Behandelter Abschnitt Joh 1,38-39
Der erste Tag des Zeugnisses Christi (Joh 1,38-42)
Der Dienst des ersten Tages stellt uns auf wunderbare Weise bildhaft den Dienst Christi vor, wie Er sein Volk während des christlichen Zeitraums um sich schart. Dass eine lebende Person der Mittelpunkt des Zusammenkommens für das Volk Gottes sein sollte, war etwas völlig Neues auf der Erde. Um diesen Dienst der Liebe wertzuschätzen, müssen wir uns daran erinnern, dass diese herrliche Person, der die Zuneigung dieser beiden Jünger hervorgerufen hat – dem Christus, dem sie folgen –, der ist, den die Welt nicht kennt, der von dem religiösen Fleisch Verstoßene, der sich außerhalb aufhält (Joh 1,10.11.26.28). Bis dahin war Jerusalem mit seinem Tempel das Zentrum der religiösen Aktivität des berufenen Volkes Gottes gewesen. Im Judentum war das Zentrum des Zusammenkommens ein Ort. Im Christentum ist das Zentrum des Zusammenkommens eine Person und diese Person ist ein verworfener Mensch am Ort der Schmach. Wenn wir zu Ihm zusammenkommen wollen, müssen wir, wie die beiden Jünger, bereit sein, mit Ihm außerhalb des Lagers zu gehen, seine Schmach tragend (Heb 13,13).
Wie traurig! Die bekennende Christenheit ist größtenteils in das jüdische System zurückgefallen und hat prächtige Gebäude als Zentren ihres religiösen Lebens errichtet. Und damit nicht genug, war die Christenheit bestrebt, Christus in die Welt zu bringen, anstatt die Welt zu verlassen und zu Christus zu kommen. Die Menschen haben ihre eigene Ehre gesucht, indem sie ihren Systemen, Plänen und Ländern seinen heiligen Namen gegeben haben. Christus befindet sich jedoch außerhalb der weltlichen Systeme und Religionen und solche, die in Herzenszuneigung persönlich zu Ihm hingezogen sind, müssen den Platz der Schmach außerhalb einnehmen, wenn sie Christus als ihre allgenügende Quelle erreichen wollen.
So gibt uns also diese schöne Szene „jenseits des Jordan“ ein sehr schönes Bild davon, was Christentum nach Gottes Gedanken ist: eine Gemeinschaft von Gläubigen, die aus dem Judentum und der Welt, ob sozial, politisch oder religiös, herausgenommen wurde, um sich um eine Person zu scharen, die alles für sie bedeutet. Es ist nicht nur einfach so, dass seine Leute als solche, die gleiche Interessen haben, zusammenkommen, sondern sie versammeln sich um eine lebendige Person, die eine Anziehungskraft auf ihre Herzen ausübt. Haben wir die Wirkung des Werkes Christi an uns erfahren, die Gabe des Geistes empfangen und eine sichere Zukunft, so mögen wir wohl fragen: Wie werden wir auf unserem Weg zum Himmel inmitten der Versuchungen der Welt bewahrt bleiben? Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir können nur bewahrt werden, weil wir uns zu einer lebendigen Person hin versammeln, die alle Liebe in ihrem Herzen, alle Macht in ihren Händen und alle Weisheit für die Seinen hat. Der lebendige Christus ist die Lösung für alle unsere Schwierigkeiten. Wir werden unseren Weg durch das Dunkel der Welt nur finden, wenn wir Ihm folgen und nahe bei Ihm bleiben. Ohne Ihn können wir nichts tun. So lesen wir von diesen zwei Jüngern, dass sie Jesus nachfolgten und bei Ihm blieben (Joh 1,37-39). Später gibt der Herr diesen Worten eine geistliche Bedeutung, wenn Er zu seinen Jüngern sagt: „Bleibet in mir“, und: „Folge du mir nach“ (Joh 15,4; 21,22).
