45: „Wähnt nicht", denket ja nicht, bildet euch nicht ein, „daß ich euch beim Vater verklagen werde". Um mich ist es mir bei der Sache gar nicht zu tun, sagt unser Heiland gewissermaßen. Wie manche sind verbittert, weil sie keine Anerkennung finden! Das war der Herr nicht. Ihm war es um die Ehre und den Willen des Vaters zu tun, nicht um die eigne Ehre.
„Es ist einer, der euch verklaget, der Moses, auf welchen ihr hoffet", dessen ihr euch rühmt, und dessen Wort ihr geglaubt habt. Moses führt zu Jesu. Das Gesetz ist bahnbrechend für die Gnade und Moses für Jesum — aber ihr habt Moses nicht geglaubt. Euer Leben beweist das. Er war auch Mittler zwischen euch und Gott, aber ihr habt ihm nicht geglaubt. Er hat von mir geschrieben, auf mich hingewiesen. „Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?" Es geht stufenweise in der Geisteswelt. Man kann da nichts überspringen. Es dürfen in diesem Religionsunterricht keine Lücken sein, sonst wird alles andere fraglich. Eins führt zum andern — tiefer heraus aus aller Gesetzlichkeit, aber dafür auch um so tiefer in Jesum hinein — nicht hinein in Gesetzlosigkeit, sondern hinein in die Gnade, die uns die nötige Ausrüstung gibt, dem Herrn, dem Lamme, nachzufolgen, wohin es geht. Glaubt doch den Worten Jesu; denn es sind Worte, in denen Geist und Leben zirkuliert. Wenn man sich diesen Worten öffnet, so hört alles Fremde, Unlautere auf, weil Sein Wort ein scharfes, zweischneidiges Schwert ist, das zwischen Seele und Geist scheidet und alles umgestaltet. Diesem Worte müssen wir uns anvertrauen, damit wir Geistesmenschen werden — Nachfolger Jesu, Lichteskörper, die Licht und Wärme in eine kalte, tot, dunkle Welt hineinstrahlen.
Ich möchte noch einmal auf den Abschnitt von Vers 40—45 zurückgehen. Vers 40 heißt es: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben haben möchtet." Wenn der Herr die Leute zu sich einlud, so geschah es nicht, weil Er Ehre für sich selbst bei ihnen suchte, sondern damit sie bei Ihm, dem Lebensfürsten, der allein Leben zu geben vermag, Leben fänden. Während wir von Natur versucht sind, die Leute an uns zu ziehen, Liebe, Achtung, Anerkennung bei ihnen zu suchen, hat der Herr Jesus nur Ehre und Anerkennung bei Seinem Vater gesucht, und Er macht frei von solchem Suchen nach Ehre und Ansehen bei den Menschen alle, die sich vom Geiste leiten und erfüllen, vor allem aber in Seinem Blute reinigen lassen von der schmählichen Abhängigkeit von den Kreaturen. Entweder hat man den Blick auf Gott gerichtet und sucht Ihm zu gefallen, es Ihm recht zu machen, oder man sucht Ehre bei den Menschen, und dann ist man verkauft und dem Herrn ist der Weg versperrt. „Ihr habt die Liebe Gottes nicht in euch. Ich bin im Namen meines Vaters gekommen und ihr nehmet mich nicht auf", und doch hatte der Vater den Sohn legitimiert! „Die Werke, die ich getan habe, haben von mir gezeugt." Kein anderer hat solche Werke getan. Der Vater hat dem Sohne Zeugnis gegeben — abgesehen von den Werken, die Er Ihm zu tun gab, indem Er vor aller Welt vom Himmel herab verkündigen ließ: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen", um den Auftrag meines Vaters zu erfüllen, und die Verbindung zwischen der gefallenen Menschheit und dem Vater wieder herzustellen. Er, der Sohn, hatte Macht, die Menschen wieder in Verbindung zu bringen mit dem himmlischen Vater, indem Er Sein Leben in den Tod gab. Wenn jemand den Sohn nicht aufnimmt, so kann er darauf rechnen, daß er anderen Einflüssen anheimfällt. Dann verkauft er sich an die Kreatur. Die kreatürliche Welt mit ihren Lockungen und Drohungen gewinnt Raum, wo sich jemand seinem Gott nicht öffnet und sich nicht unter den Einfluß Seines Wortes und Seiner Autorität stellt. Er allein kann uns der Kreatur gegenüber sicherstelln und uns der Kreatur und den Lockungen und Drohungen der Sichtbarkeit gegenüber die rechte Unabhängigkeit geben.
„Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander sucht, und die Ehre, die bei Gott ist, suchet ihr nicht?" Wir dürfen andere ehren. „Einer achte den andern höher als sich selbst", heißt es im Worte Gottes. Wir dürfen den andern Hochachtung und Liebe entgegenbringen, aber für uns selbst sollen wir nicht Ehre suchen. Gotteskinder geben, ohne dafür etwas für sich selbst zu suchen, und der göttliche, königliche Sinn weist sich darin aus, daß man bereit ist, zu geben, ohne Wiedervergeltung dafür zu beanspruchen. Es wird euch beim Vater im Himmel viel besser vergolten, als Menschen euch vergelten können — wir wollen darum der von oben kommenden Vergeltung Raum lasten und nicht immer gleich Anerkennung und Vergeltung für alles verlangen. „Suchet die Ehre, die von Gott allein kommt" — nicht nebenbei Menschenehre.
„Meint nicht, daß ich euch beim Vater verklagen werde; es ist einer, der euch verklagt — der Moses, auf welchen ihr hoffet." Und doch hätte Jesus allen Grund gehabt, sich zu beklagen, daß die Welt Ihn nicht aufnahm! Er hat es nicht getan. Opferwillig lag Er auf dem Altar Seines Gottes, ohne sich jemals zu beklagen. Der Vater hat Ihn gesandt, und Er hat des Vaters Auftrag ausgerichtet — das hat Ihm genügt, und wenn wir Kinder Gottes sind, so muß es uns auch genügen. Wir sind Königskinder. Königskinder aber haben königliche Gesinnung. Sie gehen nicht betteln um ein Stück Brot, um etwas Anerkennung, Ehre und Berücksichtigung seitens ihrer Mitmenschen.
„Es ist einer, der euch verklagt — der Moses, auf welchen ihr hoffet", dem ihr aber auch nicht glaubt. Er hat ja schon in den ersten Blättern der Schrift von mir geschrieben und gezeugt: „Er" — das ist Jesus — „Er will der Schlange den Kopf zertreten, und sie wird Ihn in die Ferse stechen." „So ihr seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?"