Einleitung
Wir finden im ersten Brief an die Thessalonicher 1,10 die beiden wichtigen Kennzeichen von Gläubigen: (a) Gott dienen (siehe 24,45–51; 25,14–30) und (b) seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten (siehe 25,1–13). Beides gehört untrennbar zusammen. Das eine leidet ohne das andere Schaden.
In diesem Gleichnis geht es besonders um die Erwartung des Herrn.
Nun werden die einzelnen Gläubigen in ihrer Verantwortung gesehen. Hier geht es nicht um die öffentliche und allgemeine Stellung der gesamten Christenheit, gesehen in dem einen Knecht (24,45–51). Diese Zeit umfasst die gesamte christliche Haushaltung.
Die Handlung dieses Gleichnisses von den Jungfrauen kann man sich vielleicht so vorstellen: Zehn Jungfrauen warten am (o. an einem) Hochzeitsabend im Haus des Bräutigam, wo die Hochzeit gefeiert werden soll und wo die Braut bereits anwesend ist. Der Bräutigam ist außerhalb und ordnet noch Dinge für die Hochzeit, hat sich aber länger aufgehalten als erwartet. Nun trifft die Nachricht von seinem Kommen ein, deshalb gehen die zehn Jungfrauen ihm entgegen.
Die Frage, wer die Braut ist, muss nicht gestellt werden. Man kann nicht alle Einzelheiten eines Gleichnisses deuten wollen, mal erst recht nicht die Dinge, die gar nicht erwähnt werden. Es geht bei den Gleichnissen um einen Kerngedanken. Es geht hauptsächlich um den Bräutigam und um die zehn Jungfrauen.
In beiden Gleichnissen (24,45–51 und 25,1–13) kommt der Herr später als erwartet.
In den ersten drei Jahrhunderten haben die Christen mit dem Kommen des Herrn gerechnet. Als dann Konstantin im Jahr 313 das Christentum zur Staatsreligion machte, glaubte man, dass das Friedensreich angebrochen sei. Man hatte doch einen von Gott geschenkten politischen Führer: Konstantin – und den geistlichen Führer: den Bischof in Rom. So rückte man das Kommen des Herrn in weite Ferne. Das bestimmte fortan die Auslegung: Es gab keine buchstäbliche Zukunft mehr für Israel; man deutete die Prophezeiungen auf Israel um und bezog sie auf die Versammlung (das war auch die Zeit, wo man anfing, christliche Kirchen zu bauen). Das war bis zur Reformation Lehrgut der katholischen Kirche. Die Reformatoren hatten andere Dinge zu tun, als sich um die Prophetie zu kümmern. Das waren für sie Randprobleme; deshalb blieben sie bei den Lehren des Augustinus. Dann gab Gott Anfang des 19. Jahrhunderts neues Licht auf die Prophetie. Alle Gläubigen sind im 4. Jhd. eingeschlafen. Anfang des 19. Jhdt. wurden alle wach, die klugen und die törichten Jungrauen: In dieser Zeit sind auch viele falsche Irrlehren und Richtungen entstanden: Mormonen, Jehovas Zeugen, Adventisten und so weiter.
Die törichten Jungfrauen kommen erst mit Öl, als der Bräutigam schon gekommen ist. Das muss nicht ausgedeutet werden.
Einteilung
Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (V. 1‒13)
Die anvertrauten Talente (V. 14‒30)
Das Gericht der Lebendigen (V. 31‒46)
Vers 1
Dann wird das Reich der Himmel zehn Jungfrauen gleich werden, die ihre Lampen nahmen und ausgingen, dem Bräutigam entgegen {w. zur Begegnung des Bräutigams}: „Das Reich der Himmel umfasst eine gewisse Haushaltung zu einer bestimmten Zeit“ (W. Kelly).
Das Reich ... gleich werden: vgl. 13,24; 18,23; 22,2. Das Kennzeichen des Reiches der Himmel ist, dass es sowohl Gläubigen als auch Ungläubigen darin gibt. Alle, die den Namen des Herrn bekennen, sind berufen, Ihm zu dienen und Ihn zu erwarten. Die Stunde kommt, wo offenbar wird, wer glaubt und wer nicht glaubt. „Also nun jeder von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,33).
Jungfrauen: Das sind solche, die sich von der Welt unbefleckt erhalten sollen (Off 14).
Ausgingen: Wir sind berufen aufzubrechen, und dem Herrn entgegenzugehen (Hld 2,10). Wer zur Bekehrung kommt, bekommt andere Ziele, einen anderen Lebensinhalt, eine andere Erwartung. So ging auch Abraham aus Ur in Chaldäa Richtung verheißenes Land. Christen gehen hinaus, um dem Bräutigam zu begegnen.
Christentum bedeutet nicht, dass seine Bekenner bleiben, wo sie sind und so Christus erwarten, sondern dass sie alles zurücklassen, um auszugehen und dem Bräutigam zu begegnen (W. Kelly).