangen haben, werden ausdrücklich im Gegensatz gesehen zu den Schlägen, die Gott Ihm zufügte.
Vers 6 Jetzt kommt der Höhepunkt des Bekenntnisses aus einem tief berührten Gewissen des reuigen Volkes. Wer den Herrn verlässt, hat auch keinen Kontakt zu anderen. Jeder geht seinen eigenen Weg. Sie anerkennen, dass sie wie Schafe umhergeirrt sind, und bringen ihr Bewusstsein der großen Barmherzigkeit in der überwältigenden Tatsache zum Ausdruck, dass „der HERR ihn hat treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit“. Sie ist wie eine enorme Last auf Ihn gefallen. Er nahm sich unser Los zu Herzen, aber welch ungeheure Last kam dadurch auf Ihn. Alle unsere Sünden wurden von Gott auf Ihn gelegt. Er bekannte sie alle einzeln vor Gott. So verschwand die ganze Last aus den Augen Gottes (vgl. 3Mo 16,21).
Der HERR ergreift hier die Initiative. Er wollte das Leiden seines Knechtes für die Rettung des sündigen Volkes, das von Ihm abgewichen war. Israel wandte sich von Ihm ab, aber Er wandte sich nicht von seinem Volk ab. Er ließ die Sünde des Volkes auf den Mann seines Wohlgefallens herabkommen. In Vers 4 ist das stellvertretende Leiden des Knechtes die Wahl des Knechtes selbst. Hier in Vers 6 ist es das, was der HERR zu tun beschlossen hat. Das Leiden der Knecht liegt nicht außerhalb des Willens des Knechtes und des Willens des HERRN. Im Gegenteil, es ist der ausdrückliche Wille des Knechtes, der bei seinem Kommen in die Welt sagt: „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Heb 10,5.9).
Was das Volk in Bezug auf das Beschreiten ihres eigenen Weges bald erkennen wird, gilt für die gesamte Menschheit. Der Mensch hat den Willen Gottes durch seinen eigenen Willen ersetzt. Er ist seinen „eigenen Weg“ gegangen und hat sich selbst anstelle von Gott in den Mittelpunkt gestellt. In diesen allgemeinen Zustand von Schuld und Elend griff die Gnade Gottes ein. Er hat seinen Sohn gesandt, um die ganze Last der Schuld und den damit verbundenen gerechten Zorn auf Ihn zu legen (Röm 8,3; 2Kor 5,21). Jeder Mensch, der seine Sünden bekennt, darf wissen, dass Christus dieses Werk für ihn vollbracht hat und er Anteil hat an diesem gnädigen Handeln Gottes. Die Sünden des unbußfertigen Sünders sind nicht Teil dieses Versöhnungswerkes.