Lasst uns nun die drei Gegenstände dieser Belehrung näher betrachten:
Die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnen. Verleugnen heisst erklären, dass man eine Person oder einen Gegenstand, die man einmal kannte, nicht mehr kennt. Petrus ist davon ein Beispiel, als er Jesum verleugnete. Praktisch hat der Christ, durch die Gnade unterwiesen, mit den Dingen der Vergangenheit gebrochen: mit der Verachtung, die er gegen Christum zeigte, und mit der Gleichgültigkeit hinsichtlich seiner Beziehungen zu Gott. Gottlosigkeit heisst: ohne Gott sein in dieser Welt; die Lüste die der Augen und die des Fleisches, und der Hochmut des Lebens – gehören zur Welt und nicht zur neuen Natur. Sowohl das Kreuz Christi als auch die Herrlichkeit Christi sind mit diesen Dingen unvereinbar. Der ganze christliche Wandel, durch die Gnade belehrt, ist zwischen dem Ausgangspunkt des Gläubigen: dem Kreuz – und seinem Endziel: der Herrlichkeit – eingeschlossen. Dieser Wandel ist fortan allem gegenüber fremd, was unser Verhalten fern von Gott gekennzeichnet hatte.
Dass wir besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf.
In dem jetzigen Zeitlauf. Durch die Tatsache, dass Christus «sich selbst für unsere Sünden hingegeben hat», wurden wir «aus der gegenwärtigen bösen Welt herausgenommen» (Gal 1,4). Wir gehören somit nicht mehr der Welt an, sondern sind vom Himmel, eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, aber als Christen sind wir immer in Gefahr, dieser Welt gleichförmig zu sein (Röm 12,2), oder sie sogar zu lieben und so, wie Demas, das Zeugnis Christi zu verlassen (2Tim 4,10). Das will nicht heissen, dass wir nicht «in dem jetzigen Zeitlauf leben müssen», aber jede moralische Verbindung zur Welt muss abgebrochen sein. Wir sind in ihr zurückgelassen, um durch unseren Wandel als Erlöste zu zeigen, dass wir von nun an ganz andere Grundsätze des Wandels und Verhaltens haben als sie.
Besonnen und gerecht und gottselig. Was uns betrifft: besonnen; was unseren Nächsten betrifft: gerecht; was Gott betrifft: gottselig. Das soll unser ganzes Leben kennzeichnen, das sich in diesem jetzigen Zeitlauf abspielt, bis es in dem zukünftigen Zeitalter zu voller Entfaltung kommt.
Die drei Dinge, in denen die Gnade uns hier unterweist, bestimmen das praktische Leben aller Klassen von Gläubigen, von denen dieser Brief handelt. Besonnen: Die Besonnenheit oder Weisheit, die Mässigung in allen Dingen, die Zurückhaltung und Selbstbeherrschung kennzeichnen allein schon in diesem Kapitel die alten Männer und Frauen, die jungen Frauen und die Jünglinge (V. 2–6); in einem Wort: alle, die zusammen das Haus Gottes bilden. Gerecht: Wenn die praktische Gerechtigkeit zuerst darin besteht, der Sünde keinen Eingang in unsere Herzen und Wege zu gewähren, d. h. wenn sie uns gegenüber unserer eigenen Person unerbittlich macht, so haben wir aber auch allen anderen das zu geben, was ihnen zusteht.
Die Gerechtigkeit muss sowohl unsere Beziehungen zu unseren Brüdern wie auch zur Welt regeln, und darin liegt, denke ich, die eigentliche Bedeutung des Wortes «gerecht». So ist es mit allen Punkten in diesem Brief. Die uneigennützige Fürsorge für die anderen, die jedem erwiesene Ehre, gewährleisten die Ordnung in allen Beziehungen der Glieder des Hauses Gottes zueinander.
