Behandelter Abschnitt Nehemia 1,5-7
„Und sprach: Ach, Herr, Gott des Himmels, du großer und furchtbarer Gott, der den Bund und die Güte denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten: Lass doch dein Ohr aufmerksam und deine Augen offen sein, dass du hörest auf das Gebet deines Knechtes, das ich heute, Tag und Nacht, für die Kinder Israel, deine Knechte, vor dir bete, und wie ich die Sünden der Kinder Israel bekenne, die wir gegen dich begangen haben! auch wir, ich und meines Vaters Haus, haben gesündigt. Wir haben sehr böse gegen dich gehandelt und haben die Gebote und die Satzungen und die Rechte nicht gehalten, die du deinem Knecht Mose geboten hast“ (1,5–7).
Bis hierhin gibt es hauptsächlich zwei Dinge: Eine Rechtfertigung Gottes und das Bekenntnis von Sünden. Nehemia erkennt auf eindeutige Weise die Treue Gottes an und dass von Gottes Seite kein Versagen vorhanden ist, während er zur gleichen Zeit den Charakter der Beziehung Gottes zu Israel völlig erkennt – dass, kurzgesagt, seine Haltung gegenüber seinem Volk von dessen Verhalten abhing: „Der den Bund und die Güte denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten.“ Dies bringt, zusammen mit seiner Rede zu Gott, auf deutlichste Weise den Kontrast zwischen Gesetz und Gnade zum Ausdruck.
Hingebungsvoll und gottesfürchtig wie Nehemia war, kommt man doch nicht umhin, sich der Distanz in den von ihm verwendeten Worten bewusst zu werden – „Ach, Herr, Gott des Himmels, du großer und furchtbarer Gott“ – eine Distanz, die das Zeitalter, in dem er lebte, erforderte. Wie sehr unterschiedet sich dies von der Stellung, in die der Herr seine Jünger auf der Grundlage seiner Auferstehung brachte, wenn er sagt: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17b).
Doch Nehemia hatte in seiner Stellung gelernt, was in dieser Art selbst unter Christen selten gelernt wird, nämlich ein Fürsprecher für sein Volk zu sein. „Tag und Nacht“ betete er für es; und daher hatte er die Kraft, die Sünden des Volkes zu bekennen. Kein höheres Privileg könnte einem Diener gewährt werden als das, welches Nehemia erteilt wurde. Er hatte die Kraft, sich so mit Israel zu identifizieren, dass es ihn befähigte, ihre Sünden aufzugreifen und sie als seine eigenen zu bekennen. „Ich“, sagt er, „und meines Vaters Haus haben gesündigt.“ Dies ist ein wahres Zeichen geistlicher Stärke.
Viele beklagen den Zustand des Volkes Gottes, doch es gibt wenige, die sich selbst damit identifizieren können. Nur solche können wirklich in der Gegenwart Gottes für es eintreten. Und lasst uns erkennen, dass er zunächst nur Gottes berechtigten Standpunkt ihm selbst und seinem Volk gegenüber vertritt. Gott ist immer treu denen gegenüber, die Ihn lieben und seine Gebote befolgen. Doch – ach! – sie hatten seine Gebote nicht eingehalten, noch seine Gesetze, noch seine Gerichte. All dies wird vollständig bekannt; doch jetzt bezieht er sich auf eine Verheißung, auf die er sein Gebet aufbauen und mit der er auf das Eingreifen Gottes für ihn zählen kann. Er fährt fort: (Siehe Nehemia 1,8)