Joh 1,38.39: Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und spricht zu ihnen: Was suchet ihr? Sie aber sagten zu ihm: Rabbi (was verdolmetscht heißt: Lehrer), wo hältst du dich auf? Er spricht zu ihnen: Kommet und sehet! Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben jenen Tag bei ihm. Es war um die zehnte Stunde.
Sie hatten bereits von Christus gehört, auf Christus gesehen, als Er wandelte, sie waren zu Ihm hingezogen worden und sie folgten Christus nach. Nun erfahren wir etwas von dem tiefen Interesse, welches der Herr an diesen Jüngern hat, die Ihm nachfolgen. Wir lesen: „Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen“, und genau wie damals nimmt Er auch heute Notiz von solchen, die Ihm nachfolgen.
Dann prüft der Herr diese zwei Jünger mit seiner Frage: „Was suchet ihr?“ Wenn wir, wie die Jünger, einen Platz außerhalb des heutigen weltlichen Religionssystems eingenommen haben, sollten wir in uns in Bezug auf unsere Beweggründe in ähnlicher Weise herausgefordert und geprüft fühlen. Werden nicht die Schwierigkeiten, die unter uns entstehen, oft zugelassen, damit wir uns einmal fragen, warum wir dort sind, wo wir sind? Haben wir diesen Platz nur eingenommen, um dem Bösen der religiösen Systeme der Welt zu entfliehen oder um Licht und eine bessere Lehre zu bekommen oder weil vielleicht unsere Eltern bereits diesen Weg gegangen sind? Wenn dies der Fall ist, sollten unsere Motive sicherlich einmal geprüft werden, denn wenn wir aus falschen oder gemischten Motiven gehandelt haben, werden wir schläfrig auf unserem Weg und verlassen den Platz der Schmach.
In dem Fall der beiden Jünger bringt die prüfende Frage des Herrn ihre wahren Beweggründe hervor, indem sie fragen: „Rabbi, wo hältst du dich auf?“ Mit dieser Frage wird offenbar, dass sie den Platz außerhalb nicht einnahmen, um der Verderbtheit des Judentums zu entkommen noch um für sich selbst einen Vorteil daraus zu ziehen, sondern weil sie danach verlangten, bei dem Einen zu sein, zu dem sie in Zuneigung hingezogen worden waren. Das Motiv waren nicht sie selbst, sondern Er selbst. Sie wollten den kennenlernen, zu dem sie hingezogen worden waren und deshalb fragen sie: „Wo hältst du dich auf?“ Man kann Menschen durch ein gelegentliches Treffen oder ein hin und wieder geführtes Gespräch nicht wirklich kennenlernen, dazu müssen wir mit ihnen in ihre Häuser gehen. Wenn wir eine innigere Verbindung mit Christus haben möchten, müssen wir bestrebt sein, Ihn in seinem Haus kennenzulernen – dem Vaterhaus. Darum heißt es in der Schrift: „Suchet was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.“ Und wo sonst würden wir einen tieferen Einblick in himmlische Dinge erhalten als dort, wo zwei oder drei zu seinem Namen hin mit Ihm selbst in der Mitte versammelt sind?
Auf solche Wünsche zu antworten erfreut den Herrn. Wie schon gesagt wurde, können wir von Christus so viel haben, wie wir wollen. Dann antwortet der Herr den Jüngern und sagt: „Kommet und sehet!“, und wir lesen: „Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt.“ In dieser Welt gibt es nichts, das von Christus spricht und wir können sicher sein, dass, was sich auch in unseren Häusern finden mag, an seinem Platz nichts zu finden war, was von Ihm ablenkte. Nachdem sie gesehen hatten, wo Er sich aufhielt, lernten sie Ihn in seinem Haus kennen und als sie Ihn kannten, freuten sie sich, diesen Tag bei Ihm zu bleiben. Die Person, die sie an den Ort außerhalb gezogen hatte, war der Eine, welcher sie auch dort hielt.