Gottselig: Wir haben schon im ersten Vers dieses Briefes gesehen, was Gottseligkeit ist, und wie unzertrennlich sie mit der Erkenntnis der Wahrheit verbunden ist. Hier nun ist die Gottseligkeit die erhabenste der drei Eigenschaften. Gottselig leben heisst, die Beziehung unserer Seele zu Gott ununterbrochen aufrecht erhalten, sowohl in der Liebe und Ehrerbietung, als im Gehorsam und der Furcht, Ihm zu missfallen. Diese Dinge haben zu allen Zeiten die Gläubigen gekennzeichnet. Wie oft wird doch die Gottseligkeit in den Briefen an Timotheus empfohlen; wie manchmal werden uns die damit verbundenen Vorzüge und Segnungen vor Augen gestellt! (Siehe 1Tim 2,2; 3,16; 4,7.8; 6,3.5.6.11; 2Tim 3,5.12 ).
Indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus. Auch das ist ein Teil der Unterweisung der Gnade. Sie lehrt uns, das Kommen des Herrn, um uns zu sich zu nehmen, zu erwarten. Wie sollten wir diese Hoffnung nicht glückselig nennen? Sie ist mit keiner Furcht oder Besorgnis vermischt; keine Wolke verdunkelt sie; sie ist für den Erlösten der Triumph und die Krönung der Gnade. Aber für den, der durch die Gnade unterwiesen ist, lässt sich diese Hoffnung nicht von der Erscheinung der Herrlichkeit trennen. Obgleich zwei getrennte Geschehnisse, was ihren Zeitpunkt betrifft, gehören doch beide zum gleichen Ereignis, dem Kommen des Herrn, aber das eine ist Sein Kommen in Gnade, das andere Sein Kommen in Herrlichkeit; das eine ist Sein Kommen für die Heiligen, das andere Sein Kommen mit den Heiligen; das eine Kommen ist sichtbar für die Augen der Erlösten, das andere Kommen sichtbar für die Augen der Welt; das eine ist Sein Kommen zur unaussprechlichen Segnung der Seinigen, das andere Sein Kommen zum unbarmherzigen Gericht über die Welt; das eine ist Sein Kommen, um uns in die himmlischen Örter einzuführen, das andere Sein Kommen, um Seine Herrschaft der Gerechtigkeit und des Friedens auf dieser Erde aufzurichten; das eine Kommen, um uns zu sich zu nehmen, das andere, um uns mit Ihm in Herrlichkeit zu offenbaren.
Die Erscheinung ist die «der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus». Unseres grossen Gottes! Mit welch erhabener Würde, mit welcher Majestät wird der Herr Jesus bei Seiner Erscheinung bekleidet sein! Die Welt wird wehklagen und sich an die Brust schlagen, wenn sie Ihn mit den Wolken kommen sehen wird, aber unsere Herzen werden mit unaussprechlicher Freude erfüllt sein, denn wir werden sagen: Dieser grosse Gott ist unser Gott, dieser grosse Gott ist unser Heiland Jesus Christus. [Beachten wir, dass es in den Versen 12 und 13 sieben Gegenstände der Unterweisung der Gnade gibt. Das ist Fülle von Unterweisung für das praktische Leben und dasVerhalten der Erlösten in dieser Welt.]
Sobald er diesen Namen des «Heilandes» ausgesprochen hat, sieht sich der Apostel in die Gegenwart der Leiden Christi versetzt und betrachtet das praktische Ergebnis des Werkes, das Er vollbracht hat: Der sich selbst für uns gegeben hat, auf dass er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, eifrig in guten Werken.
«Er hat sich selbst für uns gegeben!» Hier sehen wir, was unser Heiland ist, und wohin Ihn Seine Liebe geführt hat! Es ist nicht nur wahr, dass Gott Seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, dass Er Ihn für uns geopfert hat, sondern Jesus hat sich auch selbst hingegeben, ganz hingegeben, für uns. Wie wir sehen werden, haben Sein Tod und Seine Leiden noch andere Ziele; aber hier sind wir das Ziel. Wunderbare Liebe für den, der vor Gott die Tiefe seiner eigenen Entwürdigung erkannt hat! Das ist die Geschichte des Schatzes und der sehr kostbaren Perle (Mt 13). Für den Herrn Jesus sind wir so viel wert, dass Er Sein eigenes Leben gab, um uns zu erwerben. Er hat uns nicht so gesehen, wie wir waren, sondern in den Vollkommenheiten, mit denen Seine Liebe uns bekleiden wollte.
