Behandelter Abschnitt 5. Mose 31,19-30
Ein Loblied als Zeugnis für Israel
Ernst sind auch die Worte, die wir in den folgenden Versen (19–21) lesen. Anstatt dass die Kinder Israel vor allen Nationen ein Zeugnis für den Herrn waren, wurde das Lied Moses ein Zeugnis für den Herrn gegen sie. Sie sollten seine Zeugen sein und seinen Namen und sein Lob in dem Land verkünden, in das Er sie in seiner Treue und unumschränkten Gnade einführen wollte. Aber sie haben darin ganz und gar versagt, und deshalb musste angesichts dieser demütigenden Tatsache ein Lied aufgeschrieben werden, das einerseits die Herrlichkeit Gottes hervorhob, andererseits aber Israels bedauernswerte Fehler in jedem Abschnitt seiner Geschichte schilderte. „Und Mose schrieb dieses Lied an jenem Tag auf, und er lehrte es die Kinder Israel. Und er gebot Josua, dem Sohn Nuns, und sprach: Sei stark und mutig! Denn du sollst die Kinder Israel in das Land bringen, das ich ihnen zugeschworen habe; und ich will mit dir sein“ (V. 22.23).
Josua sollte sich durch die vorausgesagte Untreue Israels nicht entmutigen oder zaghaft machen lassen. Er sollte wie sein großer Vorgänger stark im Glauben sein, Gott die Ehre geben und, gestützt auf den Arm des Herrn, des Bundesgottes Israels, in fröhlichem Vertrauen auf sein Wort vorangehen. Er sollte sich durch seine Widersacher nicht erschrecken lassen, sondern an der Versicherung festhalten, dass der Gott Abrahams seine Verheißung erfüllen und seinen Namen in der Wiederherstellung und ewigen Segnung seines auserwählten Volkes verherrlichen würde, mochte dieses auch noch so sehr im Gehorsam fehlen und sich daher selbst unter das Gericht bringen.
Alles das erscheint in dem Lied Moses mit Lebendigkeit und Kraft, und Josua hatte im Glauben daran seinen Dienst auszuüben. Er sollte nicht auf die Wege Israels sehen, sondern auf die ewige Festigkeit des mit Abraham geschlossenen göttlichen Bundes. Seine Aufgabe war es, Israel durch den Jordan hindurch in das schöne Erbteil einzuführen, das nach Gottes Vorsatz für sie bestimmt war. Hätte Josua auf Israel gesehen, dann hätte er sein Schwert in hoffnungsloser Verzweiflung in die Scheide stecken müssen. Aber nein, er sollte sich stärken in dem Herrn, seinem Gott, und seinen Dienst in der Energie eines Glaubens ausüben, der ausharrt, als sähe er den Unsichtbaren. Ein wertvoller Glaube, der Gott die Ehre gibt und die Seele über alle Schwierigkeiten erhebt! Er allein kann uns befähigen, den uns umringenden Schwierigkeiten und feindseligen Einflüssen entgegenzutreten und unseren Lauf mit Freuden zu beenden.
Der Rest des Kapitels erinnert uns an die Abschiedsworte des Apostels Paulus an die Ältesten zu Ephesus: „Ich weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. Und aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her. Darum wacht, und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden mit Tränen zu ermahnen. Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das vermag, aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten“ (Apg 20,29-32).
Der Mensch ist überall und immer derselbe. Seine Geschichte ist befleckt von Anfang bis Ende. Aber welchen Trost und welche Erleichterung gibt der Gedanke dem Herzen, dass Gott immer derselbe bleibt, und dass sein Wort „feststeht in den Himmeln!“ (Ps 119,89). Es war in der Bundeslade verborgen und blieb dort trotz der schrecklichen Sünden und Torheiten des Volkes unversehrt bewahrt. Das gibt dem Herzen zu allen Zeiten Ruhe, selbst angesichts der menschlichen Fehler, des Verderbens und Verfalls dessen, was den Händen des Menschen anvertraut worden ist. „Das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit“ (Jes 40,8), und während es einerseits ein wahres und ernstes Zeugnis gegen den Menschen und seine Wege ablegt, gibt es uns andererseits die wertvolle und beruhigende Versicherung, dass Gott über allen Sünden und Torheiten des Menschen steht, dass seine Quellen unerschöpflich sind und dass der Augenblick sich nähert, wo seine Herrlichkeit unverhüllt hervorstrahlen und den ganzen Schauplatz erfüllen wird.