Behandelter Abschnitt Off 11,3-6
„Und ich werde meinen zwei Zeugen Kraft geben, und sie werden 1 260 Tage weissagen, mit Sacktuch bekleidet. Dies sind die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen. Und wenn jemand sie beschädigen will, so kommt Feuer aus ihrem Mund hervor und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand sie beschädigen will, muss er so getötet werden. Diese haben die Gewalt, den Himmel zu verschließen, damit während der Tage ihrer Weissagung kein Regen falle; und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln, und die Erde zu schlagen mit jeder Plage, sooft sie nur wollen“ (11,3–6).
In den Kapiteln 11–13 finden sich nun Zeitangaben, drei verschiedene für denselben Zeitabschnitt, nämlich dreieinhalb Jahre: 42 Monate, 1 260 Tage, eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit. Sie betreffen den letzten und furchtbarsten Abschnitt der großen Drangsal Jakobs vor dem Erscheinen des Messias in Herrlichkeit. In Daniel 9,24-27 ist die Rede von 70 Wochen von je sieben Jahren, von denen nach Vers 25 bis zum Kommen des Messias 69 Wochen verfließen würden, dann würde der Messias weggetan, d. h. verworfen und getötet werden. Von der letzten siebzigsten Woche ist in Vers 27 die Rede und zwar in Angaben, die bis heute noch nicht eingetroffen, somit noch zukünftig sind. Diese „Jahrwoche“ wird zu laufen beginnen, wenn nach der Entrückung der Ekklesia Israel als Bundesvolk Gottes wieder angenommen sein wird. Für diese Wochenlänge wird Israel sogar seinen „Gottesstaat“ und seinen altgewohnten „Gottesdienst“ wiederhergestellt haben, allerdings noch im Unglauben.
Dies deutet die erste Hälfte von Daniel 9,27 an; die zweite Hälfte aber prophezeit, dass von der Mitte der sieben Jahre an, in den letzten 3 1/2 Jahren, eine furchtbare Veränderung eintreten wird, indem Israel unter den Druck des in der Gunst Satans stehenden Fürsten gerät und der bisherige Gottesdienst unterdrückt und aufgehoben wird.
Nun, eben diese letzte furchtbare Zeit wird mit den drei oben genannten Zeitangaben bezeichnet, von denen jede ihren besonderen, bestimmten Sinn hat. Wenn von der Drangsal selbst und ihrem Urheber die Rede ist, wird die kleine Zahl „42“ genannt, ohne Zweifel im Sinn von 2. Korinther 4,16-18, um auszudrücken, dass die Drangsal zwar schwer, aber im Licht Gottes nicht lange währen wird. Für das machtvolle Zeugnis der treuen Zeugen wird dieselbe Zeit mit 1 260 Tagen angegeben, eine Ermunterung dafür, dass der Beistand und Schutz des Herrn jeden Tag neu in derselben Kraft vorhanden sein wird. „Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“ in Offenbarung 12,14 wollen nebst der Betonung der prophetischen Erfüllung wohl besagen, dass die Fürsorge Gottes für seine Getreuen auch für diesen schwersten Teil der Drangsalszeit garantiert ist.
In dieser dunkelsten Zeit der Weltgeschichte erhält Gott sich außer denen, die im Tempel anbeten, noch ein besonders machtvolles Zeugnis, das keines Feindes Macht überwinden und beseitigen kann, solange Gott es nicht selbst zulässt. Der treue Überrest aus Israel ist schon an sich ein solches; aber Gott erweckt sich dann noch ein besonderes, mit außergewöhnlicher Macht ausgerüstetes Zeugnis, ein eigentliches Gegengewicht zu der Höchstentfaltung der dann bösen satanischen Dreieinheit, die in den nächsten beiden Kapiteln Gegenstand der Prophezeiung sein wird. Denn wie könnte der Herr sein schwaches Zeugnis gerade in der Zeit des größten Druckes der Finsternis ohne besonderen Schutz und stärkenden Rückhalt lassen? Unmöglich! Dieses Zeugnis wird mit besonderer richterlicher Macht ausgerüstet sein, so dass die ganze Macht des Bösen es nicht anzutasten vermag. Nur am Schluss wird der Herr der satanischen Macht einen kurzen Triumph zulassen, aber nur als Gelegenheit zu einer außerordentlichen Kundgebung an die ganze Menschheit von der unbedingten, unter allen Umständen überragenden Macht Gottes (V. 13).
