Phil 4,9: Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dies tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein.
Beachten wir, dass dies der Weg ist, den Gott des Friedens „mit uns“ zu haben. Wenn wir unsere Anliegen auf Gott werfen, so sagt Paulus: „Der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus“ (Phil 4,7); das aber, wovon hier die Rede ist, ist weit mehr. Paulus hatte einen ganz besonderen Platz; er war mit dem Geist Gottes erfüllt, obgleich er der vornehmste Sünder war, wie er sagt. Aber er trug allezeit das Sterben Jesu an seinem Leib umher, so dass er sagen konnte: „Daher wirkt der Tod in uns, das Leben aber in euch“ (2Kor 4,7-12). Es war etwas Großes, so sprechen zu können. Er hatte einen Dorn im Fleisch nötig, damit er befähigt wurde, einen solchen Dienst auszuüben; denn von Natur war sein Fleisch durchaus nicht besser als unser Fleisch. Er sagte nicht nur: „Ich bin gestorben“, sondern er trug allenthalben den Tod im Fleisch mit sich umher, so dass es sich nicht regte. Er war, wie wir wissen, ein auserwähltes Gefäß, und er trug den Tod im Fleisch durch die Gnade und Kraft Christi mit sich umher. Aber er tat es wirklich, und darum wird die Sünde, wie wir schon im Anfang bemerkten, im Brief an die Philipper nie erwähnt, weil der Brief die eigentliche Erfahrung des christlichen Lebens zeigt; die Lehre wird kaum darin berührt. Paulus spricht durchweg im Bewusstsein seiner Erfahrung.
Wenn ich Christus nachzuwandeln trachte, muss ich mich selbst für tot halten. Ich sage nie: Ich muss sterben, weil das eine Wirksamkeit des Fleisches voraussetzen würde. Ohne Zweifel ist das Fleisch da, aber ich sage: Es ist tot. Ich verstehe jemand sehr wohl, der einen Zustand durchmacht, in dem er lernt, was das Fleisch ist; dieser Zustand kann von längerer oder kürzerer Dauer sein. Wenn aber eine Seele gänzlich gedemütigt ist und sagt: „In mir, das ist in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes“ (Röm 7,18), dann kann Gott sagen: Halte dich der Sünde für tot und erlaube ihr nicht, über dich zu herrschen (siehe Röm 6,11 usw.). Die Quelle, aus der alle Macht hervorströmt, ist: „Ihr seid gestorben.“ Das ist die Grundwahrheit über die Befreiung. Sie tritt ein, wenn wir durch die Macht des Geistes Gottes uns selbst für tot halten. Jedoch ist dies nur für den Glauben der Fall. Christus ist in Macht gegenwärtig; ich halte mich für tot und kann alsdann in Kraft handeln. „Dies ist das Zeugnis: dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (1Joh 5,11). Ist das aber alles? Nein; denn angenommen, das Leben wäre vorhanden und die alte Natur noch lebendig, so würde einerseits nur unaufhörlicher Kampf zwischen beiden bestehen, und andererseits würde, wenn ich nicht die Macht des Geistes Gottes besäße, die erworbene Befreiung von der Sünde nicht vorhanden sein. Falls ich aber jene Macht besäße, so würde doch der Kampf bleiben. Nur wenn ich sage, dass ich wirklich tot bin, ist meine Befreiung von der Wirksamkeit des Fleisches völlig verwirklicht. In der Macht und dem Besitz dieses Lebens sagt der Apostel: „Ich bin gestorben“; und wenn er es praktisch verwirklicht, dann sagt er: „Ich trage allezeit das Sterben Jesu am Leib umher“ (2Kor 4,10). Ich habe Christus als Gerechtigkeit von Gott und als Leben in mir empfangen und behandle das alte Leben als tot. Nicht nur besitze ich das Leben, sondern ich bin auch gestorben, so dass es sich zwischen dem alten und dem neuen Leben nicht nur um die Frage handelt, wer die Oberhand haben wird. Dies ist freilich so lange der Fall, bis ich die Entdeckung gemacht habe, dass im Fleisch nichts Gutes wohnt und dass ich in Christus mitgestorben bin; alsdann erkenne ich nicht nur, dass ich Böses getan habe, sondern auch, dass der Baum selbst, der alte Mensch, schlecht ist und dass Christus, unser Leben, ebenso der Sünde gestorben ist als auch für die Sünden (Röm 4,25; 6,10), und wenn ich den alten Menschen für tot halte, so finde ich die Freiheit.
