Obad 16: Denn wie ihr getrunken habt auf meinem heiligen Berg, so werden beständig trinken alle Nationen; ja, sie werden trinken und schlürfen und werden sein wie solche, die nie gewesen sind (vgl. Jer 49,12).
Diese Nationen hatten sich schon gefreut über den Sieg über Jerusalem, aber vergessen, dass sie sich auf dem heiligen Berg des HERRN befanden. Der HERR hat seine Verheißungen nie aufgegeben, trotz des Ungehorsams seines Volkes. Für Gott ist Zion immer sein heiliger Berg gewesen. Hätte Er ihn vergessen können, Er, der seinen König auf dem heiligen Berg Zion salben wollte (Ps 2,6)? Welcher Frevel, auf diesem heiligen Berg sich zu betrinken, wo der König der Herrlichkeit sich offenbaren wird, wenn die Tore ihre Häupter erheben und die ewigen Pforten sich erheben, damit der König der Herrlichkeit einziehe (Ps 24,7)! Edom und Babylon hatten dort getrunken, aber Gott hat ihnen ein Getränk bereitet, das sie unaufhörlich werden trinken müssen. Und sie werden trinken und schlucken, trinken und schlucken – den Kelch des Zornes Gottes. Dann werden sie verschwunden sein, sind vernichtet, als hätten sie nie existiert. Der Psalmist begriff es, als er „in die Heiligtümer Gottes [hineinging] und jener Ende gewahrte“. Dann sagt er weiter: „Gewiss, auf schlüpfrigen Grund stellst du sie, stürzt sie hin zu Trümmern. Wie sind sie so plötzlich verwüstet, haben ein Ende genommen, sind umgekommen durch Schrecknisse! Wie einen Traum nach dem Erwachen wirst du, Herr, beim Aufwachen ihr Bild verachten“ (Ps 73,17-20).
Die Befreiung Israels
Obad 17: Aber auf dem Berg Zion wird Errettung sein, und er wird heilig sein; und die vom Haus Jakob werden ihre Besitztümer wieder in Besitz nehmen.
Dieser Berg, der von den Nationen und speziell von dem gottlosen Edom entweiht worden war, wird nicht mehr ein Ort sein der Versklavung und Gefangenschaft, sondern ein Ort der Befreiung. Dann wird man sehen, dass Gott diesen Berg mit Heiligkeit schmücken kann, trotz aller eigenen Verschmutzung und der durch die Heiden. Und wie kann denn Jerusalem, dieser unreine Ort, geheiligt werden? Durch das Sühneblut Jesu, so jeder Einzelne von uns. Das wahre Israel wird für immer erkauft sein durch das Blut des Lammes, wie sinnbildlich damals das Volk beim Auszug aus Ägypten erkauft wurde. Es geschieht auch kraft des vergossenen Blutes auf dem Berg der Gnade, auf Zion, dass in Jerusalem die Königsherrschaft errichtet wird. Sodann wird das Haus Jakob (ganz Israel repräsentiert durch Juda) seinen Besitz einnehmen. Auf diese Weise wird das Wort in Erfüllung gehen, das David in den Munde Jesu und Israels legt: „Auf Edom will ich meine Sandale werfen … wer wird mich bis nach Edom leiten? Nicht du, Gott, der du uns verworfen hast und nicht auszogest, o Gott, mit unseren Heeren?“ (Ps 108,10-12). Zu dieser Zeit wird Israel seinen Besitz einnehmen und völlig in sein Erbteil einziehen, bis zu den äußersten Grenzen, die der HERR ihm bestimmt hatte seit ewigen Zeiten (Jos 1,4).
Gemeinsames Auftreten von Juda und Ephraim gegen Edom
Obad 18: Und das Haus Jakob wird ein Feuer sein und das Haus Joseph eine Flamme, und das Haus Esau wird zu Stoppeln werden; und sie werden unter ihnen brennen und sie verzehren. Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben, denn der HERR hat geredet.
