Behandelter Abschnitt 1Sam 4
Das Gericht des Volkes (1Sam 4)
In 1. Samuel 4 haben wir den ernsten Bericht über das vollständige Versagen und den Ruin des Volkes Gottes. Israel wird von den Philistern geschlagen, die Bundeslade weggenommen, die Priester werden ermordet, und der Hohepriester wird durch den Tod entfernt. So ist jede nach außen sichtbare Verbindung mit Gott zerstört.
Die Nation tritt damit in eine Zeit der Knechtschaft unter seine Feinde ein, die 20 Jahre andauert (1. Samuel 7,2). Während dieser Periode fällt auf, dass Samuels Name nicht ein einziges Mal genannt wird. 20 Jahre lang vernachlässigt das Volk den Mann, mit dem der Herr war.
Gott selbst bewertet diese ernste Zeit in den Psalmen
Der Geist Gottes hat uns seinen eigenen Kommentar über diese ernste Zeit in Psalm 78,56-64 gegeben. Aus diesem Abschnitt lernen wir, dass das Geheimnis ihres niedrigen Zustandes und der daraus folgenden Niederlagen durch die Hand ihrer Feinde in ihrem Ungehorsam und Götzendienst lag. „Seine Zeugnisse bewahrten sie nicht. . . . Sie erbitterten ihn durch ihre Höhen, und reizten ihn zur Eifersucht durch ihre geschnitzten Bilder“ (Psalm 78,56.58). Dann folgt die ernste Aussage: „Gott hörte es und ergrimmte, und er verachtete Israel sehr.“ Aus 1. Samuel 2,17 lernen wir, dass „die Leute die Opfergabe des Herrn verachteten“. Nun lernen wir, dass der Herr das götzendienerische Israel verachtete.
Der niedrige Zustand des Volkes Gottes wird zur Gelegenheit für seine Feinde, sich Macht über Israel anzueignen. Der besondere Feind zu dieser Zeit waren die Philister im Land. Das Volk Israel war auch außerhalb des Landes von Feinden umgeben – Ägypter, Syrer und andere. Aber es hatte auch Feinde innerhalb der Landesgrenzen. Und von diesen waren die Philister die hartnäckigsten. Der Feind inmitten des Volkes kommt immer dann zum Vorschein, wenn sich das Volk Gottes in einem schlechten Zustand befindet. Feindschaft von außen kann auch das Ergebnis eines leuchtenden Zeugnisses sein. Aber zu jeder Zeit war Verderben von innen immer das Resultat eines niedrigen geistlichen Zustandes.
Sich auf den Herrn zu berufen verlangt Selbstgericht
Das Volk Israel versucht in eigener Kraft – geschwächt durch den Götzendienst, und ohne den Herrn oder den Mann zu befragen, mit dem der Herr ist – in den Kampf mit seinen Feinden zu ziehen. Und das alles führt nur zu einer schlimmen Niederlage (Verse 1 und 2). Auf ihre Niederlage halten sie Rat und fragen: „Warum hat der Herr uns heute vor den Philistern geschlagen?“ (Vers 3).
Die Ältesten, die die Gedanken des Herrn eigentlich hätten kennen müssen, offenbaren ihren schlechten geistlichen Zustand durch den Ratschlag, den sie geben. Sie sagen: „Lasst uns von Silo die Lade des Bundes des Herrn zu uns holen, dass sie in unsere Mitte komme und uns rette aus der Hand unserer Feinde.“ Sie hätten ihren Ratschlag noch mit vielen Argumenten stützen können. Sie hätten beispielsweise auf ihre Geschichte verweisen und damit ihre Meinung bekräftigen können. Hatte die Bundeslade das Volk nicht in den Tagen Josuas zum Sieg geführt, als die Stadt Jericho vor Israel fiel? Eine Sache vergaßen sie jedoch. Und es war ihr Ruin!
Man darf die Heiligkeit und Eifersucht Gottes nie vergessen!
Israel übersah die Majestät und Heiligkeit Gottes, die Ungerechtigkeit in seinen Feinden nicht ertragen wird und kann – wie viel weniger in seinem Volk. Es ist wahr, dass die Bundeslade das Volk in den Tagen Josuas zum Sieg führte, aber nicht ohne die Führung des Obersten des Heeres des Herrn (Josua 5,13-15).
Zudem ging der Einnahme Jerichos die Beschneidung in Gilgal voraus. Das Volk, das die Lade in Josuas Tagen nutzte, war ein Volk, in dem das Fleisch gerichtet worden war, und das unter der Führung des Obersten des Heeres des Herrn stand. Wenn der Zustand des Volkes Gottes richtig ist, muss die Lade des Herrn, die von der Gegenwart des Herrn spricht, der Mittelpunkt des Segens für sein Volk sein. Die Gegenwart des Herrn anzurufen, ohne den eigenen Zustand gerichtet zu haben bedeutet, das Gericht des Herrn in seinen Regierungswegen herbeizurufen.
Abwehr falscher Einflüsse setzt Selbstgericht voraus
Zu welcher Zeit auch der Widerstand auftreten mag, der von den verderblichen Einflüssen stammt, die innerhalb des Volkes Gottes entstehen: Diesem Widerstand kann nur richtig entgegengetreten werden, wenn zunächst der schlechte Zustand unter dem Volk Gottes behandelt wird, der zum Anlass für die Existenz des Widerstandes geworden ist.
