Behandelter Abschnitt Jes 1,10-15
Verse 10–15 | Scheinheilige Schlachtopfer
10 Hört das Wort des HERRN, Vorsteher von Sodom; horcht auf das Gesetz unseres Gottes, Volk von Gomorra! 11 Wozu soll mir die Menge eurer Schlachtopfer?, spricht der HERR. Ich habe die Brandopfer von Widdern und das Fett der Mastkälber satt, und am Blut von Stieren und Lämmern und jungen Böcken habe ich kein Gefallen. 12 Wenn ihr kommt, um vor meinem Angesicht zu erscheinen: Wer hat dies von eurer Hand gefordert, meine Vorhöfe zu zertreten? 13 Bringt keine wertlose Opfergabe mehr! Räucherwerk ist mir ein Gräuel. Neumond und Sabbat, das Berufen von Versammlungen: Frevel und Festversammlung kann ich nicht [ertragen]. 14 Eure Neumonde und eure Festzeiten hasst meine Seele; sie sind mir zur Last geworden, ich bin des Tragens müde. 15 Und wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch; selbst wenn ihr das Gebet vermehrt, höre ich nicht: Eure Hände sind voll Blut.
Jesaja gibt die Stimme des Überrestes wieder, wenn er in Vers 9 anerkennt, dass es Gottes Gnade zu verdanken ist, dass sie nicht wie Sodom und Gomorra geworden sind. Das gilt nicht für die gottlose Masse, an die er in den Versen 10–20 das Wort richtet. Geistlich gesehen ähnelt der Zustand Jerusalems und Judas dem von Sodom und Gomorra (Hes 16,49). Jerusalem und Juda weisen Eigenschaften wie Stolz, Übermut und sorglose Ruhe auf. In der Zukunft wird es den Juden in ihrem Tempel, den sie im Unglauben in Jerusalem wiederaufgebaut haben, geistlich so ergehen (Off 11,8).
Jesaja spricht an erster Stelle die Führer Jerusalems an (Vers 10). Er spricht sie wenig schmeichelhaft als „Vorsteher von Sodom“ an. Er wendet sich auch an das Volk Gottes, das er ebenso wenig schmeichelhaft „Volk von Gomorra“ nennt. Das bedeutet, dass ihr geistlicher Zustand unwiderruflich zu Gottes Gericht führen wird. Deshalb fordert er die Führer auf, „das Wort des HERRN“ zu hören, und ermahnt das Volk, „auf das Gesetz unseres Gottes“ zu horchen.
Obendrein, und das ist wirklich schockierend, bedecken sie ihre Verdorbenheit mit einem frommen Gewand. Es ist die Religion Kains. Sie bringen Gott eine „Menge … Schlachtopfer“ (Vers 11), aber Er lehnt sie ab. Sie sind wertlos für Ihn, weil sie mit einem heuchlerischen und kalten Herzen dargebracht werden (Jes 29,13; Hos 6,6; Amos 5,21-24; Mich 6,6-8).
Sie mögen eine „Menge Schlachtopfer“ bringen, aber Er verabscheut sie. Er hat ihre „Brandopfer von Widdern“ satt. Der Widder ist das Tier des Weiheopfers. Indem sie einen Widder bringen, geben sie vor, dass sie Ihm ihr Leben weihen wollen. „Das Fett“ und „das Blut“ von allen möglichen
Tieren gefällt Ihm nicht. Sie geben vor, sein Recht darauf anzuerkennen, aber in der Praxis tun sie, was ihnen gefällt. Was für eine Vielfalt von Opfern bringen sie, und sie tun es genau so, wie es vorgeschrieben ist, doch Er hat kein Gefallen daran.
Sie kommen mit ernsten Gesichtern vor sein Angesicht und zertreten seine Vorhöfe (Vers 12). Seht, wie religiös sie sind! Aber wer hat das von ihnen verlangt? Gott sicher nicht. Es ist besser für sie, zu Hause zu bleiben, als heuchlerisch zu kommen, denn wenn sie das tun, sind die Opfergaben „wertlos“ (Vers 13). Sie haben überhaupt keinen Nutzen und bewirken nichts. Das „Räucherwerk“, das sie bringen, ist Ihm „ein Gräuel“. Der HERR zerschlägt ihren ganzen Dienst; Er lässt nichts davon übrig. Alles, womit sie meinen, Ihn zu ehren, ist nichts als geistlicher Egoismus. Es dient nur dazu, ihre religiösen Gefühle zu befriedigen. Es ist nichts für den HERRN dabei.
Auch die Festtage und die damit verbundenen Versammlungen sind Ihm ein Gräuel. „Ich kann sie nicht ertragen“ muss Er dazu sagen, denn Er ist der Gott des Rechts, und was sie tun, ist „Frevel“. Selbst wenn sie eine „Festversammlung“ berufen – das heißt die heiligen Versammlungen während der sieben jährlichen Festtage, die in 3. Mose 23 beschrieben werden –, ist das für Ihn eine verwerfliche Beschäftigung. Es sind Festtage, um sich selbst Gutes zu tun, während für den HERRN kein Platz ist.
Es sind also nicht mehr „Feste des HERRN“ (3Mo 23,2), sondern ihre eigenen Feste. Er nennt sie deshalb auch „eure Neumonde und eure Festzeiten“ (Vers 14; vgl. Joh 5,1; 6,4; 7,2). Er hasst sie von ganzer Seele. Sie sind Ihm eine Last und Er ist müde, sie zu tragen (vgl. Jes 7,13). Wir würden sagen: Er ist ihrer überdrüssig.
Die Sprache ist äußerst kraftvoll und eindringlich. Gott drückt in einer fast emotionalen Weise seine Verurteilung ihres verwerflichen Dienstes aus. Er will sein Volk von der Abscheu überzeugen, die Er empfindet. Ohne es zu wissen, sind viele blind für das, was vor dem HERRN angemessen ist (vgl. Off 3,17.18) und haben sich sogar gegen diese Vorwürfe gewehrt. Sie sind sehr zufrieden mit sich und ihrem Dienst.
Wer sich Gott heuchlerisch im Gebet nähert, den sieht und hört Er nicht (Vers 15). Er hört nur, wenn die Praxis – von der die Hände sprechen – rein ist (vgl. 1Tim 2,8; Ps 24,4.5; 66,18). Sie stehen im Tempel und beten mit ausgestreckten Händen, aber Gott hört nicht auf sie, denn ihre Hände sind mit Blut befleckt. Sie begehen im Verborgenen Ungerechtigkeiten, und so kommen sie vor Ihn. Schönes Beten in der Öffentlichkeit, während die Praxis im Widerspruch dazu steht, verabscheut Gott zutiefst.
Er sagt von ihrem Gottesdienst, dass sie sich Ihm mit ihrem Mund nähern und Ihn mit ihren Lippen ehren, aber ihr Herz weit von Ihm entfernt ist (Jes 29,13). Gott verabscheut einen rein äußerlichen Gottesdienst, damals, heute und in der Zukunft. Das Gewissen des Christen kann auch so verhärtet sein, dass der Anschein eines christlichen Verhaltens gewahrt bleibt (2Tim 3,5), während er in der Sünde lebt.