Lasst uns einige andere Stellen anführen, die uns das Ziel Seines Opfers zeigen:
Galater 2,20. «Der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.»
Zusammen mit Titus 2,14 ist diese Stelle vielleicht eine der kostbarsten für unsere Herzen: Er hat sich hingegeben, um wen zu erwerben? Mich, ein einzelner Mensch. Wäre ich allein in der Welt gewesen, hätte Er sich für mich allein bis zum Tod geopfert! In Titus 2 ist es für uns, die Gesamtheit der Erlösten. Er will hier auf Erden ein Volk haben, das Ihm gehört. In Römer 5,8 sehen wir, dass Er für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Wie erhöht doch diese Tatsache die Grösse Seiner Liebe! Als wir nichts als Sünder waren, sah Er in uns schon die Ergebnisse des Werkes, das Er vollbringen würde. Er betrachtete uns im Licht der Erlösung, aber Seine Liebe hat sogar in der Sünde selbst einen Beweggrund gefunden, sich ganz einzusetzen.
1. Korinther 15,3. «Christus ist für unsere Sünden gestorben, nach den Schriften.» Dieses Wort enthält das ganze Evangelium. Das ist der Hauptgrund des Todes Christi. Um uns zu besitzen, musste Er die Frage unserer Sünden regeln.
Galater 3,13. Er ist gestorben, um uns «loszukaufen von dem Fluche des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist.» Können wir es erfassen, dass der Heilige und Gerechte in Seiner Liebe so weit ging, sich mit Verfluchten zu identifizieren?
Galater 1,4. «Der sich selbst für unsere Sünden hingegeben hat, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt.» Ich frage mich, ob wir Christen uns genügend Rechenschaft darüber geben, dass Christus, indem Er starb, um unsere Sünden zu sühnen, das Ziel verfolgte, uns von dieser Welt zu trennen, und ob wir dieses Ziel in unserem ganzen Wandel verwirklichen?Johannes 11,52. «Jesus sollte nicht für die Nation allein sterben, sondern auf dass er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte.» Hier haben wir noch ein anderes Ziel Seines Todes. Er wollte die Seinigen in der Einheit der Familie Gottes hienieden versammeln. Wir sagen «Familie», weil Johannes nicht von der Versammlung spricht, auf die diese Stelle im übrigen ebenso gut angewandt werden kann. Wir müssen auch hier bemerken, dass die Christen dieses Ziel Christi in Seinem Tode kaum mehr anerkennen, als Sein Ziel im ersten Kapitel des Galaterbriefes.
1. Petrus 3,18. «Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten. . . , auf dass er uns zu Gott führe.» Ein unermesslich grosses Resultat Seines Opfers! «Ich habe euch auf Adlers Flügeln getragen, spricht der Herr, und euch zu mir gebracht» (2. Mose 19,4). Und in Johannes 14,6 lesen wir: «Niemand kommt zum Vater, als nur durch mich.»
2. Korinther 5,15. «Und er ist für alle gestorben, auf dass die, welche leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und ist auferweckt worden.» Die Wertschätzung des Todes Christi vernichtet in uns den Egoismus, der immer den Menschen zum Mittelpunkt macht, zum Gegenstand, für den er handelt und zu dem er alles in Beziehung bringt. Alle Dinge, von denen die Punkte 3 bis 7 sprechen, können nur verwirklicht werden, wenn wir ständig den Tod und die Leiden Dessen vor Augen haben, der sich selbst für uns hingegeben hat.
Epheser 5,25-27. «Christus hat die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben.» Er hat dieses Opfer der Liebe vollbracht, um Seine Braut zu erwerben, den teuersten Gegenstand Seines Herzens; und nachdem Er sie erworben hat, reinigt Er sie während der Wüstenreise, damit sie bei dem Eingang in die Herrlichkeit Seiner würdig sei. Trachten die Christen danach, nicht ihre Sekten zu lieben, sondern die Kirche, die Versammlung, weil Christus sie liebt?
