Behandelter Abschnitt Mal 1,6-8
Nachdem Gott diese beiden Grundsätze festgestellt hat, – einerseits Seine Liebe und Seine Wahl der Gnade, anderseits Seine Gerechtigkeit und Heiligkeit, die das Böse nicht ungestraft lassen kann, – geht Er nun auf den gegenwärtigen Zustand des Volkes, das Er geliebt hatte, ein. Hatte Israel sich dieser Liebe entsprechend verhalten, oder hatte es vielmehr Gericht verdient? Das werden wir in Kapitel 1,6 – 2 sehen
Der einzige Unterschied zwischen Israel und Edom ist der, dass es in Israel einen Überrest nach Wahl der Gnade geben wird. Dieser Überrest wird ein Beispiel davon sein, wie Gott seinen Hass gegen die Sünde und Seine Liebe zu dem Sünder zu vereinbaren weiß. Nun, wir wissen, dass das Kreuz Christi der einzige Ort ist, wo die Gerechtigkeit Gottes sich darin offenbart, dass sie den Sünder rechtfertigt, anstatt ihn zu verdammen.
Wenden wir uns jetzt wieder dem Propheten Maleachi zu. Wir wollen zunächst den sittlichen Zustand Israels, das so viele Vorrechte besaß untersuchen. Kapitel 1,6 – 2,9 beschreibt den Zustand des Priestertum dann finden wir in Kapitel 2,10 – 17 den des Volkes.
Der Priester war zugleich der Mittler zwischen Gott und dem Volk und der Vertreter des Volkes vor Gott; aber hier hat er mehr den Charakter eines Menschen, der Gottesdienst ausübt. Wenn das Volk aufmerksam auf die Stimme des HERRN gehört hätte, wäre es insgesamt ein „Königreich von Priestern und eine heilige Nation“ geworden. (2. Mose 19,6). Statt dessen aber hat Israel am Fuß des Sinai mit seiner ersten Tat unter Verantwortung, der Errichtung des goldenen Kalbes, jedes Recht verloren, diesen Dienst auszuüben.
Gott prüfte Sein Volk dann mit großer Geduld. Aber es stellte sich nun heraus, dass es seine verloren gegangenen Vorrechte auf dem Boden der Verantwortung nicht zurückgewinnen konnte. Darauf schuf Gott ein neues allgemeines Priestertum, indem Er Seine Versammlung für Sich absonderte. Hat nun deren praktische Offenbarung dem ihr anvertrauten Priestertum entsprochen? Die Geschichte der bekennenden Christenheit gibt darauf eine eindeutig negative Antwort. Trotzdem behauptet sie, durch ihren Gottesdienst in Verbindung mit Gott zu stehen. Sie führt zwar den Namen Gottesdienst im Munde, hat dessen Bedeutung aber völlig vergessen. Selbst die Gläubigen in ihrer Mitte legen dieselbe Unkenntnis an den Tag. Ohne Zweifel sind sie in den Augen Gottes tatsächlich alle Priester, aber sie verwirklichen das nicht mehr in der Praxis. Israel ist also nicht das einzige Beispiel von Unwissenheit über die Verehrung, die Gott rechtmäßigerweise von Seinem Volk erwarten kann.
Wenn auch die hier erwähnten familiären Beziehungen damals wie heute lockerer wurden, ließ man es doch noch gelten, dass der Sohn seinen Vater ehren und der Knecht seinen Herrn fürchten sollte. Nun, Gott war Vater und Herr zugleich. Aber die Priester verachteten Seinen Namen und fragten dabei noch: „Womit haben wir deinen Namen verachtet?“ Gott antwortet ihnen: „Ihr bringt unreines Brot auf meinem Altar dar und doch sprecht ihr: Womit haben wir dich verunreinigt? Damit, dass ihr sagt: der Tisch des HERRN ist verächtlich.“ Ihre Frage war symptomatisch für die Unkenntnis, die wir soeben erwähnt haben: Unkenntnis des Charakters Gottes, dessen, was sie Ihm schuldig waren, und Unkenntnis der Schuld, die sie auf sich geladen hatten.
Wenden wir diese Verse auf das an, was in der bekennenden Christenheit geschieht! Sie gibt vor, Gottesdienst auszuüben und das Abendmahl zum Gedächtnis an das Opfer Christi zu feiern. Was wird aber damit verbunden – Reinheit oder Verunreinigung? Sind es Sünder oder von ihren Sünden gereinigte Heilige, die sich dort einfinden? Und dort sagt man: Womit haben wir Deinen Namen verunreinigt, oder womit haben wir Dich entweiht? Haben wir damit Böses getan? Haben wir nicht unsere religiösen Pflichten genau erfüllt? „Damit, dass ihr sagt“, antwortet Gott, „Der Tisch des HERRN ist verächtlich!“ Das will nicht sagen, dass diese Worte tatsächlich ausgesprochen werden; aber ihre Taten beweisen, welchen Wert sie dem HERRN und Seinem Tisch beimessen. „Und wenn ihr Blindes darbringt, um es zu opfern, so ist es nichts Böses; und wenn ihr Lahmes und Krankes darbringt, so ist es nichts Böses. Bringe es doch deinem Landpfleger dar: wird er dich wohlgefällig annehmen, oder Rücksicht auf dich nehmen? spricht der HERR der Heerscharen“ (Vers 8). Was bietet der religiöse Mensch aller Zeiten Gott an, und was tut er für Ihn? Er tut in der Öffentlichkeit Werke, die ihn in der Augen der Menschen ehren. Das Pharisäertum, sei es jüdisch oder christlich, hat nur diesen Beweggrund. Die Menschen reden aufgrund der guten Werke über ihn – aber was kann jemand, der Gott nicht kennt, Ihm im Verborgenen anderes darbringen als „ein krankes Tier“?