Behandelter Abschnitt Ps 88,1-2
Verse 1b.2 | Ruf zum Hören
1b HERR, Gott meines Heils, am Tag habe ich geschrien und bei Nacht vor dir! 2 Es komme vor dich mein Gebet! Neige dein Ohr zu meinem Schreien!
Der Psalmist wendet sich in seiner tiefen Bedrängnis an den „HERRN“, den er „Gott meines Heils“ nennt (Vers 2; Ps 27,9b). Der letzte Strohhalm, der einzige Hoffnungsschimmer in diesem ansonsten düsteren Psalm des Leidens ist, dass er Gott als den Gott seines Heils kennt. Gesättigt mit Todesgefahren, sucht der Psalmist Zuflucht bei Gott. Umgeben von Gefahren und Feinden richtet er seinen Blick nach oben. „Ich erhebe meine Augen zu den Bergen: Woher wird meine Hilfe kommen?“
Dann blickt er noch höher zum Himmel und bekennt: „Meine Hilfe kommt vom HERRN“ (Ps 121,1.2a). Deshalb wendet er sich an Ihn. Mitten in der Bedrängnis hält der Glaube an dem Gott fest, der versprochen hat, zu helfen. Gleichzeitig wird seine Situation noch dunkler, weil der Gott, den er kennt, nicht antwortet. Dies ist eine dramatische Erkenntnis.
Er wendet sich an Gott und schreit zu Ihm „am Tag … und bei Nacht“. Dieses „schreien“ weist auf ein eindringliches und kraftvolles Gebet aus einem Herzen hin, das von der Schwere der Bedrängnis überwältigt ist. Wörtlich heißt es: „Bei Tag schreie ich, und in der Nacht komme ich zu dir.“ Die Bedrängnis ist so groß, dass er Tag und Nacht, ohne Unterlass, zu Gott kommt und vor Ihm schreit. Sobald er am Morgen aufwacht, beginnt er erneut zu beten und zu flehen (Vers 14; vgl. Ps 50,15).
Aber Gott scheint ihm keine Beachtung zu schenken. Auch der Herr Jesus hat „sowohl Bitten als Flehen …, mit starkem Schreien und Tränen“ zu Gott gebracht (Heb 5,7). Das ist in Gethsemane, in Erwartung des Leidens für die Sünde. Er weiß, was es heißt, ein zutiefst belastetes Herz zu haben, und kann daher mit dem Überrest und allen, denen es so geht, mitfühlen.
Bei Ihm gibt es jedoch nicht die Hoffnungslosigkeit, die das Gebet hier kennzeichnet. Er schreit in dem vollen Wissen, dass Gott Ihn hört.
Heman bittet den Gott seines Heils, sein Gebet vor Ihm, d. h. in seiner Gegenwart, zu erhören (Vers 3; vgl. Ps 27,8). Denn es scheint, dass die Tür zu Gott verschlossen ist, dass sein Gebet nicht zu Ihm vordringt. Gott scheint ihn nicht zu erhören, aber er gibt nicht auf und bittet Ihn, „neige dein Ohr zu meinem Schreien“. Hier benutzt er wieder das starke Wort „schreien“. Er weiß, dass Gott da ist, auch wenn Er sich scheinbar von ihm zurückgezogen hat.