Das Volk Israel folgt dem Rat seiner Führer, ohne den eigenen Zustand zu richten, und sendet nach Silo, um von dort die Lade des Herrn zu holen. Wir finden hier die ernste Erinnerung, dass der Herr „zwischen den Cherubim thront“, und auch, dass „die beiden Söhne Elis, Hophni und Pinehas, daselbst bei der Lade des Bundes des Herrn waren“ (Vers 4). Der Herr der Heerscharen ist dort, und auch die Söhne Belials (1. Samuel 2,12), ein sicherer Hinweis des kommenden Gerichts, denn „welche Übereinstimmung (hat) Christus mit Belial“ (2. Korinther 6,15)? Das Volk Gottes mag gegenüber der Herrlichkeit Christi und der Heiligkeit, die seinem Namen gebührt, gleichgültig sein. Aber Gott macht bei dieser Gleichgültigkeit nicht mit. Er kann sich selbst nicht verleugnen (2. Timotheus 2,13). Er wird seine eigene Herrlichkeit bestätigen, auch wenn dies Niederlage und Schande für sein Volk bedeuten mag.
Glaube handelt in Ruhe – nicht lärmend
Die Bundeslade wird in das Lager gebracht und mit „großem Jauchzen“ empfangen, „dass die Erde erdröhnte“ (Vers 5). Dieses große Jauchzen hat einen triumphierenden Klang und den Anschein von Kraft. In Wirklichkeit offenbart es jedoch nur auf der einen Seite den Mangel an Glauben, und auf der anderen Seite das Vertrauen auf das Fleisch. Glaube handelt in Ruhe, und moralische Kraft wirkt nicht mit Lärm.
Der natürliche Mensch wird jedoch durch großen Lärm beeindruckt. Und daher lesen wir von den Philistern, als sie „den Schall des Jauchzens hörten“ und „merkten, dass die Lade des Herrn ins Lager gekommen war“, dass sie sich fürchteten. Ihre Furcht war zu Recht auf dem Bewusstsein der wahren Bedeutung der Bundeslade gegründet, denn sie sagen: „Gott ist ins Lager gekommen!“
Der Feind hat ein klareres Urteil als das Volk Gottes
Wir sehen die schreckliche Folge für das Volk Gottes, das gestattet hatte, dass Unheiligkeit mit der Lade Gottes verbunden wurde. Es hatte sich durch Sünde so verhärtet, dass es weniger empfindsam für die Gegenwart Gottes war als seine Feinde. Das Volk hatte von der Lade gesagt, dass sie „in unsere Mitte komme und uns rette aus der Hand unserer Feinde“ (Vers 3). Als die Lade in ihre Mitte kam, sagten ihre Feinde zu Recht: „Gott ist . . . gekommen!“ (Vers 7).
Unter solchen Umständen ist die Furcht der Philister genauso unbegründet wie der Jubel der Israeliten. Die Philister hätten es nicht nötig gehabt, sich vor der Bundeslade zu fürchten, als das verunreinigte Volk Israel diese in das Lager brachte – sozusagen als eine Billigung seiner Ungerechtigkeit. Der Zustand Israels war so schlimm, dass Gott das Volk nicht schützen konnte. Und in solchen Umständen musste das Zurückgreifen auf das Symbol der Gegenwart Gottes Gericht für das Volk selbst hervorrufen. So kam es dazu, dass das Volk Gottes geschlagen wurde, die Bundeslade in die Hände der Feinde fiel und die beiden Söhne Elis getötet wurden. „Und er gab in die Gefangenschaft seine Kraft, und seine Herrlichkeit in die Hand des Bedrängers. Und er gab sein Volk dem Schwert preis, und gegen sein Erbteil ergrimmte er“ (Psalm 78,61-62).
Eli in seiner Lebenstragik
Die Schlussszene dieses Kapitels ist zu Herzen gehend und offenbart die persönliche Gottesfurcht Elis – im Gegensatz zu seinem Versagen, in Bezug auf das Übel seiner Söhne zu handeln. Und diese Verse zeigen auch, dass Gott einen gottesfürchtigen Überrest in Israel hatte, der durch die Frau von Pinehas dargestellt wird, der die Herrlichkeit Gottes über die natürlichen Ansprüche stellte.
Israel befand sich im Kampf mit dem Feind, Hophni und Pinehas waren mitten in der Schlacht. Und doch bangte das Herz Elis für die Bundeslade (Vers 13). Sein erster Gedanke war die Bundeslade. Als die Nachricht der Niederlage Israels den betagten Hohenpriester erreichte, hörte er in Ruhe dem Bericht über die große Niederlage des Volkes und den Tod seiner beiden Söhne zu, aber als erwähnt wird, dass die Lade Gottes genommen wurde, „da fiel Eli rücklings vom Stuhl“ – ein geschlagener Mann.
Und das gleiche hören wir von der Frau Pinehas‘. Ihr erster Gedanke war nicht ihr Ehemann, sie selbst oder ihr Kind, sondern die Herrlichkeit Gottes. Die umherstehenden Frauen sprechen dann zu ihr, als sie bei der Geburt im Sterben lag, von dem Sohn, der geboren wurde. „Aber sie antwortete nicht und nahm es sich nicht zu Herzen“ (Vers 20). Sie war sich vollkommen bewusst, dass sie einen Sohn geboren hatte, denn sie gab dem Kind einen Namen. Aber der Name zeigt, dass ihre Gedanken sich auf die Lade Gottes konzentrierten. Ihre letzten Worte sind: „Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen, denn die Lade Gottes ist genommen!“ (Vers 22).