Behandelter Abschnitt Hiob 3,11-19
Verse 11–19 | Wäre ich doch als Baby gestorben!
11 Warum starb ich nicht von Mutterleib an, kam aus dem Schoß hervor und verschied? 12 Weshalb kamen Knie mir entgegen, und wozu Brüste, dass ich sog? 13 Denn jetzt würde ich liegen und rasten, ich würde schlafen; dann hätte ich Ruhe – 14 mit Königen und Ratgebern der Erde, die sich verödete Plätze erbauten, 15 oder mit Fürsten, die Gold hatten, die ihre Häuser mit Silber füllten; 16 oder, wie eine verborgene Fehlgeburt, wäre ich nicht da, wie Kinder, die das Licht nicht erblickt haben. 17 Dort lassen die Gottlosen ab vom Toben, und dort ruhen die an Kraft Erschöpften, 18 rasten die Gefangenen allesamt, hören nicht die Stimme des Treibers. 19 Der Kleine und der Große, dort sind sie gleich, und der Knecht ist frei von seinem Herrn.
In Vers 11 stellt Hiob Gott die erste „Warum-Frage“. Weitere „Warum-Fragen“ folgen (Hiob 3,12.20; 7,20.21; 10,18; 13,14.24; 21,7; 24,1). Auf keine von ihnen antwortet Gott Hiob, denn Er ist Gott, aber Er macht Hiob auch keine Vorwürfe deswegen.
Gott sieht die Zeit als bereits gegenwärtig an, in der sich alle „Warum-Fragen“ in Lobpreisung verwandelt haben. Dann wird Hiob und werden wir sehen, dass jeder Tag, der glückliche und der traurige, da war, weil Er es wollte. Und sein Wille ist gut. Dann werden wir Ihn sozusagen rückwirkend für jeden Tag loben, der uns auf der Erde geschenkt wurde.
In den Versen 1–10 hat sich Hiob den Tag seiner Geburt verwünscht. Seine Geburt konnte er jedoch nicht verhindern. „Aber“, ruft er aus, „warum bin ich nicht gleich bei der Geburt gestorben, indem ich den Geist aufgab, als ich aus dem Mutterleib kam?“ (vgl. 1Mo 49,33). Jeden liebevollen Dienst nach seiner Geburt, die Pflege des Säuglings Hiob, sieht er als grausamen Akt an.
Hiob verabscheut den lieblichen Anblick einer Mutter, die ein neugeborenes Kind liebevoll auf ihre Knie nimmt und ihm die Brust gibt (Vers 12). Diese Knie oder der Schoß, auf dem er lag und verwöhnt wurde und durch den er getragen wurde (1Mo 50,23; Jes 66,12), und die Brüste, die ihn nährten, sorgten dafür, dass er jetzt so viel Elend erlebt. Hätten sie dies nicht getan, wäre er zumindest gestorben.
Hiob zieht den Tod dem Leben vor. Verglichen mit seiner jetzigen Existenz ist der Tod für ihn ein beneidenswertes Schicksal. Um die Vorteile dieser Situation zu beschreiben, verwendet er vier Formulierungen (Vers 13). Er würde „liegen“ „rasten“ „schlafen“ „Ruhe haben“. „Liegen“ vermittelt den Gedanken an wohltuende Ruhe. „Rasten“ bedeutet, weder in Schwierigkeiten zu sein noch Angst zu haben, dass sie kommen. „Schlafen“ bedeutet nicht nur Ruhe, sondern auch, keine Ahnung zu haben, dass sich irgendwo eine Gefahr zusammenbrauen könnte. Er würde dann „Ruhe haben“, anstatt die gegenwärtige Misere zu erleben.
Er stellt sich das Totenreich als einen Aufenthaltsort vor, an dem er mit Königen und Ratgebern zusammen ist, die so mächtig waren, dass sie Städte wieder aufbauten, um ihre Namen am Leben zu erhalten (Vers 14). Er sieht sich auch mit Fürsten, Menschen, die im Leben erfolgreich waren und Gold und Silber im Überfluss hatten (Vers 15).
Eine andere Möglichkeit wäre, dass er nicht da ist, wie eine Fehlgeburt, wie ein kleines Kind, das nie das Licht der Welt erblickt hat (Vers 16; Pred 6,3-5; Ps 58,8). Auf jeden Fall gibt es Ruhe im Totenreich, sowohl für die Gottlosen als auch für die, die erschöpft sind (Vers 17). Dort gibt es auch Ruhe für die Gefangenen (Vers 18). Sie müssen keine Zwangsarbeit mehr verrichten. Sie hören dort nicht die Stimme des Sklaventreibers. Im Totenreich gibt es keinen Unterschied zwischen Groß und Klein, Alt und Jung, Vornehmen und Verachteten (Vers 19). Auch der Sklave ist frei.
Für Hiob ist das Totenreich die Befreiung von allem Elend, Unruhe und Gebundenheit. Aber Hiob sucht im Tod, was nur Gott geben kann. Was Hiob in diesen Versen über das Reich der Toten sagt, ist nur äußerlich so. Der Herr Jesus zeigt, wie es wirklich ist und dass es im Totenreich einen Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen gibt (Lk 16,22.23).