Es werden zwei mächtige Zeugen Gottes auftreten. Die Zahl zwei ist das nach dem Gesetz nötige Minimum für ein rechtsgültiges Urteil (4Mo 35,30; 5Mo 17,6). Dieses Zeugnis wird somit ein vollständiges sein. Diese beiden Zeugen werden mit besonderer Macht ausgerüstet, und, wie damals Mose und Elia, auch richterliche Gewalt ausüben, sogar um den zu töten, der ihnen irgendwie zu widerstehen versucht. Vers 4 vergleicht die beiden mit den Ölbäumen und dem Leuchter in Sacharja 4. Dort werden die Ölbäume und der Leuchter als das Hohepriestertum und das Königtum von Jesus Christus gedeutet, die im messianischen Königreich auch in menschlichen Vertretern sichtbar gemacht werden; in Sacharja ist es der Herr, der beides in seiner Person vereinigt.
Hier in Offenbarung 11 aber ist Priestertum und Königtum noch nicht aufgerichtet; aber die beiden Zeugen vertreten beides als mächtige Propheten. Ihr Zeugnis wird die Verkündigung der nahen Erscheinung des Messias und Königs zum Gericht des Bösen und zur Aufrichtung des längst erwarteten Friedens- und Segensreiches sein und die Rechte und Ansprüche des „Herrn der Erde“ vertreten, dem die Herrschaft der Schöpfung und vor allem diejenige über das Land Israel gehört; es ist sein Erbteil und Besitztum (5Mo 32,9). Auch wird dieses Zeugnis vor allem dazu dienen, den gläubigen Überrest zur Buße und Umkehr zu dem Gott der Väter und zu seinem Sohn und Messias Jesus Christus zu bringen (Sach 1,3; Mal 3,7). Denn auch der Überrest muss zuerst lernen, dass er eine innerliche Erneuerung und tiefe Buße braucht und zuerst seinen Messias, den von den Vätern einstmals verworfenen und gekreuzigten Jesus von Nazareth anerkennen muss (Sach 12,10-14; Mt 24,30), bevor er Ihn in seiner königlichen Herrlichkeit schauen und begrüßen kann. Sacharja 12 zeigt uns den Augenblick der Bekehrung des Überrests, der unmittelbar durch den Anblick seiner Wunden, die Ihm sein Volk geschlagen hat, erfolgt.
Der Schluss von Vers 3 sagt noch, dass die Zeugen mit Sacktuch bekleidet sein werden, womit der äußere Charakter, der asketische Ernst dieses Zeugnisses angedeutet wird. Wir finden dieses bei Johannes dem Täufer, dem mächtigen Bußprediger, wie auch bei Elia, den der Herr selbst mit seinem Herold vergleicht (Mt 17,9-13, vgl. auch die Prophezeiung am Schluss von Maleachi, mit der Aussage, dass Elia zuerst kommen müsse; Mt 17,10). Damit ist allerdings nicht Elia persönlich gemeint, sondern ein Mann gleich ihm; denn Gott der Herr vermag zu allen Zeiten Zeugen zu erwecken und mit Macht und Kraft des Heiligen Geistes auszurüsten).
Zusammengefasst ist das Zeugnis dieser Propheten somit das des messianischen Königreiches (Mt 24,14); dasselbe Evangelium, das Johannes der Täufer und Christus selbst verkündigt haben. Dieses wurde aber vom Volk verworfen, weshalb Israel beiseitegesetzt wurde. Anstelle des Evangeliums des Reiches ist nunmehr das der unumschränkten Gnade getreten, das allen Nationen verkündigt werden soll. Hier aber, nachdem das Gnadenzeitalter durch die Entrückung zu Ende gegangen und Israel wieder gesammelt ist, geht es nicht mehr um eine Gnadenbotschaft, sondern um eine Aufforderung zum Gehorsam und Annahme der Gerechtigkeit Gottes und um den letzten Kampf mit der Macht der Finsternis. Deshalb bezeugt sich die Macht Gottes hier nicht mehr durch Wunder der Gnade, sondern durch Wundertaten des Gerichts (V. 6).