Behandelter Abschnitt Hiob 30,20-23
Verse 20–23 | Keine Hilfe von Gott
20 Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht; ich stehe da, und du starrst mich an. 21 In einen Grausamen verwandelst du dich mir, mit der Stärke deiner Hand befeindest du Mich 22 Du hebst mich empor auf den Wind, du lässt mich dahinfahren und zerrinnen im Sturmgetöse. 23 Denn ich weiß es, du willst mich in den Tod zurückführen und in das Versammlungshaus aller Lebendigen.
Mehrmals hat Hiob von Gott gesprochen und Ihm vorgeworfen, ungerecht gehandelt zu haben. Nun ist es so weit, dass er sich direkt an Gott selbst wendet (Vers 20). Aber es gibt keine Antwort. Das konnte im wahrsten Sinne des Wortes nur der Herr Jesus sagen (Ps 22,1-3). Und wie groß ist der Unterschied zwischen Ihm und Hiob. Der Herr hat sein Vertrauen in Gott und seine Gerechtigkeit nie aufgegeben, während Hiob an der Gerechtigkeit Gottes zweifelt. Hiob erhält (noch) keine Antwort, weil er noch nicht so weit ist. Der Herr Jesus wurde von Gott verlassen und erhielt keine Antwort, weil Gott die Sünden aller, die an Ihn glauben, auf Ihn legte und Ihn dafür richtete. Dabei hat Er Gott nichts Ungereimtes zugeschrieben.
Hiob hingegen schreibt Gott ungereimte Dinge zu. Sein Leiden ist nach wie vor groß und wird sogar von Tag zu Tag größer. Er steht aufrecht vor Gott, aber er stellt fest, dass Gott ihn nicht beachtet. Das ist wohl die größte Qual. Er weiß, dass Gott da ist und ihn sieht. Doch Gott tut so, als sei Er nicht an ihm interessiert. Hiob hat den Eindruck, dass es Gott gleichgültig ist, wie es ihm geht.
Dies veranlasst Hiob, Gott „einen Grausamen“ zu nennen (Vers 21). Das ist wahrlich eine sehr starke Anschuldigung. Gleichzeitig bedeutet dies, dass Gott zwar auf Hiob achtet, aber kein Mitleid mit seiner Situation zeigt. Im Gegenteil. Gott hat sich von jemandem, der ihn mit Segen überschüttet hat, in jemanden verwandelt, der ihn jetzt grausam behandelt. Die veränderte Haltung der Menschen, die er in den vorhergehenden Versen beschrieben hat, ist auch bei Gott vorhanden, sagt Hiob. Gott hat sich mit seiner mächtigen Hand und seinen mächtigen Taten gegen ihn gewandt.
Hiob fühlt sich als Spielball Gottes, wie ein Blatt ein Spielball des Windes ist (Vers 22). Wegen der Katastrophen, die wie ein Wind sein Leben weggeweht haben, hat er jeden Halt verloren. Er ist wehrlos dem Lauf der Dinge ausgeliefert, auf den er keinen Einfluss hat, wie der Wind, den man nicht fassen kann. Das Elend ist wie ein Wagen, auf dem er sitzt und der ihn mitnimmt, ohne dass er aussteigen kann. Wie könnte er auch, wenn Gott der „Wagenlenker“ ist? So schmilzt seine Existenz dahin und verliert jede Festigkeit.
Er „weiß“, dass Gott ihn auf seinem „Windwagen“ unaufhaltsam dem Tod entgegenführt (Vers 23). Dann landet er an dem Ort, an dem schließlich alle Lebenden ausnahmslos landen, im Grab – außer Henoch und Elia. Dass er dies „weiß“, steht nicht im Widerspruch zu dem, was er zuvor gesagt hat: „Und ich, ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25). Das ist Teil des Hin und Her und Auf und Ab seiner Gefühle. Hier ist er wieder völlig von seinen Katastrophen und Plagen überwältigt und sieht keine Perspektive.