Behandelter Abschnitt Spr 20,5-9
Verse 5–9 | Gott ergründet das Herz jedes Menschen
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Tiefes Wasser ist der Ratschluss im Herzen des Mannes, aber ein verständiger Mann schöpft ihn heraus. 6 Die meisten Menschen rufen ein jeder seine Güte aus; aber einen zuverlässigen Mann, wer wird ihn finden? 7 Wer in seiner Lauterkeit gerecht wandelt, glückselig sind seine Kinder nach ihm! 8 Ein König, der auf dem Thron des Gerichts sitzt, zerstreut alles Böse mit seinen Augen. 9 Wer darf sagen: Ich habe mein Herz gereinigt, ich bin rein geworden von meiner Sünde?
Wer weise ist, kann erkennen, was im Herzen vor sich geht (Vers 5). Das gilt sowohl für das eigene Herz als auch für das der anderen. Der Ratschluss oder die Absicht im Herzen wird mit „tiefen Wassern“ verglichen. Das Bild zeigt, dass es schwierig ist, jemandes Motive zu ergründen. Man braucht „Einsicht“, um sie zu schöpfen, also an die Oberfläche zu bringen. Diese Erkenntnis bekommen wir, wenn wir den HERRN fürchten und auf das Wort Gottes hören (Heb 4,12.13). Wenn wir nicht wissen, was jemand beabsichtigt, können wir es durch unseren Umgang mit Gott erfahren.
Christus ist „ein verständiger Mann“. Für Ihn sind alle Überlegungen des menschlichen Herzens völlig offenbar. Er kann sie uns bekannt machen, wenn wir in Gemeinschaft mit Ihm leben. Am Tag des Gerichts wird Er die Überlegungen des Herzens jedes Menschen ans Licht bringen und offenbar machen: „So urteilt nicht irgendetwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Überlegungen der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“ (1Kor 4,5). Niemand muss Ihm sagen, was im Menschen ist, weil Er es weiß (Joh 2,25).
Viele Menschen kennen ihr eigenes betrügerisches Herz nicht. Sie posaunen ihre „eigene Gerechtigkeit“ vor sich her (Vers 6). Das taten auch die Pharisäer an den Straßenecken (vgl. Mt 6,2; 23,5) und sogar vor Gott (Lk 18,11.12). Und sie sind noch nicht ausgestorben. Wir können den Pharisäer verurteilen, der sich offen seiner guten Qualitäten rühmt, doch wie steht es mit uns selbst? Wir können uns demütig geben mit der Absicht, dafür geehrt zu werden. Das liegt auf der gleichen Ebene. Wir prahlen vielleicht nicht laut, aber wir mögen es, wenn andere sehen, wie hingegeben wir sind.
Das Gegenteil einer Person, die ihre eigene Güte ausruft, ist „ein zuverlässiger Mann“. Darin ist eingeschlossen, dass der, der den Mund über sich selbst voll nimmt, nicht zuverlässig ist. Solch ein Mensch verspricht prahlerisch alles Mögliche, hält aber seine Versprechen nicht. Ein zuverlässiger Mensch ist nicht erfüllt von sich selbst, sondern von anderen. Er ist auf den anderen ausgerichtet, er ist für den anderen da. Doch wo ist solch eine Person zu finden? Die Frage zeigt, dass eine solche Person selten ist (vgl. Spr 31,10; Ps 12,1).
Der barmherzige Samariter hat seine Barmherzigkeit nicht ausposaunt, sondern sie betätigt. Er war zuverlässig. Es geht nicht darum, was jemand sagt, was er sei, sondern um das, was er tut. „Ein Gerechter“ lebt in Übereinstimmung mit dem Recht Gottes (Vers 7). Sein Leben entspringt der „Lauterkeit“ seines Herzens. Diese Lauterkeit ist in seinem Herzen, weil er in Gemeinschaft mit Gott lebt. Es gibt nichts Trügerisches in seinen Handlungen. Wer auf diese Weise lebt, ist ein Segen für seine Umgebung, besonders für die, mit denen er in der engsten Beziehung lebt: für seine Kinder. Sie werden „glückselig“ genannt, weil sie in dieser Atmosphäre der Aufrichtigkeit aufwachsen und erzogen werden. Dies ist das schönste Vermächtnis, das Eltern ihren Kindern hinterlassen können. „Ein König“, der Recht spricht, unterscheidet zwischen Gut und Böse (Vers 8). Der Thron spricht im Allgemeinen von Regierung, „Thron des Gerichts“ von der Ausübung des Rechts. Gegen dieses Recht kann man keine Berufung einlegen. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Trennung vom Bösen. Zerstreuen oder worfeln bedeutet reinigen. Er wird das „mit den Augen“ tun, was auf eine vollkommene Einsicht hinweist. Es geht darum, „alles Böse“ aus seinem Reich zu entfernen (Ps 101,8).
Kein einziger König und keine Regierung hat jemals dieses Ideal erreicht. Der Herr Jesus wird das tun, was hier geschrieben steht. Wenn Er also auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt, wird Er die Nationen „voneinander scheiden, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet“ (Mt 25,31.32). Dann wird er die Böcke zum ewigen Feuer verweisen, die Schafe aber werden das Königreich erben (Mt 25,33-46). Er hat Augen, die alles sehen und ergründen (Ps 11,4).
Niemand kann sagen, dass er in seinem Denken und Handeln rein ist (Vers 9). Es gibt zwar Menschen, die das behaupten, aber sie lügen (1Joh 1,8.10). Mit einer rhetorischen Frage bestätigt der Weise, dass niemand ohne Sünde ist (Pred 7,20; 1Mo 6,5; 1Kön 8,46; Ps 143,2; Röm 3,9). Jemand kann nur dann sagen, dass er sein Herz gereinigt hat, wenn er Gott seine Sünden bekannt hat; dann darf er wissen, dass Gott sie ihm vergeben hat (1Joh 1,9). Die Reinigung liegt nicht im Menschen selbst, sondern außerhalb von ihm, in Gott. Gott kann aufgrund des Werkes seines Sohnes am Kreuz vergeben.
Dieser Spruch ist in der Praxis besonders aussagekräftig. In unserer Praxis als Gläubige müssen wir uns bewusst sein, dass wir schwach sind und dass wir unsere Herzen nicht immer durch und durch kennen. Auch können wir unsere Motive nicht immer vollständig ergründen. Paulus war sich dessen bewusst. Er legte die Beurteilung seines Lebens in die Hände des Herrn. Er sagt: „Denn ich bin mir selbst nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr“ (1Kor 4,4).