Hier findet man die Vereinigung der beiden Königreiche – bereits vorhergesagt in vielen Schriftstellen –, die damals infolge Salomos Untreue getrennt wurden. Das Stück Holz von Juda und das Stück Holz von Joseph, früher getrennt, sind jetzt nur noch ein Holz in der Hand des HERRN (Hes 37,15-17; Sach 11,7-14). Das Haus Jakob (Israel durch Juda repräsentiert) und das Haus Joseph (Israel durch Ephraim repräsentiert) haben dann einen gemeinsamen Auftrag. Sie werden Edom verschlingen und keinen Einzigen übriglassen. Das ist die Verordnung des HERRN gegen dieses ruchlose Volk, das Ihn verachtet hatte. Dieses gewalttätige Volk, das aus Hass gegen seinen Bruder Jakob das Erbgut an sich reißen wollte – obwohl es ihm verwehrt worden war –, widersetzte sich der Entscheidung Gottes, der Jakob aus Gnaden erwählt hatte. Dieser Sieg der Kinder Israel über Edom wird uns in Jesaja 11,13.14 beschrieben. Alle Nationen werden durch das Volk des HERRN geplündert, Edom als Erstes. In Jeremia 49 können wir lesen, dass die Gefangenen von Ammon und Moab wiederhergestellt werden – aber nichts dergleichen wird mit Edom geschehen. Genauso wird es auch den Philistern ergehen, wenn auch vielleicht in etwas kleinerem Umfang (Amos 1,8; Sach 9,6.7).
Vollstreckung des Urteils durch den HERRN selbst
Die Zerstörung Edoms durch Israel muss unterschieden werden von der Vollstreckung des Urteils durch den HERRN selbst. In Jesaja 34,1-8 ergießt der HERR seinen Zorn im Land Edom über das ganze Heer der Nationen, obwohl auch Edom seinen Teil abbekommt (Jes 34,5): „Denn der HERR hat einen Tag der Rache, ein Jahr der Vergeltungen für die Rechtssache Zions“ (Jes 34,8). In Jesaja 63,1-6 handelt es sich um die Vernichtung der Heere der Nationen in Edom, durch Ihn allein: „Denn der Tag der Rache war in meinem Herzen, und das Jahr meiner Erlösung war gekommen“ (Jes 63,4). Nach Offenbarung 19,11-16 kommt Er vom offenen Himmel, gefolgt von den himmlischen Heerscharen. Er allein wird die Nationen schlagen mit dem zweischneidigen Schwert, das aus seinem Munde kommt. In Offenbarung 14,19.20 ist von derselben Vergeltung die Rede, die auf das abgefallene Volk der Juden in Palästina fällt. All diese Gerichte werden allein vom HERRN ausgeübt. Dem Sieg über die Armee der Völker folgt das Gericht im Tal Josaphat, allein von
Ihm ausgeübt, Ernte und Weinlese zusammen (Joel 3; vgl. Off 14,14-20). In Matthäus 25,31-46 schließlich steht, dass alle Nationen versammelt sein werden vor dem Menschensohn, der auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt. Auch hier ist es wieder Er allein, der sie ganz individuell richtet, je nachdem wie sie seine jüdischen Brüder behandelt haben, Botschafter des Evangeliums vom Königreich.
Juda besitzt Edom
Das Gericht über Edom durch Israel ist viel eingeschränkter. Davon wird gesagt in Hesekiel 25,12-14: „So spricht der Herr, HERR: Weil Edom mit Rachsucht gegen das Haus Juda gehandelt hat und sie sich sehr schuldig gemacht haben, indem sie sich an ihnen rächten, darum, so spricht der Herr, HERR, werde ich meine Hand gegen Edom ausstrecken und Menschen und Vieh aus ihm ausrotten; und ich werde es von Teman an zur Einöde machen, und bis nach Dedan hin werden sie durchs Schwert fallen. Und ich werde meine Rache über Edom bringen durch die Hand meines Volkes Israel“ (Hes 25,12-14). Bei Obadja geschieht dieses Gericht einzig in Bezug auf das Erbgut Israels, das Edom sich aneignen wollte. Alle so oft wiederholten Anspielungen auf die Makkabäer durch Kommentatoren, die das Ziel und die Reichweite der Prophetie verkennen, sind bei diesen Tatsachen hinfällig. Bei der Vergeltung am Tag des HERRN, wenn der Messias für sein wiederhergestelltes Volk streitet, wird ganz Israel sein Erbe wiedererhalten. So erfüllt sich die Aussage in Obadja 17: „Und die vom Haus Jakob werden ihre Besitzungen wieder in Besitz nehmen.“