Behandelter Abschnitt Dan 8,15-16
Der Prophet selbst verstand das Gesicht nicht, doch er „suchte Verständnis darüber.“ Der Wunsch seines Herzens fand Zustimmung bei Gott, denn er erfreut sich daran, der suchenden Seele seine Gedanken mitzuteilen. Und so war, kaum dass der Prophet den Wunsch nach der Bedeutung des Gesichts geäußert hatte, der Deuter schon in Reichweite. Daniel sagt, „und siehe, da stand [etwas] vor mir wie die Gestalt eines Mannes. Und ich hörte eine Menschenstimme zwischen [den Ufern des] Ulai, die rief und sprach: Gabriel, gib diesem das Gesicht zu verstehen!“ (Verse 15,16) Gabriel, dem Befehl, den er erhalten hatte, gehorsam, näherte sich der Stelle, an der Daniel stand. Dieser fürchtete sich in der Gegenwart seines engelhaften Besuchers, und fiel nieder auf sein Angesicht, doch er sagt weiter über Gabriel: „Und er sprach zu mir: Hör zu, Menschensohn, denn das Gesicht ist für die Zeit des Endes.“
Der überwältigte Daniel sank betäubt zur Erde auf sein Angesicht. „Er aber rührte mich an und stellte mich auf meinen [früheren] Standort.“ (Verse 17,18) So verlieh ihm Gabriel Erkenntnis und Kraft, die es ihm ermöglichten, die Deutung des Gesichts zu empfangen. Außerdem wird ihm der Name „Menschensohn“ verliehen, dessen Bedeutung den folgenden Bemerkungen bezüglich desselben Namens, der Hesekiel verliehen wurde, entnommen werden kann. „Daher redet die Stimme Gottes auch Hesekiel als einen „Menschensohn“ an, welche Bezeichnung dem Charakter des damaligen Zeugnisses Gottes entsprach, denn Er redete außerhalb Seines Volkes, als Einer, der nicht länger inmitten desselben wohnte, sondern im Gegenteil es von dem Throne Seiner unumschränkten Herrschaft aus richtete. Es ist der Titel Christi Selbst, wenn Er als von Israel verworfen und außerhalb desselben stehend betrachtet wird, obgleich Er ja nie aufhört, der Segnung dieses Volkes in Gnade zu gedenken. Auf diese Weise kommt der Prophet in Verbindung mit der Stellung Christi Selbst.“37
Bevor wir mit der Deutung des Gesichts fortfahren, wird es nützlich sein, nochmals die Verbindung einer göttlichen Auslegung zum Gegenstand der Auslegung festzustellen. Die Auslegung beschränkt sich niemals nur auf die Sache, die gedeutet werden soll, sondern fügt all das hinzu, was dazu erforderlich ist, die Gedanken Gottes in der vermittelten Angelegenheit verständlich zu machen. Ein einfaches Beispiel aus Johannes 14 wird diesen Grundsatz zeigen. Als der Herr davon gesprochen hatte, sich dem zu offenbaren, der seine Gebote hat und sie hält, fragte Ihn Judas warum er sich ihnen offenbaren wolle, und nicht der Welt.
Als Antwort auf diese Frage, geht unser Herr weit über das hinaus was er zuvor gesagt hatte (zumindest in der Erklärung seiner Bedeutsamkeit). Statt sich selbst zu offenbaren, heißt es, „WIR (der Vater und der Sohn) werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ All dies kam zweifellos in seiner ersten Aussage vor, aber es wäre nicht verstanden worden, hätte er es nicht erklärt. Und in der Auslegung eines prophetischen Gesichts werden Ergänzungen und Anwendungen gemacht um die göttliche Bedeutung aufzudecken – eine Bedeutung, die sonst verborgen geblieben wäre.
37 Synopsis of the Books of the Bible, von J. N. Darby, 2. Band↩︎