Behandelter Abschnitt Ps 69,1-5
Verse 1b–5 | Gebet in der Not
1b Rette mich, o Gott, denn die Wasser sind bis an die Seele gekommen! Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da; in Wassertiefen bin ich gekommen, und die Flut überströmt mich. Ich bin müde vom Rufen, entzündet ist meine Kehle; meine Augen schwinden hin, während ich auf meinen Gott harre. Mehr als die Haare meines Hauptes sind derer, die ohne Ursache mich hassen; mächtig sind meine Vertilger, die mir ohne Grund feind sind; was ich nicht geraubt habe, muss ich dann erstatten. Du, o Gott, weißt um meine Torheit, und meine Vergehungen sind dir nicht verborgen.
Der Messias ist in tiefem Leiden und schreit zu Gott, um Ihn zu retten (Vers 1b). Er ruft aus: „Die Wasser sind bis an die Seele gekommen!“ Das bedeutet, dass Er in Gefahr ist, zu ertrinken. Die Not ist unermesslich groß. Er sinkt immer tiefer in den Schlamm, denn es gibt keinen Grund (Vers 3; vgl. Jer 38,6). Er ist in tödlicher Gefahr. Der Schlamm erstickt Ihn. Nur noch eine kleine Weile, dann ist es vorbei (vgl. Jona 2,3; Ps 40,1). So erlebte der Herr Jesus die Feindschaft der Menschen gegen sich. Dies ist auch die Erfahrung des Überrestes in der Endzeit. Sie leiden sehr unter den Feinden von außen und dem Antichristen mit seinen Anhängern von innen.
Sein Leiden ist so intensiv, dass Er schreit, Er sei „in Wassertiefen gekommen“ und „eine Flut überströmt“ Ihn (vgl. Jona 2,4). Das hebräische Wort für Flut, shibboleth, wird nach Ansicht jüdischer Gelehrter am besten mit „Strudel“ übersetzt. Dann lautet die Bedeutung des Satzes: „Ein Strudel reißt mich fort“ (vgl. Ps 124,3.4). Der Strudel und die Schlammgrube kommen in den Wadis vor, wenn es in der Wüste stark geregnet hat.
Christus schrie unaufhörlich zu Gott (vgl. Ps 22,2; Heb 5,7) und wurde dabei müde (Vers 3). Es handelt sich nicht so sehr um eine körperliche Müdigkeit, sondern seine Kehle ist vom Beten entzündet und seine Augen schwinden hin, während Er auf seinen Gott harrt. Seine Kehle ist entzündet, sodass Er nicht mehr schreien kann. Er hat keine Stimme mehr. Auch seine Augen „schwinden hin“. Immer auf Gott harrend, blickt Er flehend zu Ihm, mit dem Hilferuf in seinen Augen.
Seine Feinde sind Menschen, die Ihn „ohne Ursache“ hassen (Vers 4). Der Herr Jesus zitiert dieses Wort in seiner Unterweisung an die Jünger über seine Verwerfung (Joh 15,25). Die Erfüllung dieses Wortes ist ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Psalm in erster Linie von Christus handelt. Es macht auch deutlich, dass seine Zeitgenossen Ihn absichtlich verwarfen.
Denn es gibt keinen Grund, Ihn zu hassen. Er ist immer in Liebe, Gnade und Güte unter ihnen gewesen. Er hat Worte der Gnade gesprochen und Taten der Barmherzigkeit getan. Und doch haben sie Ihn gehasst. Das zeigt die Schlechtigkeit des menschlichen Herzens und die Wahrheit von Gottes Wort.
Er hat immer das Gute für sie gesucht und getan, aber für die Liebe, die Er gegeben hat, hat Er Hass erfahren. Die Zahl seiner Feinde ist „mehr als die Haare meines Hauptes“, klagt Er. Auch die Absicht seiner Feinde ist klar: Sie wollen Ihn töten. Die Gründe sind falsch, gesucht, erfunden zu ihrem eigenen Vorteil. Wie verstockt ist ein Mensch, der Gott ablehnt, der sich ihm in Gnade und Güte offenbart.
Seine Feinde sind nicht nur zahlreich, sie sind auch mächtig. Sie haben die Kontrolle über Ihn. Dies ist nur möglich, weil die Zeit Gottes dazu gekommen ist. Das schmälert jedoch nicht die Gefühle des Leidens, von denen der Messias betroffen ist. Was Ihn aber am meisten berührt, ist, dass Er zurückgeben muss, was Er nicht geraubt hat.
Damit meint der Herr Jesus die Ehre, die der Mensch durch seine Sünde von Gott geraubt hat. Diese Ehre soll Er Gott zurückgeben. Genau das hat Er getan. Er hat Gott an dem Ort, an dem der Mensch Gott so tief entehrt hat, nämlich auf der Erde, vollkommen geehrt (Joh 8,49).
Außerdem hat Er Gott als wahres Schuldopfer mehr zurückgegeben, als der Mensch ihm geraubt hat (3Mo 5,16). Er hat am Kreuz als wahres Schuldopfer die 20% extra bezahlt. Das geht über die Beseitigung der Sünden hinaus. Es ermöglicht Gott auch, dem Menschen größere Segnungen zu geben, als er durch die Sünde verwirkt hat.
Er spricht zu Gott, dass Gott seine Torheit kennt und dass Ihm seine Vergehungen nicht verborgen ist (Vers 5). Was der Herr Jesus hier sagt, bezieht sich auf die Tatsache, dass Er die Sünde eines jeden, der an Ihn glaubt, auf sich nimmt. Er identifiziert sich hier mit ihren Sünden. Er nennt dies „meine Vergehungen“. Er, der selbst der Sündlose und Schuldlose ist, der keine Sünde begangen hat, spricht hier von „meinen Vergehungen“, die Gott nicht verborgen sind.
Das ist wirklich Stellvertretung. Er tut nicht nur so als ob Er die Vergehungen tragen würde, sondern macht sich die Schulden der reuigen Sünder wirklich zu eigen. Er sagt auch, dass sie vor Gott nicht verborgen sind. Das bedeutet, dass Er sie vor Gott bekennt und von Gott für sie gerichtet wird.
Er hat nicht die Sünden der ganzen Welt getragen, Er hat nicht die Schuld aller Menschen bekannt. Er hat nur die Sünden derer getragen, die an Ihn glauben, und nur die Sünden derer bekannt, die anerkennen, dass sie vor Gott schuldig sind. Gott kennt die Sünden aller, für die Christus am Kreuz gelitten hat, und hat sie dort in Ihm gerichtet, sodass sie vom Gericht frei sind.
Es stimmt aber, dass das Werk des Herrn Jesus am Kreuz groß genug ist, um allen Menschen die Rettung anzubieten. Jeder kann kommen. Keiner wird sagen können, dass es nicht für ihn oder sie war. Keiner ist von dem Angebot ausgeschlossen, durch den Glauben an Ihn gerettet zu werden: „Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis [der] Wahrheit kommen“ (1Tim 2,3.4; vgl. Apg 17,30.31; Mk 16,15).