Behandelter Abschnitt Nehemia 5,8-11
„Und ich sprach zu ihnen: Wir haben unsere Brüder, die Juden, die den Nationen verkauft waren, soweit es uns möglich war, losgekauft; und ihr wollt etwa eure Brüder verkaufen, und sie sollen sich uns verkaufen? Da schwiegen sie und fanden keine Antwort. Und ich sprach: Nicht gut ist die Sache, die ihr tut! Solltet ihr nicht in der Furcht unseres Gottes wandeln, dass wir nicht den Nationen, unseren Feinden, zum Hohn seien? Aber auch ich, meine Brüder und meine Diener, wir haben ihnen Geld und Getreide auf Wucher geliehen. Lasst uns doch diese Forderung erlassen! Gebt ihnen doch gleich heute ihre Felder, ihre Weinberge, ihre Olivengärten und ihre Häuser zurück und erlasst ihnen den Zins von dem Geld und dem Getreide, dem Most und dem Öl, das ihr ihnen auf Wucher geliehen habt“ (5, 8–11).
Es gibt einige Punkte in der Ansprache Nehemias, die besonders beachtet werden sollten. Zunächst sehen wir, dass er fähig ist, die Übeltäter zurechtzuweisen, indem er ihr Verhalten seinem eigenen gegenüberstellt. Er hatte seine Brüder von den Nationen losgekauft, wohingegen sie diese (ihre Brüder) in ihre Gefangenschaft gebracht hatten indem sie über das Erbe Gottes Regiment führten. Wie gesegnet ist es, wenn ein Hirte unter dem Volk Gottes auf sein eigenes Verhalten als ein Vorbild hinweisen kann. Ebenso war es auch beim Apostel Paulus. Wieder und wieder wurde er vom Heiligen Geist dahin geleitet, sich selbst als Beispiel vorzustellen (siehe Apg 20,34.35; Phil 3,17; 1Thes 1,5.6).
So war es in diesem Fall auch bei Nehemia. Und in welches Licht stellte er dadurch das Verhalten der Edlen und Vorsteher! Nehemia hatte, aus Liebe zu seinen Brüdern und aus Betrübnis über die Unehre, die ihr Zustand über den Namen des Herrn brachte, seinen Besitz in ihre Befreiung investiert. Sie hingegen nutzten aus Liebe zu sich selbst und aus dem Wunsch, ihren Reichtum zu vermehren, die Bedürfnisse ihrer Brüder aus, um das Joch der Knechtschaft auf ihre Nacken zu legen. Nehemia offenbarte den Geist Christi (vgl. 2Kor 8,9) und sie den Geist Satans.
Nachdem er nun die Natur ihres Verhaltens bloßgestellt hat, spricht er noch eine weitere Sache an: „Nicht gut ist die Sache, die ihr tut! Solltet ihr nicht in der Furcht unseres Gottes wandeln, dass wir nicht den Nationen, unseren Feinden, zum Hohn seien?“
Dieser Aufruf zeigt, wie wichtig Nehemia die Ehre seines Gottes war, und dass ihm der Gedanke, dass das Verhalten Israels dem Feind eine berechtigte Gelegenheit zum Vorwurf lieferte, im Herzen wehtat. Sie behaupteten – und dies zu Recht –, Gottes auserwähltes Volk zu sein und als solches heilig und abgesondert vom Rest der Nationen zu seinem Dienst zur Verfügung zu stehen. Doch wenn sie in ihrem Wandel den Nationen glichen, was wurde aus ihrer Verheißung? Sie hörten nicht auf, Gottes Volk zu sein, doch durch ihr Verhalten verleugneten sie, dass sie dies waren, und entweihten öffentlich den heiligen Namen, durch den sie berufen worden waren. Kein größerer Schaden kann durch das Volk Gottes angerichtet werden, als dem Feind einen gerechtfertigten Grund zu geben, es bezüglich ihres Verhaltens zu verspotten (vgl. 1Pet 2,11; 3,15; 4,15-17).
Auf diese Ansprache gründet er seine Ermahnung: erstens, die Übeltat zu unterlassen, und zweitens, Gutes tun zu lernen. Er erinnert sie daran, dass er und seine Brüder und Diener auf gleiche Weise hätten handeln können, wenn sie sich dafür entschieden hätten.
Er sagt: „Lasst uns doch diese Forderung erlassen.“ Man beachte, dass er sagt: „Lasst uns“. Hierbei stellt er sich voller Gnade in ihren Sünden auf ihre Seite und erkennt an, dass er vor Gott eins mit ihnen war. Somit sucht er in einem Geist der Sanftmut ihre Wiederherstellung zu bewirken.
Darüber hinaus ermahnt er sie zur Rückerstattung, indem sie „gleich heute ihre Felder, ihre Weinberge, ihre Olivengärten und ihre Häuser“, die sie jenen auf Zins verliehen hatten, zurückgeben.