Unbekannter Autor; verschiedene Autoren
Kommentar von verschiedenen, zum Teil unbekannten Autoren
1Joh 4,17Kommentar zu 1. Johannes 4,17
„Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, damit wir Freimütigkeit haben an dem Tage des Gerichts, dass gleichwie er ist, auch wir sind in dieser Welt.“
In Vers 9 sahen wir, dass „die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden“ ist; in Vers 12, dass Seine Liebe in uns vollendet ist; hier nun wird gesagt: „Die Liebe ist mit uns vollendet worden, damit wir Freimütigkeit haben an dem Tage des Gerichts.“ Was braucht es denn, um an jenem Tage Freimütigkeit oder volle Zuversicht zu haben? Man muss so sein wie der Richter, wie Christus selbst. Darin „ist die Liebe mit uns vollendet worden, dass, gleichwie er ist, auch wir sind in dieser Welt“.
Gott konnte uns kein vollkommeneres Leben, keine vollkommenere Heiligkeit geben als Christum selbst; wir sind „in Christo“ vor Gott, „angenehm gemacht in dem Geliebten“ und „in ihm vollendet“ (Eph 1,6; Kol 2,10). Er ist unsere Gerechtigkeit und unsere Heiligkeit, wie wir in 1. Korinther 1,30 lesen: „Aus ihm aber seid ihr in Christo Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung.“ Da Er durch Seinen Sühnungstod Gott völlig verherrlicht hat, hat Ihn Gott in Gerechtigkeit zu Seiner Rechten verherrlicht, und wir sind in Ihm Gottes Gerechtigkeit geworden.
Er ist unser Leben; wir besitzen es in Ihm, dem Sohne Gottes; ein Leben, das uns in dieselbe Beziehung zum Vater gebracht hat, in der Er selbst steht, und in der wir mit derselben Liebe geliebt sind, mit welcher der Vater Ihn geliebt hat. Welch eine wunderbare Gnade! Wer kann die Liebe des Vaters zum Sohne, dem Gegenstand Seiner Wonne, dem gesegneten Mittelpunkt aller Seiner Zuneigungen ergründen? Mit dieser gleichen Liebe sind wir geliebt!
Wer kannte das Herz des Vaters und zugleich die Schwachheit und die Unvollkommenheiten der Jünger, wie der Herr? Aber als Er zum Vater redete, hörten sie, was Er von den Seinen sagte: „auf dass die Welt erkenne, dass du. . . sie geliebt hast, gleich wie du mich geliebt hast.“ Und zu den Jüngern selbst sagte Er: „Gleichwie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt; bleibet in meiner Liebe“ (Joh 17,23; 15,9). Auf diese Weise ist die Liebe mit uns vollendet worden. Wie Christus ist, so sind auch wir in dieser Welt.
Wir haben also schon jetzt volle Zuversicht im Hinblick auf den Tag des Gerichts und werden auch an jenem Tage volle Zuversicht haben. Dann tritt in Erscheinung, was Gott in Seiner Liebe gewollt hat: Wir werden in vollkommener Gleichförmigkeit mit Christo geoffenbart, erstrahlen dann in Seiner eigenen Herrlichkeit und in Seinen eigenen Vollkommenheiten als Gegenstände der unendlichen Liebe des Vaters. An jenem Tage, wenn wir mit Christo in Herrlichkeit geoffenbart sind, wird Er „verherrlicht werden in seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben“ (2Thes 1,10). Dann auch wird die Welt erkennen, dass der Vater uns geliebt hat, gleichwie Er Jesum geliebt hat.
Wenn der Tag des Gerichtes gekommen ist und Christus Seinen Platz auf dem Gerichtsthron eingenommen hat, werden alle mit Ihm zu tun haben. „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nachdem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (2Kor 5,10).
Die Gläubigen werden im vollen Lichte des Richterstuhles Christi offenbar werden, als Ihm vollkommen gleich, als völlig gleichförmig dem Bilde des Sohnes Gottes; sie werden ohne Flecken und untadelig vor Seiner Herrlichkeit stehen. Je heller das Licht des Richterstuhles sein wird, desto mehr wird die Vollkommenheit unserer Gerechtigkeit und Heiligkeit zur Verherrlichung Christi erstrahlen. Und wie wird Gott verherrlicht, wenn einst Seine verherrlichten Heiligen im Glanze des Richterstuhles stehen! Dann werden wir erkennen, wie auch wir erkannt worden sind. Dort werden alle Schätze der Gnade und der Liebe, der Weisheit, der Barmherzigkeit und der Langmut Gottes gegen uns im vollen Lichte offenbar sein. Durch die Wirksamkeit Seines Geistes und Seines Wortes in unseren Herzen sind wir hienieden dahin geführt worden, unsere Schuldhaftigkeit, unseren verderbten Zustand vor Gott zu erkennen und uns selbst zu verurteilen.
