Einleitung
In Psalm 90 wird die Vergänglichkeit des ersten Menschen aufgrund seiner Untreue beschrieben. Dieser Psalm beschreibt die völlige Ergebenheit und Treue des zweiten Menschen. Die Zitate im Neuen Testament machen deutlich, dass dieser Psalm sich auf den Messias bezieht.
In Psalm 90 ist Gott ihre Wohnung – in diesem Psalm muss das Volk (der Überrest) lernen, dass sie Gott zu ihrer Wohnung setzen (V. 9.10). Müssen wir das nicht auch lernen?
In diesem Psalm wird ein anderer höchst wichtiger Grundsatz eingeführt: Der Messias nimmt seinen Platz inmitten Israels ein, den Platz des Vertrauens auf den Herrn, um so den Kanal für die völlige Segnung des Volkes zu bilden. Wir finden in diesem Psalm drei Namen Gottes; den, durch den Er in Verbindung mit Abraham stand: der Allmächtige; einen zweiten, den Abraham durch das Zeugnis Melchisedeks prophetisch gekannt haben mag, den Titel, den Gott im Tausendjährigen Reich annimmt, wenn Er seine Rechte über die ganze Erde geltend machen wird: der Höchste (vgl. 1Mo 14,18-20).
Wie alle Namen Gottes, so haben auch diese beiden ihre eigentümliche Bedeutung; der eine weist auf vollkommene Macht, der andere auf unumschränkte Oberherrlichkeit hin. Nun erhebt sich die Frage: Wer ist der Gott, der diesen Platz einnimmt? Wer ist für die Erde dieser höchste Gott über alles? Und wer wird seine verborgene Stätte finden, um dort zu wohnen? – Wer diese Stätte gefunden hat, wird vollen Schutz haben durch eine allmächtige Kraft. Der Messias (Jesus) sagt: Ich will den Gott Israels, den Herrn (dies ist der dritte Name Gottes in diesem Psalm), zu meiner Zuflucht nehmen (V. 2). In den Versen 3–8 hören wir die Antwort, die dem Messias daraufhin zuteilwird. Zweifellos ist das Gesagte auch wahr von jedem gottesfürchtigen Israeliten, ja, es bezieht sich sogar auf den gläubigen Überrest, aber als geleitet durch den Geist Jesu, des einen Vollkommenen und Treuen, der diesen Platz wirklich einnahm.
In den Versen 9–13 spricht, wie ich glaube, Israel zum Messias (der Geist legt Israel nämlich die Worte in den Mund): „Weil du den Herrn, meine Zuflucht, den Höchsten, gesetzt hast zu deiner Wohnung“, so wird der Schutz des Allmächtigen dich bewahren. In Vers 14 nimmt der Herr selbst das Wort und redet von dem Messias als dem, der seine Wonne an Ihm hat. Diese Struktur des Psalms ist auffallend. Der Geist Gottes selbst stellt uns vor dieses Problem. Der, der das Verborgene des Höchsten (Gottes Titel im Tausendjährigen Reich) findet, wird die volle Segnung vonseiten des Allmächtigen, des Gottes Abrahams, genießen. Der Messias sagt: Ich nehme den Herrn, den Gott Israels, zu meiner Zuflucht; und die Antwort an Ihn lautet: Weil du dies getan hast, wirst du auch die gesegneten Folgen erfahren. In Vers 9 spricht Israel und erklärt durch den Geist, dass Ihm, dem Messias, die Segnungen zuteilwerden sollen. In Vers 14 drückt der Herr sein Siegel auf all das, und der Löser des großen göttlichen Rätsels empfängt die volle Segnung vonseiten des Herrn, an dem Er seine Wonne hatte, dessen Namen Er kannte als den Namen des Herrn, des Gottes Israels. In dieser Hinsicht ist der Psalm von großem Interesse.
Lasst uns allerdings beachten, dass alles – auch der Charakter Gottes in jeder Hinsicht – von einem irdischen Gesichtspunkt aus betrachtet wird. Die Frage, wie Christus für den damaligen Augenblick seine Ansprüche an die göttliche Befreiung aufgab, dagegen vollkommenen Gehorsam offenbarte, indem Er völlig auf seinen Vater vertraute, steht in Verbindung mit einer tieferen Kenntnis der Ratschlüsse Gottes und des gesegneten Pfades unseres hochgelobten Herrn.
Satan wollte gerade die in diesem Psalm gegebene göttliche Zusage benutzen, um Ihn vom Pfad des Gehorsams wegzubringen und auf den Weg des Misstrauens und Eigenwillens zu führen; aber Gott sei gepriesen, sein Versuch war, wie wir wissen, vergeblich. Die gewissen, David zugesagten Gnaden (Jes 55,3; Apg 13,32-38) sollten in einem gehorsamen und auferstandenen Menschen erfüllt werden – dies wird uns in einem späteren Psalm von unvergleichlicher Schönheit gezeigt –, und so sollten Segnungen und Herrlichkeiten höherer Art offenbart werden. Doch Er, der jenen Pfad völliger Unterwürfigkeit betrat, hat nichtsdestoweniger alle in unserem Psalm entfalteten Segnungen für die gesichert, die in seiner Nachfolge diese Stellung des Vertrauens auf den Herrn auf der Erde einnehmen werden. Diesen Grundsatz finden wir in vielfältiger Form immer wieder in den Psalmen. In der Tat war das Sühnopfer Christi, das seinen persönlichen Verzicht auf die in Psalm 91 zugesagte Segnung in sich schloss, notwendig, damit andere auf demselben Pfad wandeln könnten, auf dem Er persönlich, natürlich ohne jenes, wandeln konnte. Psalm 91 gibt uns eine göttliche Offenbarung von der Art und Weise, in der die Verheißung des Lebens dem Herrn Jesu erfüllt wurde (vgl. Ps 16,9.11) (JND).
Einteilung
Der Ort der Zuflucht (V. 1.2)
Zusage der Bewahrung und des Schutzes (V. 3‒8)
Befreiung, Erhöhung und Herrlichkeit (V. 9–16)
Vers 1
Wer unter dem Schutz {eig. im Verborgenen} des Höchsten sitzt, wird bleiben im Schatten des Allmächtigen: Niemand hat jemals einen solch verborgenen Umgang mit Gott gehabt, war so in Gemeinschaft mit Gott, wie der Herr Jesus. Ist es da verwunderlich, dass Er in solch einer einzigartigen Weise Gottes Schutz und Errettung erfahren hat?
Des Höchsten: Gott ist hier der Höchste (Er hat absoluten Vorrang) und der Allmächtige, dem alle Macht zur Verfügung steht. Wer sich Ihm unterwirft, wird seine Allmacht in der Bewahrung erfahren.