Vers 7: „Der Kranke antwortete Ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, wenn das Wasser sich bewegt, der mich in den Teich lasse; und wenn ich komme, so steigt ein anderer vor mir hinein." So geht es in der Welt — einer sucht dem andern zuvorzukommen und etwas an sich zu reißen. Im Reiche Gottes ist das nicht so; da steht uns nur unser Unglaube im Wege. Das Herz unseres großen Hohenpriesters ist weit offen für alle, die ihre Nöte und Schwierigkeiten auf Ihn werfen — auch die Schwierigkeiten im Familienkreise, in den verwandtschaftlichen Beziehungen usw. Das alles sind Elemente für unsere Erziehung — unserer Statur und Tragkraft genau angemessen und angepaßt. Keiner hat dasselbe Maß wie ein anderer.
Der Gichtbrüchige mußte jemand haben, der ihm ins Wasser half; denn es waren viele da, die noch den ungehinderten Gebrauch ihrer Füße hatten, wenn auch vielleicht ihre Arme gelähmt waren — diese kamen ihm immer zuvor. Offenbar sprudelte der Quell nur einen Augenblick. Der Herr Jesus ist mit Seiner Hilfe nicht an derlei Dinge gebunden — und das beständige Fehlschlagen seiner Hoffnung, das immerwährende Zukurzkommen war bei dem Manne das Mittel in Gottes Hand, um ihn Jesus in die Arme zu treiben.
„Jesus sprach zu ihm: Nimm dein Bett und gehe hin!" Ja, das ist leicht gesagt, hätte der Gichtbrüchige denken können; aber er war mürbe geworden in der langen Krankheit, und als der Herr Jesus ihn ansah und an seinen Willen appellierte, merkte er, daß da Einer war, der nicht nur teilnehmende Fragen stellte, sondern der auch helfen konnte und wollte. Sein Wort machte gesund. Man sagt so leicht, wenn der Herr eine Anforderung stellt: „Das kann ich nicht." O, nicht so reden, sondern sofort gehorchen! Er gehorchte dem Worte Jesu und stand auf — und siehe da — es ging! Es geht immer, wenn der Herr etwas von uns verlangt. „Alsbald ward der Mensch gesund." „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht." Es bedurfte keiner langen Wartezeit. Verzweifle nur einmal an aller anderen Hilfe! Sobald der Herr hat auswirken können, was Er an unserem inneren Menschen auswirken muß, kommt Er mit Seiner Hilfe. Was mochte das sein für den Mann, der achtunddreißig Jahre lang krank gelegen hatte, als er sich plötzlich gesund fühlte und frei über seine Glieder verfügen konnte! Nun hatte er Kraft, das Bett heimzutragen; denn eine gewisse Kraft brauchte er dazu, und vorher wäre es ihm gewiß nicht möglich gewesen. Auf das Wort dessen, dem Sturm und Wetter gehorchen, wird der Mann sofort gesund, handelt wie ein Gesunder und geht wohlgemut seines Weges.
Jetzt bekommt er es aber mit den Juden zu tun, die unzufrieden sind, daß er an einem Sabbat geheilt worden war. Die Ärzte machen doch auch ihre Krankenbesuche am Sonntag oder Sabbat. Warum sollte auch ein Kranker an einem Sabbat nicht geheilt werden dürfen? Ist es doch gerade der Tag des Herrn — der Tag, an dem der Herr zu Seinem Rechte kommen soll — und es handelt sich hier um das Recht des Herrn, der gekommen ist, unsere Krankheit zu tragen und unsere Schmerzen auf sich zu nehmen, und zwar am Sabbat so gut wie an anderen Tagen.
„Da sprachen die Juden zu dem, der gesund war geworden: Es ist heute Sabbat; es ziemt dir nicht, das Bett zu tragen." Da kommen die Menschen, wenn Gott etwas tut, und wollen auch etwas sagen, kritisieren, Einwürfe machen. „Es ist Sabbat", sagen sie vorwurfsvoll, als handelt es sich um eine Verletzung des Gebotes der Sabbatheiligung. Wenn es an innerem Leben fehlt — wenn kein Glaubensleben vorhanden ist, dann soll das durch äußere Satzungen, durch äußerliches Halten der Gebote ausgeglichen werden.
