Einleitung
Zeitliche Einordnung: 609–605; spätere Ergänzungen möglich.
Die Kapitel 46–51 enthalten Prophezeiungen über die heidnischen Nationen: Ägypten (46), die Philister (47), Moab (48), Ammon (49,1–6), Edom, Damaskus, Kedar, Elam (49), Babel (50–51).
„Die nun folgenden Kapitel 46–51 enthalten die Weissagungen über die Nationen rings um Judäa sowie über Babel selbst. Wir werden in den Weissagungen, die sich auf die Nationen beziehen, folgende besondere Grundzüge finden: Die Gerichte sind nicht die der letzten Tage, wie bei Jesaja, sondern beziehen sich, dem allgemeinen Charakter des Buches gemäß, auf die Zerstörung der verschiedenen Nationen, um der Herrschaft eines einzigen Reiches Platz zu machen. Daher kommt es, dass das Gericht, das Juda betrifft, gerade jetzt ausgeführt wird. Allerdings besteht im Blick auf die Wiederherstellung dieser Nationen in den letzten Tagen ein Unterschied. Ägypten, Moab, Ammon und Elam werden in den letzten Tagen wiederhergestellt werden, Edom, Damaskus, Philistäa und Hazor nicht. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist leicht zu erkennen. Ägypten und Elam bilden keinen Teil des Landes Israel. Gott will sich in seiner Güte über diese Länder erbarmen. Sie sollen unter seiner Regierung bewohnt und gesegnet werden. Als das Volk Israel in Kanaan einzog, mussten Ammon und Moab verschont bleiben. Sie waren nicht Kanaaniter, die unter dem Fluch standen; und so traurig auch die Geschichte ihres Ursprungs sein mochte, blieb ihnen doch, weil sie mit Israel verwandt waren, ihr Land erhalten, obwohl sie bis ins zehnte Glied nicht in die Versammlung Israels zugelassen werden durften (5Mo 23,3). Und wenn Gott mit der dem Nebukadnezar übertragenen Herrschaft und dem Reich der Nationen ein Ende machen wird, dann werden diese Nationen wieder in die Länder kommen, die ihnen einst zugeteilt waren. Mit Edom aber ist es anders. Obwohl es verschont geblieben war und sogar im dritten Glied unter Israel aufgenommen werden durfte, soll es doch, da sein Hass gegen Israel grenzenlos war, in dem Gericht jenes Tages gänzlich vernichtet werden (vgl. die Weissagung Obadjas, bes. V. 18). Ihr Land soll einen Teil des Gebietes Israels bilden und machte tatsächlich einen Teil desselben aus, obwohl sie selbst ursprünglich als Brüder Israels verschont worden waren. Doch Edom hat diese Gunst nur missbraucht, so dass das Gericht, das sie treffen soll, schrecklicher sein wird als das der übrigen Völker. Damaskus, Hazor und Philistäa bildeten einen Teil des eigentlichen Landes Israel. Diese Nationen verschwinden als besondere Völker, was ihr Gebiet betrifft. Am Schluss der Gerichtsankündigung über Ägypten richtet Gott an Israel Worte der Ermunterung. Es hatte sich auf den Pharao gestützt, als Nebukadnezar Jerusalem angriff. Die ägyptische Macht schien die einzige zu sein, die imstande war, ein Gegengewicht gegen Babel zu bilden. Aber Gott hatte den Sturz Ägyptens beschlossen, das gern den ersten Platz eingenommen hätte. Dieser Platz war daher für Babel bestimmt. Das Land, aus dem sie hinausgeführt worden waren (die Welt, betrachtet als der Mensch in seinem natürlichen unabhängigen Charakter, der bestrebt ist, seine eigenen Kräfte zu entwickeln), möchte gern über götzendienerisches Verderben und die Grundsätze Babels die Oberhand gewinnen; aber diese letzteren sollen bestehen bleiben bis zu der von Gott bestimmten Zeit, wenn Er sie richten wird. Da nun Israel sich auf Ägypten gestützt hatte, so schien es, als ob es mit Ägypten fallen würde; aber Gott wachte über ihm, und es sollte aus der Gefangenschaft zurückkehren und in Frieden wohnen. Die Wege Gottes in seiner Regierung sind hier sehr beachtenswert. Gott wollte die Völker richten und Israel nach Gebühr züchtigen. Sein Volk sollte nicht mit der Welt verurteilt werden. Ein Missbrauch der Gnade zieht die schrecklichsten Gerichte nach sich, wie es bei Edom der Fall war“ (J. N. Darby).
