Behandelter Abschnitt Off 2,18
Das Sendschreiben an Thyatira
Thyatira bedeutet Opfernde, Weihräuchernde – recht bezeichnend für die römisch-katholische Kirche, die mit diesem Bild dargestellt wird. Die Stadt Thyatira selbst war eine, durch ihren Purpurhandel berühmte, reiche Handelsstadt in Kleinasien. Von dort stammte Lydia in Philippi, die uns in der Heiligen Schrift als die erste Christin auf europäischem Boden vorgestellt wird (Apg 16,14.15). In Thyatira scheint andrerseits eine herrschsüchtige und verschlagene Frau ihr Unwesen getrieben und die Versammlung in Unruhe gebracht zu haben. Sie hat ihr Vorbild in der Königin Jesabel, der Gattin Ahabs, die einst Israel in große Trübsal gebracht hat und zum Symbol der Großen im römischen Kirchensystem geworden ist.
Es fällt uns auf, dass sich dieses und die folgenden Sendschreiben in ihrem Aufbau von den vorhergehenden wesentlich unterscheiden, indem der Herr von da an einen kleinen, treuen Überrest deutlich vom Gesamtsystem aussondert. An diesen allein richtet sich nun sowohl die Verheißung für den Überwinder, als auch die Ermahnung, hörende Ohren zu behalten. Dem Gesamtsystem der Christenheit hat der Herr nichts mehr zu sagen, als nur noch ein Gerichtsurteil auszusprechen, da dieses ja doch kein Ohr mehr für Ihn hat.
Mit der Ausrufung des Papsttitels im Jahr 606 n. Chr. ist der Charakter der Kirche noch wesentlich gottferner geworden. Hatte sich in Pergamus die Welt in der Kirche breit gemacht, so maßte sich Thyatira umgekehrt die Weltherrschaft mit aller Gewalt und Macht an, wodurch es ein völlig auf das Diesseits gerichtetes Gebilde wurde. Ja, die, die eine Fremde in dieser Welt hätte sein sollen, machte sich zur Herrin über dieselbe.
Anstelle des allein selig machenden Erlösers, Jesus Christus, ist die „Allein selig machende Kirche“ getreten, und anstelle der Hohenpriester- und Sachwalterschaft des Christus, sind diejenigen der Jungfrau Maria, der Heiligen und des Klerus aufgerichtet worden. Das Königtum des Christus ist durch das Königtum der Maria, der so genannten „Mutter Gottes“, und dasjenige des Papstes verdrängt worden. Dieses System hat die hoch gelobte Person des Herrn völlig in den Hintergrund gestellt. Christus hat diesem System darum nichts mehr zu sagen. Er begnügt sich damit, das Böse, das durch Jesabel eingeführt worden ist, ins Licht zu stellen und Thyatira das Gericht anzudrohen.
Thyatira stellt die Entwicklungsgeschichte der Kirche vom Jahr 606 n.Chr. bis zur Reformation dar; sie besteht aber heute noch, und wird in der Frau in Offenbarung 17 zur Reife kommen und ihr furchtbares und restloses Gericht durch das „Tier und die zehn Köpfe“ empfangen.
Diesem veränderten Charakter der Kirche gemäß stellt sich der Herr als der Sohn Gottes vor:
„Und dem Engel der Versammlung in Thyatira schreibe: Dieses sagt der Sohn Gottes, der seine Augen hat wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer“ (2,18).
Er ist der heilige Richter, wie ihn Johannes im ersten Kapitel gesehen hatte. Er ist hier nicht mehr bloß der gründliche Kenner und Erforscher, sondern nunmehr der ausführende Richter. Gerade angesichts seiner Beiseitesetzung durch diese Versammlung betont Er, dass Er doch der von Gott Bestimmte ist, dem Gott selbst alles übergeben hat, sowohl die Erlösung, als auch die Herrschaft und das Gericht. Er muss bei Thyatira viel ernsthaft Böses feststellen, das den Charakter eines göttlichen Zeugnisses völlig verändert hat, wie der Sauerteig das Mehl im vierten Gleichnis in Matthäus 13.