Behandelter Abschnitt Hiob 33,14-22
Verse 14–22 | In einer Weise redet Gott und in zweien
14 Doch in einer Weise redet Gott und in zweien, ohne dass man es beachtet. 15 Im Traum, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt, im Schlummer auf dem Lager: 16 Dann öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt die Unterweisung, die er ihnen gibt, 17 um den Menschen von [seinem] Tun abzuwenden und damit er Übermut vor dem Mann verberge, 18 dass er seine Seele zurückhalte von der Grube, und sein Leben vom Rennen ins Geschoss. 19 Auch wird er gezüchtigt mit Schmerzen auf seinem Lager und mit beständigem Kampf in seinen Gebeinen. 20 Und sein Leben verabscheut das Brot, und seine Seele die Lieblingsspeise; 21 sein Fleisch zehrt ab, dass man es nicht mehr sieht, und entblößt sind seine Knochen, die nicht gesehen wurden; 22 und seine Seele nähert sich der Grube, und sein Leben den Würgern.
Das Wort „doch“, das Elihu in Vers 14 verwendet, deutet darauf hin, dass er erklären wird, was er in den vorangegangenen Versen gesagt hat. Der Vorwurf Hiobs, er habe geschrien und Gott habe nicht geantwortet, ist nicht gerechtfertigt. Gott hat sehr wohl von sich hören lassen, und Er hat auch gesprochen. Was Hiob als Gottes ungerechtes Verhalten ihm gegen-
über ansieht, ist in Wirklichkeit Gottes Reden zu ihm. Aber Hiob hat die Stimme Gottes nicht erkannt. Deshalb schickt Gott in seiner Barmherzigkeit einen Mann wie Elihu, um Hiob dies zu erklären.
Obwohl Gott unendlich weit erhaben über den Menschen ist, ist Er seinem schwachen Geschöpf gegenüber nicht gleichgültig und handelt keineswegs willkürlich mit ihm. Er spricht zu ihm. Er tut dies „in einer Weise … und in zweien“. Dass der Mensch sie nicht beachtet, liegt nicht an Gott, sondern am Menschen selbst. Gott spricht und dies tut Er mehrmals. Einmal „im Traum, im Nachtgesicht“ (Vers 15), ein anderes Mal benutzt Er Krankheit und Leiden (Vers 19). Manchmal benutzt Er seine Rede, sein Wort, und ein anderes Mal seine Rute, seine Züchtigung.
Wenn sich der Mensch im tiefen Schlaf …, im Schlummer auf dem Lager befindet, gibt es keine äußeren Einflüsse, die ihn ablenken könnten. Jemand, der schläft, spürt nicht, ob er arm oder reich ist, ob er gesund oder krank ist, ob er Hunger hat oder nicht. Dieser Zustand der Ruhe kann von Gott in seiner Gnade dazu benutzt werden, in einem Traum oder einer Vision zu ihm zu sprechen und seinen Willen kundzutun. Zur Zeit der Erzväter, aber auch später, sprach Gott in Träumen oder Visionen, wie zu Abraham, Josef und Daniel, aber auch zu Abimelech, Laban, Pharao und Nebukadnezar. Dies ist kennzeichnend für die Zeit, als die Bibel noch nicht vollständig war. Damals sprach Gott „vielfältig und auf vielerlei Weise“ (Heb 1,1).
Nun, da die Bibel vollständig ist, gibt Gott seinen Willen durch sein Wort, die Bibel, bekannt. Sicherlich spricht Er in bestimmten Fällen immer noch durch einen Traum. Dies betrifft dann in der Regel Menschen, die keine Bibel haben. Aber im westlichen, nachchristlichen Teil der Welt, in dem das Licht der Bibel so lange geleuchtet hat, reicht das geschriebene Wort Gottes für den Christen aus.
Wenn Gott im Traum zu einem Menschen spricht, offenbart Er seinen Willen dem „Ohr der Menschen“ (Vers 16). Hier wird das Ohr erwähnt und nicht das Auge, was wir bei Träumen und Visionen doch erwarten würden. Es geht jedoch nicht um das Sehen, sondern um das Hören. Es geht um Gottes Reden, und das richtet sich immer an das Ohr. Es geht darum zu hören, was Gott zu sagen hat.
Die Träume oder Visionen scheinen keine süßen oder angenehmen Szenen zu enthalten. Es sind keine „süßen Träume“, sondern warnende Träume oder Visionen, die den Menschen buchstäblich und geistlich aufwecken (1Mo 41,8). Gott „besiegelt“ damit ihre „Unterweisung“. Er gibt sein Siegel darauf, dass die Dinge so laufen werden, wie Er sie im Traum oder in der Vision gezeigt hat. Das Wort „Unterweisung“ beinhaltet Ermahnung, Warnung, Erziehung. Die Versiegelung beinhaltet die Zusicherung Gottes, dass die Mitteilung zuverlässig ist und ausgeführt werden wird.
Gott spricht auf diese Weise, weil Er den Menschen zur Besinnung und zum Stillstand bringen will, damit er sich von der falschen Tat, die er begehen wollte, abwendet (Vers 17). Es geht nicht um diese eine Tat, sondern um sein ganzes Leben, das nur aus schlechten Taten besteht. Er lässt sich dabei von seinem Übermut leiten. Das Ende davon ist Verderben (Vers 18). Doch Gott greift in seiner Gnade ein und warnt ihn. Dadurch hält Er seine Seele zurück „von der Grube“, denn Gott hat kein Gefallen am Tod eines Menschen, sondern an seiner Umkehr und seinem Leben (Hes 33,11).
Wenn ein Mensch nicht auf Gottes Reden in Träumen und Visionen hört, spricht Er auf andere Weise, und zwar durch Züchtigung, die hier von Elihu in Form einer schweren Krankheit dargestellt wird (Vers 19). Genau das ist mit Hiob geschehen. Elihu macht Hiob jedoch nicht den Vorwurf, den seine Freunde ihm so oft gemacht haben, dass sein Leiden ein Beweis für ein heimlich sündiges Leben sei.
Elihu beschreibt in den Versen 19–22 den Verlauf einer lähmenden Krankheit, mit der Absicht, dass Hiob sich Gottes Eingreifen darin bewusst wird, dass er durch all das hindurch Gottes Reden hören kann. Es beginnt „mit Schmerzen auf seinem Lager“, was darauf hinweist, dass der Ort der Ruhe (vgl. Vers 15) zu einem Ort der Qualen wird. Das Fieber wütet ohne Unterlass in seinen Knochen. Ihm vergeht nicht nur der Appetit, sondern er verachtet das Brot, er kann nicht einmal daran denken, etwas davon zu essen (Vers 20). Ihm graut sogar vor seinem Lieblingsessen.
Infolgedessen magerte er so stark ab, dass nichts mehr von seinem Fleisch zu sehen war und seine Knochen, die vorher unsichtbar waren, nun hervorstachen und sichtbar werden (Vers 21). So wird ihm die Kraft entzogen und mit ihr das Leben. Was immer näher kommt, ist das Grab (Vers 22).
Sein Leben ist dabei, dem Tod in die Hände zu fallen. Und genau aus diesem Grund bringt Gott Leiden über den Menschen. Er will ihn zu seinem eigenen Besten züchtigen, damit er sich, weil er dem Tod ins Auge sieht, Ihm zuwendet.