Behandelter Abschnitt Ps 108,1-6
Verse 1b–6 | Loblied und Gebet
1b Befestigt ist mein Herz, o Gott! Ich will singen und Psalmen singen, auch meine Seele. 2 Wacht auf, Harfe und Laute! Ich will die Morgenröte wecken. 3 Ich will dich preisen, HERR, unter den Völkern und dich besingen unter den Völkerschaften; 4 denn groß ist deine Güte über die Himmel hinaus, und bis zu den Wolken deine Wahrheit. 5 Erhebe dich über die Himmel, o Gott! Und über der ganzen Erde sei deine Herrlichkeit! 6 Damit deine Geliebten befreit werden, rette durch deine Rechte und erhöre mich!
Nach der Betrachtung der vielen Gütigkeiten des HERRN, über die der Psalmist im vorangegangenen Psalm (Ps 107,43) geschrieben hat, ist das Herz zur Ruhe gekommen (Vers 1b). Sein „Herz ist befestigt“, es ist bereit, es ist fähig zu singen, ja, Psalmen zu singen zur Ehre Gottes. Der Ruhm [“meine Seele“ ist wörtlich „mein Ruhm“], den Er von Gott als König über sein Volk empfangen hat, dient nicht seinem eigenen Ruhm, sondern dem
Ruhm Gottes. Es ist die Antwort auf die Ermahnung in Psalm 107, den HERRN wegen seiner Güte und Treue zu preisen. Er tut dies mit einem Lobgesang (Vers 3), begleitet von Harfe und Laute (Vers 2).
Ein neuer Tag oder ein neuer Abschnitt in seinem Leben hat begonnen (Vers 2). Psalm 57 hat zwei Abschnitte: einen über das „Einschlafen“ (Ps 57,1b-6) und einen über das „Aufwachen“ (Ps 57,7-11). Wie bereits er wähnt, greift Psalm 108 nur den zweiten Teil auf, nämlich den Teil über die Morgendämmerung, den neuen Tag. Die Nacht der Gefangenschaft ist vorbei, „die Sonne der Gerechtigkeit“ ist aufgegangen (Mal 3,20), der neue Tag ist da.
Er möchte diesen neuen Tag, diese neue Zeit, mit einem Lied beginnen, das von „Harfe und Laute“ begleitet wird. Er spricht zu diesen Instrumenten, um sie zu wecken und ihr Schweigen zu brechen. Während der Gefangenschaft hängte der Überrest ihre Lauten an die Weiden (Ps 137,2). Diese Zeit ist vorbei, und nun können sie ihre wohlklingenden Töne zu Gehör bringen. Damit will er gewissermaßen „die Morgenröte wecken“. Es ist ein herzliches Willkommen für das strahlende Morgenlicht des neuen Tages (Spr 4,18).
Dieser neue Tag bricht nicht nur in seinem Leben und für sein Volk an, sondern auch für die Völker (Vers 3; Mal 1,11). Der Lobpreis für den HERRN muss auch „unter den Völkern“ erklingen. Das Lob, das er dem HERRN singt, muss auch „unter den Völkerschaften“ zu hören sein (vgl. Hes 36,35.36). Das wird im Friedensreich so sein.
Anlass für diese Freudenbekundungen sind – wie das Wort „denn“ zeigt – Gottes „Güte“ und „Wahrheit“ (Vers 5). Die Güte Gottes ist „groß“, d. h. weit und hoch. Sie reicht nicht nur bis zum Himmel, sondern „über die Himmel“. Der Psalmist kommt zu diesem Schluss, weil er über die Güte des HERRN nachgedacht hat (Ps 107,43). Dabei entdeckte er, dass die Güte des HERRN so groß ist, dass sie höher als die Himmel ist. Wir sehen diese Güte in dem Herrn Jesus, „der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte“ (Eph 4,10).
Unmittelbar verbunden mit seiner Güte ist wiederum seine Wahrheit. Seine Güte geht immer einher mit seiner Wahrheit, mit der Treue zu seiner
Wahrheit. Seine Wahrheit reicht bis zu den Wolken. Die Wolken werden von Ihm beherrscht. Sie bringen Segen, wo Er will, und Gericht, wo es nötig ist.
Ausgehend von der Gewissheit, dass Gott erhaben ist (Ps 99,2), bittet der Psalmist Gott, seine große Güte und Wahrheit zu zeigen, indem Er sein Volk befreit. Auf diese Weise wird die Welt seine Erhöhung sehen (Vers 6). Der Psalmist bittet Gott, sich selbst zu erhöhen, d. h. in Übereinstimmung mit ihm zu handeln. Er bittet darum nicht in erster Linie im Hinblick auf seine eigene Bedürftigkeit, obwohl dieser Aspekt auch eine Rolle spielt, wie der nächste Vers andeutet, sondern damit Gottes Ehre oder Herrlichkeit „über der ganzen Erde“ sichtbar wird.
Die einzige wirkliche Quelle des Trostes ist die Erkenntnis, dass das Wohlergehen des Universums und seines Volkes von Gott abhängt. Gottes Güte und Wahrheit sind für das Universum und für uns wichtiger als der Erfolg unserer Pläne, unsere Gesundheit, unser Wohlstand oder unser Leben. Wenn das unser erster Gedanke ist, haben wir die Gewissheit, dass Gott sich um unser Schicksal auf der Erde kümmert und für Befreiung und Rettung sorgen wird, wie wir im nächsten Vers hören.
Wenn Gottes Herrlichkeit über der ganzen Erde ist, bedeutet dies das Ende aller Feindschaft gegen Gott und seine Geliebten (Vers 6). Der Psalmist spricht zu Gott über sein Volk als „deine Geliebten“ (vgl. 5Mo 7,8; Jer 31,3). Er appelliert an Gott in dem Bewusstsein, dass Gott sein Volk liebt. Gott wird seine Geliebten erlösen, wenn Er sich in seiner Güte und Wahrheit über die Himmel erhebt. Dann wird seine Macht, von der seine Rechte spricht, zur Rettung seines Volkes offenbar, und die Antwort auf das Gebet der Seinen in ihrer Bedrängnis wird gegeben.