Behandelter Abschnitt Ps 57,1-3
Verse 1b–3 | Gebet um Gnade
1b Sei mir gnädig, o Gott, sei mir gnädig! Denn zu dir nimmt Zuflucht meine Seele, und ich will Zuflucht nehmen zum Schatten deiner Flügel, bis das Verderben vorübergezogen ist. 2 Zu Gott, dem Höchsten, will ich rufen, zu dem Gott, der es für mich vollendet. 3 Vom Himmel wird er senden und mich retten; er macht zum Hohn den, der nach mir schnaubt. – Sela. 3 Senden wird Gott seine Güte und seine Wahrheit.
David erhebt keinen Anspruch auf Befreiung, sondern appelliert eindringlich an die Gnade Gottes (Vers 1b). Zweimal bittet er Gott „sei mir gnädig“ und ruft dazwischen „o Gott“. Dies verdeutlicht, wie groß die Not ist. Der Appell an die Gnade zeigt auch, dass David erkennt, dass er kein Recht hat, Hilfe zu fordern. Wenn Gott hilft, dann allein aus Gnade.
In Psalm 56 beginnt David einmal mit der Bitte: „Sei mir gnädig, o Gott“. Hier, in Psalm 57, verleiht er dieser Bitte zusätzlichen Nachdruck, indem er diese Bitte zweimal ausspricht. In Psalm 56 geht die Gefahr in erster Linie von dem äußeren Feind, den Philistern, aus. In Psalm 57 geht die Gefahr von seinem eigenen Volk aus, das von König Saul angeführt wird.
Als er in der Dunkelheit der Höhle ist, bringt er zum Ausdruck, dass seine Seele bei Gott Zuflucht gefunden hat. So wie er Gott zweimal bittet, ihm gnädig zu sein, so spricht er zweimal davon, dass er zu Gott Zuflucht nimmt. Beim ersten Mal handelt es sich um eine Handlung in der Gegenwart, er nimmt in diesem Moment Zuflucht zu Gott. Beim zweiten Mal ist es die Zukunft: „Ich will Zuflucht nehmen“, was bedeutet, dass er immer wieder Zuflucht nimmt, bis die Gefahr vorüber ist.
Schließlich kann er zu niemand anderem Zuflucht nehmen. Nicht die Höhle ist seine Zuflucht, sondern Gott (vgl. Jes 25,4). Er hat Zuflucht genommen „zum Schatten“ der „Flügel“ Gottes. Flügel symbolisieren Sicherheit und Wärme (vgl. Rt 2,12; Ps 36,7; 61,4; 63,7; 91,4; Mt 23,37). In dieser Sicherheit will David bleiben, „bis das Verderben vorübergezogen ist“. Damit drückt er sein Vertrauen auf Gott aus, dass Er seiner bedrohlichen Situation ein Ende setzen wird.
Von diesem sicheren Ort aus ruft David „zu Gott, dem Höchsten“ (Vers 2). Was auch immer geschieht, geschieht unter seiner Aufsicht, es steht unter seiner Autorität und Kontrolle. Dieses Rufen zu Gott und die Zuflucht zu Gott sind Ausdruck seines Vertrauens auf Gott. Gott ist allen Feinden und ihren Plänen, ihm zu schaden, unendlich überlegen.
Dieser Gott, sagt David, „der vollendet es für mich“. Damit will er sagen, dass nichts und niemand Gott daran hindern kann, sein Ziel mit dem Leben der Seinen zu erreichen (vgl. Phil 1,6; Rt 3,18). Das Gleiche gilt für das gesamte Weltgeschehen. Alles, was Gott geplant hat, wird Er vollenden (Off 21,5.6a).
Deshalb weiß David, dass Gott vom Himmel senden und ihn retten wird (Vers 4). Dies ist die Zuversicht, die auch der Überrest zum Ausdruck bringen wird, wenn sie sich in der großen Drangsal befinden. Gott wird sie erlösen, indem Er ihnen den Messias vom Himmel sendet. Bei seinem Kommen wird Er die Feinde zuschanden machen, indem Er sie vernichtet. Für den Gläubigen bedeutet sein Kommen, dass Gott in Ihm „seine Güte und seine Wahrheit“ sendet.
Gott benutzt gerade die Anwesenheit der Feinde seines Volkes, um seine Güte und seine Wahrheit zu zeigen. Seine „Güte“ ist die Grundlage seines Handelns. Er handelt in Übereinstimmung mit den Verheißungen und Segnungen des Bundes. Er zeigt dies in der Erlösung der Seinen. Seine Wahrheit oder Treue zeigt Er in der Erfüllung seiner Verheißungen.