Wir wollen nun zu unserem Abschnitt zurückkehren: Indem Er sich selbst hingab, verfolgte der Erlöser drei Ziele:
Das erste war, uns von aller Gesetzlosigkeit loszukaufen. Dieses Ergebnis ist durch die Erlösung ein für allemal erreicht worden, wogegen das Werk der täglichen Reinigung, das dazu bestimmt ist, die unterbrochene Gemeinschaft mit Gott wieder herzustellen, während unseres ganzen Wandels hienieden wiederholt werden muss: «Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.» Gott kann dies tun, weil Christus alle unsere Sünden am Kreuze gesühnt hat.
Das zweite Ziel ist, sich selbst ein Eigentumsvolk zu reinigen. Dieses Volk hat Er sich durch Sein Opfer erworben. Die Reinigung, von der hier die Rede ist, hat ein für allemal durch Sein Wort stattgefunden, aber dieses Eigentumsvolk, für das Er sich selbst hingegeben hat, will Er für sich selbst haben, wie es durch Sein Werk geschehen ist, und wie Seine Heiligkeit es verlangt. Wie dieser Abschnitt uns zeigt, geschah dieses ganze Werk, um hienieden eine Familie zu bilden, ein Volk für Gott, eine Braut für Christum.
Sein drittes Ziel ist, dass dieses Eigentumsvolk eifrig in guten Werken sei. Wir haben den Gegenstand der guten Werke schon behandelt und werden noch Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen. Aber aus diesem Abschnitt geht hervor, dass der Herr mit der Erlösung bezweckt, Eifer und wirksame Tätigkeit im praktischen Leben Seiner Geliebten zu sehen. Entspricht unser Eifer diesem Wunsch Seines Herzens, oder muss der Herr nicht vielmehr auch zu uns, wie zu Laodicäa sagen: «Sei nun eifrig und tue Busse!»?
«Dieses rede und ermahne und überführe mit aller Machtvollkommenheit. Lass dich niemand verachten» (V.15).
In diesem letzten Vers unseres Kapitels wird der Dienst des Titus zusammengefasst. Er musste von diesen Dingen reden (2,1), ermahnen (2,6), zurechtweisen (1,13). Die Autorität zu gebieten, die Titus gegeben war, sollte seinen Dienst inmitten dieses bösen, lügnerischen und faulen Geschlechts der Kreter charakterisieren. Es gibt Fälle, wo nur ein Handeln in gottgemässer Autorität, ausgeübt durch die, welche der Herr dazu bestimmt hat, die Ordnung in Seinem Hause aufrechtzuerhalten, imstande ist, die Flut des Bösen einzudämmen. Das will nicht sagen, dass «gebieten» die Hauptaufgabe sei. Durch Sanftmut, Gnade, Beistand und Liebe werden die Herzen gewonnen; das Handeln mit Autorität hält das Böse zurück.
Der Herr selbst gebot mit Autorität den wilden Wellen des Sees, befahl mit Autorität den unreinen Geistern, aber das war nicht die wesentliche Seite Seiner Tätigkeit, so wenig wie die des Dienstes des Titus, des Beauftragten des Apostels. «Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig», hat der Herr gesagt. Sein Charakter, als wahrer Diener, ist nicht nur «durch sein Schelten das Meer auszutrocknen», sondern «den Müden durch ein Wort aufzurichten» (Jes 50,2.4). Was Titus betrifft, war er nicht nur wegen der Umgebung, in der er berufen war, tätig zu sein, ein besonderer Fall, sondern auch wegen seines Alters. Wahrscheinlich war er, wie Timotheus, noch jung, und deshalb war es besonders wichtig, dass sein Verhalten keinen Anlass zu Verachtung gab, die auf das Wort Gottes, das ihm anvertraut war, zurückgefallen wäre. Darum fügt der Apostel hinzu: «Lass dich niemand verachten» (siehe auch 1Tim 4,12).