Einteilung
Das Wort des Herrn an Jeremia über die Nationen (V. 1)
Nebukadnezar entreißt Ägypten die Herrschaft über Syrien-Israel (V. 2–12)
Ägypten wird erobert und beraubt (V. 13–26)
Du aber, fürchte dich nicht, mein Knecht Jakob! (V. 27.28)
Kurzbeschreibung
Zuerst finden wir nun eine Prophezeiung über Ägypten. Babel schlug Ägypten im 4. Jahr Jojakims, das ist das Jahr 605. Ägypten mobilisiert und greift an. Sie wissen nicht, dass es der Herr ist, der sie in den Kampf schickt, um sich an ihnen zu rächen. Ägypten erhält eine unheilbare Wunde. Diese kriegerische Auseinandersetzung hat am Euphrat stattgefunden (V. 1–12).
Dann erfolgt eine erneute Prophezeiung durch Jeremia an Ägypten: Der König von Babel fällt in Ägypten ein. – Das Volk soll fliehen; Noph wird zur Wüste. – Der Pharao hat seine gute Zeit vorübergehen lassen; er ist verloren (V. 13–19).
Nun gebraucht der Herr Bilder aus der Natur, um den Untergang Ägyptens zu beschreiben. Gott übt Gericht an dem Götzen Amon, an No, an Pharao, an Ägypten, an seinen Göttern und seinen Königen. Dennoch wird Gott dem Land Ägypten Verlängerung geben. Es wird wieder bewohnt werden wie in den Tagen der Vorzeit (V. 20–26).
Nun folgt eine Ermunterung für den Überrest Israels: Der Überrest wird einmal in das Land der Väter zurückkehren, die Gefangenschaft wird gewendet werden. Nachdem Israel aus dem Land vertrieben war, machte Gott den umliegenden Nationen den Garaus. Seinem Volk wird Er nicht den Garaus machen, aber Er wird es nach Gebühr züchtigen und keineswegs ungestraft lassen (V. 27.28).
Vers 1
Das Wort des Herrn, das an Jeremia, den Propheten, erging {was als das Wort des Herrn an Jeremia, dem Propheten, erging} über {o. gegen} die Nationen:
Vers 1 bildet die Überschrift zu den Kapiteln 46–51. Sie enthalten Botschaften des Herrn an Jeremia über einige Nachbarvölker Israels. Ein erster Hinweis darauf findet sich bereits in 25,13; die LXX schließt die Weissagungen über die Nationen auch direkt an diesen Vers an.29 Aus 36,1.2 kann entnommen werden, dass die jetzigen Kapitel 46–51 (von einigen Ergänzungen abgesehen) schon Bestandteil der ersten Buchrolle waren, was zugleich bedeutet, dass sie in ihrem Kern zwischen 609 und 605 an Jeremia ergangen sind. An ihren heutigen Platz dürften die Botschaften bei der abschließenden Gestaltung des Buches Jeremia, wie es in seiner hebräischen (masoretischen) Fassung vorliegt, gelangt sein (vgl. 25,18: „… wie es an diesem Tag ist“).
Es gibt – wie auch sonst im Buch Jeremia – nur wenige Hinweise darauf, wann der Prophet die Vorhersagen im Einzelnen empfing bzw. auf welche Zeitpunkte sie jeweils zielen. So kann auch in diesen letzten Kapiteln manches lediglich vermutet werden.
Die Botschaften an die Nationen enthalten zuweilen Anklänge an die Schriften anderer Propheten oder sogar wörtliche Anführungen daraus. Darin darf man natürlich keine Plagiate sehen, sondern solche Stellen markieren in der Regel das nunmehrige Eintreffen einer älteren Vorhersage (H. J. Kuhley).
29 Siehe dazu auch die Bemerkungen zu Kapitel 25.↩︎