Die Erkenntnis unserer Sünden und unserer Unwürdigkeit jedoch bleibt hienieden unvollkommen. Dort aber wird vor unseren Augen alles völlig aufgedeckt werden; wir erkennen dann, was alles uns vergeben worden ist, und verstehen dann, wie groß, wie reich und wunderbar die Gnade gewesen ist, die sich uns gegenüber entfaltet hat. Alles, was Gott während unseres Lebens hienieden in Seiner zarten Liebe und väterlichen Fürsorge für uns gewesen ist, wie auch die Vollkommenheit Seiner heiligen Wege mit uns, in welche unser schwaches Wahrnehmungsvermögen jetzt nicht einzudringen vermag, das alles wird dann vor unseren erstaunten Blicken enthüllt werden und unsere Herzen mit Lob und Anbetung erfüllen.
Wie kostbar ist der Gedanke unserer Offenbarung vor dem Richterstuhl Christi, aber auch wie ernst und geeignet, auf unsere Gewissen zu wirken; „denn wir müssen alle. . . geoffenbart werden. . . , auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, . . . es sei Gutes oder Böses.“ Der Gläubige „kommt nicht ins Gericht“, sagt der Herr; Gott wird seiner Sünden nicht mehr gedenken Joh 5,24; Heb 10,17). Der Richter selbst ist es, der die Sünden getragen und die Strafe dafür an unserer Statt erlitten hat. Wie könnte Er Sein eigenes Sühnungswerk zunichte machen! Nur das Gute wird dem Gläubigen wieder vergolten werden und zwar trotz der Tatsache, dass es die Gnade war, die es durch ihn bewirkt hat. Aber dort, vor dem Richterstuhl in Herrlichkeit geoffenbart, werden wir auch erkennen – feierlich ernster Gedanke – was wir durch unsere Untreue alles verloren haben.
Wir vergessen allzu oft, dass wir dem Herrn voll und ganz angehören. Er hat uns um den Preis Seines Blutes erkauft. Er hat dadurch für sich selbst alle Rechte an uns erworben. Wir gehören also nicht mehr uns selbst, sondern Ihm, um in demütigem Gehorsam Ihm zu dienen. Aber viele Stunden gehen leider dadurch verloren, dass wir, anstatt für Christum zu leben und unsere Gedanken bei den Dingen zu haben, die Ihm wohlgefallen und Ihn verherrlichen, an uns selber denken und für uns selber und die sichtbaren Dinge leben. Ja, wie viel Zeit kann vergeudet werden und fruchtlos bleiben, während doch jeder Augenblick unseres Daseins dem Herrn gehört und eine ewige Belohnung fände, wenn er benutzt würde, um Seinen Willen zu tun.
So lasst uns denn „die Gnade Gottes nicht vergeblich“ empfangen, sondern „uns beeifern. . . , ihm wohlgefällig zu sein“.
Der Schwächste der Erlösten wird ebenso völlig dem Bilde des Sohnes Gottes gleichförmig sein wie zum Beispiel ein Paulus; im Blick auf die Belohnung aber wird es große Unterschiede geben. Jeder wird sie entsprechend seiner Treue empfangen. Ein „Becher kalten Wassers“, das „Scherflein der Witwe“, alles, was der Gläubige um Christi willen getan oder gelassen hat – nichts wird verloren sein, nichts wird der Herr vergessen. Der treue Diener, der unter den Blicken Gottes seine bescheidene, ihm zugewiesene Aufgabe unter Selbstverleugnung erfüllt, „von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen“, wird vom Herrn an jenem Tage die Belohnung des Erbes empfangen. Was wird es für den sein, der in dem „Wenigen“, das ihm anvertraut wurde, treu war, wenn er an jenem Tage das lobende Zeugnis seines Herrn vernehmen wird: „Wohl, du guter und treuer Knecht. . . gehe ein in die Freude deines Herrn.“ Und wenn wir in diesen Tagen des Verfalls und Abfalls berufen sind, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, so hat der Gläubige zu seiner Ermunterung jetzt schon die Verheißung: „Dem, der überwindet, dem werde ich . . . geben.“
Immerhin sei daran erinnert, dass der große Beweggrund eines heiligen und treuen Wandels nicht in der Belohnung besteht; die Gnade Gottes, die Liebe Christi und der Wunsch, Ihn zu verherrlichen, ist unser Antrieb.
So ist denn, was unsere Stellung nach Gottes Ratschlüssen anbelangt, die Liebe Gottes mit uns hierin vollendet, dass, gleichwie Er ist, auch wir sind in dieser Welt und dass wir am Tage des Gerichts in Herrlichkeit als solche geoffenbart werden, die Ihm gleich sind. Wir haben für jetzt und für jenen Tag völlige Zuversicht. Der auf dem Richterstuhl sitzende Richter wird in Seinen glücklichen Erlösten Sein eigenes Bild, Seine eigenen Vollkommenheiten erkennen. Er wird in ihnen die Frucht der Mühsal Seiner Seele sehen und gesättigt werden. Und wir? Welch ein Glück, wenn unsere Augen Ihn sehen werden, Ihn, vor dessen Angesicht Fülle von Freuden ist, Ihn, das geschlachtete Lamm, unseren auf immerdar gepriesenen Herrn und Heiland! Dieses Offenbarwerden muss sowohl zu Seiner Verherrlichung wie zu unserer eigenen Glückseligkeit stattfinden.