Ich sage nicht, dass ich die Vergebung finde, sondern die Befreiung. „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2). Ohne Zweifel kann ich versagen und für einen Augenblick unter die Macht der Sünde gebracht werden; aber ich bin in keiner Weise deren Schuldner. Auf welche Art hat Gott die Sünde im Fleisch verurteilt? Im Tod. Dann bin ich frei; ich habe das Leben und behandle den alten Menschen als tot. Wir sind berufen, dieses Leben Jesu immer zu offenbaren. Indem ich im Glauben das Sterben Christi festhalte, habe ich das Kreuz für das Fleisch gefunden. Der Apostel sagt: Der Tod Christi wirkt in mir, dem alten Paulus, und so strömt nur das Leben Christi für euch hervor, und er sagt: Geht hin und tut desgleichen. „Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dies tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein.“ Gott selbst wird dann bei euch gegenwärtig sein.
Wie wunderbar ist dies! Das Leben Christi ist gegeben, das Fleisch wird für tot gehalten, und wir wandeln demgemäß. Wird sich Gott auf diesem Pfad fern von uns halten7 Nein: „Der Gott des Friedens wird mit euch sein.“
Es ist bemerkenswert, wie oft Gott „der Gott des Friedens“ genannt wird, während Er niemals „Gott der Freude“ heißt. Die Freude ist veränderlich. Wir freuen uns, wenn wir eine gute Botschaft vernehmen, und doch kann Traurigkeit vorhanden sein. Es ist wirklich Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, weil dies dort eine gute Botschaft ist; aber die Freude ist nicht die Natur Gottes wie der Friede. Sie ist eine Gemütsbewegung. Der Mensch ist ein armes, schwaches Geschöpf. Er hört gute Nachrichten und freut sich; er hört schlechte und ist traurig. So ist die menschliche Natur bald oben, bald unten. Gott aber ist „der Gott des Friedens“. Der Friede geht viel tiefer als die Freude. Betrachten wir die Welt und das menschliche Herz, sehen wir da jemals Frieden? Wir finden die Freude selbst in der tierischen Natur, zum Beispiel bei einem Hund, der von seiner Kette losgelassen wird. Wir mögen in der Welt eine Art von Freude sehen, aber da ist kein Friede; das Herz des Menschen ist wie das aufgewühlte Meer; es kann nicht ruhig sein (siehe Jesaja 57,20). Man rennt unaufhörlich nach Vergnügungen und nennt dies Freude. Die Welt ist eine ruhelose Welt, und wenn sie unermüdlich nach dem hascht, was sie wünscht, so geschieht es, weil sie es nicht finden kann. Wir werden in dieser Welt nie Frieden finden, es sei denn, dass Gott ihn gibt.
Wenn wir in der Kraft des Lebens Christi wandeln, ist der Gott des Friedens mit uns. Wir haben das Bewusstsein seiner Gegenwart; das Herz ist in Ruhe. Da ist kein Trachten nach etwas, was wir noch nicht erlangt haben. Selbst unter Christen sehen wir Personen, die keinen Frieden haben, weil sie nach dem suchen, was sie nicht besitzen, und das ist kein Friede. Genießen wir aber das, was in Ihm ist, obgleich wir sicher danach trachten, Ihn besser kennenzulernen, so befindet sich das Herz in einer glückseligen Ruhe, und das ist Friede. Es ist gesegnet, solch ein Heiligtum in dieser Welt – „den Gott des Friedens“ – mit uns zu haben.