Behandelter Abschnitt Phil 4,11-14
Phil 4,11-14: 11 Nicht, dass ich dies des Mangels wegen sage, denn ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnü1Mo 12 Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß Überfluss zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden. 13 Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt. 14 Doch habt ihr recht getan, dass ihr an meiner Drangsal teilgenommen habt.
Für uns, geliebte Freunde, steht Kraft zur Verfügung. Man hört es oft als eine absolute Wahrheit aussprechen, dass wir durch Christus alles vermögen; doch ich frage dich: Vermagst du alles? Du antwortest mir: Nein, ich nicht; ich sage nur: Man vermag alles. – Darin hast du ganz recht; als absolute Lehre ist es völlig wahr, aber es ist nicht das, was der Apostel meint. Für ihn war dies nicht nur eine Redeweise, sondern sein wirklicher Zustand. „Ich weiß sowohl satt zu sein als zu hungern.“ Bin ich satt, so bewahrt der Herr mich vor der Gleichgültigkeit und der Selbstzufriedenheit. Bin ich hungrig, so bewahrt Er mich vor Niedergeschlagenheit und Unzufriedenheit. Bei Paulus hieß es nicht: „Man vermag“, sondern: „Ich habe Christus in jeder Lage so ausreichend gefunden, dass ich durch keine Lage beherrscht werde.“ Er war mit Ruten geschlagen worden; von den Juden hatte er fünfmal vierzig Streiche weniger einen erhalten; er war gesteinigt worden und hatte alle möglichen Umstände durchgemacht; aber in allem hatte er Christus als genügend gefunden. Du denkst vielleicht: Paulus war ein gereifter Christ, und am Ende seines Lebens konnte er wohl so sprechen. Aber hätte er Christus nicht von Anfang bis zu Ende völlig ausreichend gefunden, dann hätte er am Ende seiner Laufbahn nicht so sprechen können. Der Glaube rechnet auf Christus vom Beginn des christlichen Lebens an. Dies ist der Grundsatz, den wir im Psalm 23 finden. Nachdem der Psalmist durch alles hindurchgegangen war, sagt er: „Nur Güte und Huld werden mir folgen alle Tage meines Lebens; und ich werde wohnen im Haus Jehovas auf immerdar“ (Ps 23,6). Im Überfluss oder im Mangel werde ich jederzeit finden, dass Er genügt. Um aber imstande zu sein, diese Erfahrung am Ende der Laufbahn zu machen, muss man sie auf dem ganzen Weg gemacht haben.
Du magst denken: Paulus war ein Apostel; er war ein außerordentlich gesegneter Mann, hoch erhaben über das Böse, das mich umgibt. Dem war aber nicht so. Als er schrieb, hatte er einen Dorn im Fleisch, und obwohl dieser ihm keine Kraft gab, so wurde er doch dadurch zum Bewusstsein seines Nichts gebracht, worin die Kraft sich erweisen konnte. Der Herr wollte den Dorn nicht wegnehmen, als Paulus Ihn darum bat; Er antwortete ihm: „Meine Gnade genügt dir.“ Der Dorn schien für Paulus ein Hindernis zu sein; doch wenn Paulus predigte, offenbarte sich die Macht Christi und nicht die des Apostels. Ich erwähne dies alles, damit man nicht denken möge, Paulus sei von den Schwierigkeiten und den Fallstricken des Fleisches frei gewesen. Gott hatte ihn in den dritten Himmel entrückt, und dieses außerordentliche Vorrecht brachte ihn in Gefahr, sich zu erheben; deshalb sandte ihm Gott einen Dorn, um ihn zu nichts zu machen, und also wurde Gottes Kraft in Schwachheit vollbracht. Die göttliche Kraft kann nicht da sein, wo die menschliche ist. Wäre es menschliche Kraft gewesen, so wären die durch Paulus bekehrten Seelen wertlos gewesen, die durch Gott bekehrten aber des ewigen Lebens würdig. Es ist eine wichtige Sache, zu nichts gemacht zu sein. Wenn wir nicht wissen, wie wir dazu gelangen sollen, so muss Gott uns zu nichts machen. Wer demütig ist, hat nicht nötig, gedemütigt zu werden.
Paulus war von Christus abhängig, vollständig abhängig von Ihm, und wir sehen die unfehlbare Treue Christi gegen ihn. Aber ich wiederhole es: Der Apostel hätte am Ende seiner Laufbahn nicht sagen können: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“, wenn dies nicht seine Erfahrung auf dem ganzen Weg gewesen wäre. Es ist ein gesegnetes Zeugnis. Christus ist überall genug für uns, aber Er muss uns zur Aufrichtigkeit bringen. Die Seele muss in ihrem wirklichen Zustand vor Gott sein. Solange nicht mein Gewissen dahin gebracht ist, wo ich mich wirklich befinde, solange es nicht zum Bewusstsein meiner Entfremdung von Gott und meiner Untreue gegen Ihn gekommen ist, ist es nicht aufrichtig.
Aber ist das Gewissen einmal dahin gelangt, so sagt Gott: Ich habe dich jetzt an den rechten Platz gebracht, jetzt kann ich dir helfen. Hiob sagt: „Wenn das Ohr von mir hörte, so pries es mich glücklich, und wenn das Auge mich sah, so legte es Zeugnis von mir ab. Denn ich befreite den Elenden, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Helfer hatte“ (Hiob 29,11.12). Ich tat dieses, ich tat jenes. Gott aber sagt: So geht es nicht; es heißt immer: ich und mich. – So übergab Gott ihn den Händen Satans, bis er den Tag seiner Geburt verfluchte und sagte: „Nun hat mein Auge dich gesehen. Darum verabscheue ich mich“ (Hiob 42,5.6). Jetzt sagt Gott: So geht es; jetzt kann ich dich segnen. – Und Er segnete ihn. Gott will nicht nur, dass wir unser Haupt über dem Wasser halten, sondern dass wir in der Kraft seiner Gnade wandeln.