„Der Mann antwortete: Der mich geheilt hat, der sagte zu mir: Nimm dein Bett auf und gehe hin!" „Da fragten sie ihn: Wer ist der Mensch, der?" usw. Die Juden hatten die Frage nicht etwa gestellt, um Jesum kennen zu lernen und um dann in ihren Nöten und Schwierigkeiten innerer und äußerer Art ebenfalls zu Ihm, dem Retter, gehen zu können. O nein — so praktisch waren sie nicht, daß sie zu einer solchen Schlußfolgerung gekommen wären. Ach, wir wollen doch praktisch werden unserem Herrn und Meister gegenüber! Was Er anderen tut, das wollen wir ihnen von Herzen gönnen und uns darüber freuen, aber andererseits wollen wir auch die richtigen, gottgewollten Schlüsse daraus ziehen, sowohl was unsere körperlichen, wie was unsere seelischen Leiden betrifft. Der Geheilte wußte nicht, wer sein Retter war, noch wohin er gekommen. Er war in der Volksmenge verschwunden. Da versammelten sich die Leute um den Mann, aber nur um ihre Neugierde zu befriedigen — nicht etwa, um Gott die Ehre zu geben. Mehr als einmal hat der Herr sich zurückziehen müssen, weil die Volksmenge Ihn zum Könige machen wollte, nachdem Er ihnen die Brote vermehrt oder sonst eine leibliche Hilfe hatte zuteil werden lassen. Diesmal hat Er sich in den Tempel zurückgezogen und findet dort den Geheilten, der offenbar das Bedürfnis empfunden hatte, Gott Dank und Anbetung darzubringen. Das war der Ort, wo er hingehörte — ins Gotteshaus. Dort konnte der Herr ihm die Heilung versiegeln und ihm Seinen Stempel aufdrücken. „Er sprach zu ihm: Siehe zu, du bist gesund geworden. Sündige Hinfort nicht mehr, auf daß dir nicht etwas Ärgeres widerfahre!" Daraus könnte man schließen, daß des Mannes Zustand Folge von Sünde war, wie ja gewisse Sünden diese und jene Krankheit nach sich ziehen — aber keineswegs darf man daraus folgern, daß besondere Heimsuchungen notwendigerweise mit besonderen Sünden verknüpft sein müssen.
Der Mensch geht nach jener Begegnung mit Jesu im Tempel zu den Juden zurück und verkündigt ihnen, daß es Jesus war, der ihn gesund gemacht hatte. Besser wäre es gewesen, er wäre heimgegangen und hatte nachgedacht über das, was Jesus an ihm getan und zu ihm gesagt hatte. Nach Begegnungen mit Jesu ist es besser, man geht in die Stille anstatt in die Öffentlichkeit, wo über dem Geschwätz der Leute die eigne Person leicht in den Vordergrund und der Meister in den Hintergrund tritt.
Vers 16: „Die Juden verfolgten nun Jesum und suchten Ihn zu töten, daß Er solches getan hatte am Sabbat."
Jesus läßt sich nicht durch sie einschüchtern, sondern sagt ruhig: „Mein Vater wirket bisher, und ich wirke auch." Da werden sie erst recht wütend und wollen Ihn töten, weil Er Gott Seinen Vater genannt hatte, abgesehen davon, daß Er ihre selbstaufgestellten Sabbatgebote nicht hielt. Und doch war Er der eingeborne Sohn des Vaters, und als solcher Herr des Sabbats und Wundertäter. Er hat sich durch Seine Werke ausgewiesen als der, der Er war — aber wer sich nicht beugen will, kann auch nicht überzeugt werden. Wer nicht mit sich selbst und mit seiner Vergangenheit brechen will, für den ist alles Licht, das der Herr über ihn aufgehen läßt, umsonst.