„Ich bin es, der mit dir redet", antwortet Jesus. Damit hat Er den letzten Schleier hinweggezogen. Was muß das für das Weib gewesen sein, als der Herr vor sie hintrat als das große Ich? Es gingen ihr die Augen auf und sie lief davon. Ach, wenn uns endlich einmal die Augen dafür aufgehen, daß der lebendige Heiland durch Seinen Geist mit uns redet, dann lassen wir alles liegen und stehen und trinken und trinken, bis wir uns nicht mehr enthalten können, auch anderen lebendiges Wasser mitzuteilen, um ihren Durst zu stillen.
„Jesus aber sprach zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet." Sei dankbar für jede Handreichung, die du von Menschen empfängst im Namen des Herrn, aber sieh in allem die Hand Gottes und gib Ihm die Ehre! Er ist es, der dich heute durch Menschenhand erquickt und dich ein andermal durch Menschenhand schlägt. Schlage dich also nicht mit deinen Mitmenschen herum, sonst wächst, ehe du dich dessen versiehst, eine Wurzel der Bitterkeit auf, welche viele vergiftet — zumeist dich selbst. Wir sind Majestäten, die das Recht haben, mit der oberen Majestät ohne Mittel- oder Zwischenpersonen zu verkehren. „Ich bin es", sagt Jesus, und ein wahrer Gegenwartsmensch ist derjenige, der den Herrn im Geiste als den Gegenwartsmenschen sieht, der jetzt zu ihm reden will — jetzt durch Sein Wort, und ein andermal vielleicht durch schmerzliche Erfahrungen.
Ich möchte noch einmal auf Vers 15 zurückkommen, wo das Weib zum Heiland sagt: „Wohlan, gib mir dasselbige Wasser, auf daß mich nicht dürste, und ich nicht Herkommen müsse, zu schöpfen." Es war das ein Anfang des Waffenstreckens bei ihr; es hat ihr gedämmert, aber wirklich geöffnet waren ihre Augen noch nicht. Ehe das neue Leben ganz bei uns durchbrechen kann, muß es noch einmal durchs Gericht mit uns gehen, muß alles gerichtet werden, was noch nicht gerichtet ist. Johannes hat Buße gepredigt, ehe der Herr Jesus das volle Heil brachte, und dann hat es der Heilige Geist noch in anderer Weise getan. Der Herr Jesus selbst mußte tiefer graben im Brunnen des Weibes — in ihrer Vergangenheit. Er mußte sie durchrichten. Ehe das Wasser rein sprudeln kann, muß die Gerichtssonde bis auf den Grund gehen. Man spricht von Selbstgericht, aber mit dem Selbstgericht kommt man nicht weit. Es müssen da Gott und der Heilige Geist auf den Plan treten — es muß die Stunde kommen, wo Er dir die Vergangenheit in Seinem Lichte zeigt. Der Herr Jesus hat der Frau nichts Neues gesagt, aber sie hatte sich an ihre Vergangenheit gewöhnt und war bisher nie einem Propheten begegnet gewesen, der sie ihr in ihrer ganzen Abscheulichkeit gezeigt hätte. Endlich sagt sie: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist", aber vor dem Propheten stehen bleiben konnte sie nicht. So weit war sie noch nicht. Unwillkürlich lenkte sie nun auf etwas anderes ab und bringt eine Streitfrage aufs Tapet. Ach Weib, es ist etwas viel wichtiger für dich als Aufklärung über solche Streitfragen — es ist viel wichtiger, daß das Schwert des Geistes tief eindringe in deine Seele und deine Vergangenheit richte! Anstatt dem Weib auf die Gebiete zu folgen, auf die sie abzubiegen versuchte, sagt ihr der Herr jetzt die tiefsteinschneidenden Wahrheiten. „Gott ist Geist und die Ihn anbeten, müsst Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten." O, wir wissen gar nie, inwieweit die Seelen reif sind für die tiefsten Wahrheiten, und wieviel Herrliches, Großes man dieser oder jener kaum erweckten Seele bieten kann! Wenn man einerseits die Perlen nicht vor die Schweine werfen soll, soll man sich andererseits auch hüten, diese oder jene Seele ihrer Vergangenheit wegen gering zu achten. Die wahre Anbetung hängt nicht von dem Orte ab, wo man anbetet, sondern von ganz anderem. Das geht aber noch über des Weibes Horizont, und sie läßt die Sache fallen. Da spricht Jesus zu ihr. „Ich bin es" — ich bin der Messias — „Ich, der mit dir redet." Möge es doch dem Herrn gelingen, uns als der Gegenwärtige nahezutreten wie noch nie! Ich bin es, der mit dir redet, um einen neuen Anfang zu schaffen, einen tieferen Grund zu legen, allen Schutt, der noch da ist, völlig wegzuräumen, damit das lebendige Wasser aufsprudeln kann wie frisches Quellwasser einer erretteten Seele, eines durch Durst hindurch freigewordenen Menschengeistes.