Behandelter Abschnitt Hld 8,3-5
Die Töchter Jerusalems werden wiederum beschworen, sie nicht zu stören, solange sie die Liebe ihres Geliebten genießt. „Seine Linke sei unter meinem Haupt, und seine Rechte umfasse mich! Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, dass ihr nicht weckt noch stört die Liebe, bis es ihr gefällt!“ (Hld 8,3.4). – „Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her, sich auf ihren Geliebten lehnt?“ (Hld 8,5).
Sie ist auf der Reise nach den sonnigen Hügeln Kanaans, in Abhängigkeit von ihrem Geliebten und unter dem Schatten Seiner Flügel; Ägypten und die Wüste liegen hinter ihr.
Hierauf erinnert der Bräutigam die Braut an die Quelle all ihrer Segnung: „Unter dem Apfelbaum habe ich dich geweckt“ (Hld 8,5b). Der „Apfelbaum“ ist das bekannte Sinnbild von Christus Selbst. „Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne“ (Hld 2,3). Ihr göttliches Leben und alle damit in Verbindung stehenden Segnungen verdankt die Braut Christus.
Durch Ihn ist sie aufgeweckt und lebendig gemacht, und unter Ihm gesegnet mit aller irdischen Segnung in einem herrlichen Land. Der Christ hat nicht Leben und Segnung unter Christus, sondern in und mit Ihm. Diese wichtige Wahrheit kennzeichnet den Unterschied zwischen jüdischer und christlicher Segnung. Beide verdanken selbstverständlich ihr Leben und ihre Segnung Ihm allein. Aber von den Christen lesen wir, dass sie mit Christus lebendig gemacht, mit Ihm auferweckt und in Ihm mitversetzt sind in die himmlischen Örter (Eph 2,5.6). Israel als solches gehört der Erde an; wir als Christen dem Himmel. Dort sind unsere Namen angeschrieben, und dorthin sind wir in Christus jetzt schon versetzt.
„Dort hat mit dir Wehen gehabt deine Mutter, dort hat Wehen gehabt, die dich geboren hat“ (Hld 8,5c).
Hier erinnert der Bräutigam Seine Geliebte an ihre Beziehung zu dem Volk Israel. Der Überrest des Volkes, in dessen Herzen die Gnade wirkt, wird die Braut des großen Königs. In besonderer Weise stellt sie, wie wir schon früher Gelegenheit hatten zu bemerken, den Überrest Judas dar, der in Jerusalem sein wird, bevor der Überrest Ephraims (oder der zehn Stämme) eingesammelt sein wird; grundsätzlich aber repräsentiert sie das ganze Volk. Und da Christus Selbst aus dem Stamm Juda entsprossen ist, heiligt der Geist sichtbarlich den Gebrauch von Familientiteln und den Ausdruck von Zuneigungen, die damit verbunden sind.
Ein Gefühl der Trauer und des Schmerzes beschleicht uns unwillkürlich, wenn wir daran denken, dass die, zu deren Ermunterung und Glaubensstärkung diese Beziehungen anerkannt und solche herrlichen Szenen beschrieben werden, sich noch in der tiefen Finsternis eines schrecklichen Unglaubens befinden. Die Decke liegt noch auf dem Herzen Israels. Aber der Weg der Liebe, der in dem Hohenlied eine so schöne Darstellung gefunden hat, wird bald von dem unglücklichen Volk erkannt und eingeschlagen werden. Inzwischen ziehen wir Nutzen aus dieser wundervollen Offenbarung innerer Gefühle und Zuneigungen, zumal das Hohelied gesegnete moralische Anwendungen auf uns zulässt.