Behandelter Abschnitt Ps 142,1b-4
Verse 1b–4 | Niemand, der mich erkennt
1b Mit meiner Stimme schreie ich zu dem HERRN, mit meiner Stimme flehe ich zu dem HERRN. 2 Ich schütte meine Klage vor ihm aus, meine Bedrängnis tue ich vor ihm kund. 3 Als mein Geist in mir ermattete, da kanntest du meinen Pfad. Auf dem Weg, den ich wandelte, haben sie mir heimlich eine Schlinge gelegt. 4 Schau zur Rechten, und sieh: Ich habe ja niemand, der mich erkennt; verloren ist mir jede Zuflucht, niemand fragt nach meiner Seele.
David betet nicht in seinem Herzen, sondern laut, wie es die Gläubigen des Alten Testaments gewöhnlich tun (Vers b). Er erhebt seine Stimme, um zu beten, und er tut dies auf eine eindringliche Weise. Er sagt, dass er zum HERRN schreit und zu Ihm fleht. Die Umstände fordern es. Er ist in großer Bedrängnis, weil er von Saul und seinen Männern umzingelt ist.
In Vers 3 fährt er fort, seine Gemütsverfassung zu beschreiben. Er hat Sorgen und schüttet seine Klage, seine große Not, vor Gott aus und macht seine Bedrängnis bekannt. Das Wort „Klage“ bedeutet nicht, dass er sich über Gott oder Menschen beklagt, sondern betrifft die Not, in der er sich befindet. Er schüttet sein Herz freimütig vor dem HERRN aus. Dies ist prophetisch, was der Überrest Israels in der Endzeit, die „eine Zeit der Drangsal“ (Jer 30,7) sein wird, tun wird.
Er ist in schlechter Verfassung. Sein geistlicher Zustand ist auf einem Tiefpunkt, sein Geist wurde in ihm überwältigt (Vers 3). Der Psalmist steht sozusagen inmitten eines Minenfeldes. Ein falscher Schritt ist verhängnisvoll und tödlich. Aber – und da leuchtet ein Hoffnungsschimmer in seiner dunklen Lage auf – er weiß, dass Gott seinen Weg kannte und dass Er immer da war. Das ist für ihn von großer Bedeutung, denn seine Feinde haben ihm „auf dem Weg“, auf dem er geht, „heimlich eine Schlinge gelegt“. Sie kennen auch seinen Weg und versuchen fieberhaft und bösartig, ihm auf diesem Weg eine Falle zu stellen.
Und dann seine Einsamkeit (Vers 4). Als er nach rechts schaut, dem Ort der Stärke, wo jemand ihm helfen könnte, jemand, der für ihn da wäre, stellt er fest, dass dort niemand ist. Es gibt überhaupt niemanden, der sich um ihn kümmert. Er ist von allen verlassen worden und wird gemieden wie die Pest. Es gibt niemanden, der nach seiner Seele fragt. In der Endzeit wird der Überrest um sich schauen und feststellen, dass es überhaupt niemanden gibt, der helfen kann oder will.
Wenn jemand bei ihm gewesen wäre, hätte er vielleicht entkommen können. Aber jetzt gibt es niemanden, der nach seiner Seele fragt, niemanden, der ihn ermutigt, niemanden, der irgendetwas unternimmt, damit er am Leben bleiben kann. Seine Gefährten in der Höhle verstehen nicht, dass er Saul nicht tötet, wo er doch die Gelegenheit dazu hat (1Sam 24,4-8).
Keiner ist auf der Erde so einsam und unverstanden gewesen wie der Herr Jesus. So wenden sich viele seiner Jünger ab und folgen Ihm nicht mehr nach (Joh 6,66). Als Er seine drei vertrautesten Jünger bittet, mit Ihm in Gethsemane zu wachen, schlafen sie ein. Als Er gefangen genommen wird, fliehen alle seine Jünger von Ihm (Mk 14,50).