Behandelter Abschnitt 5. Mose 13,6-11
Anstiftung zum Bösen durch einen nahestehenden Menschen
Im zweiten Abschnitt unseres Kapitels (V. 6–11) wird das Volk Gottes vor einer anderen List des Feindes gewarnt.
Hier ist nicht von falschen Propheten oder Träumern die Rede. Gegen deren Einfluss mögen Tausende standhaft bleiben, während sie der Macht der natürlichen Zuneigungen zum Opfer fallen. Es ist nicht leicht, diesen zu widerstehen und erfordert völlige Hingabe, ein einfältiges Auge und einen festen Herzensentschluss, um den Gegenständen unserer Liebe treu zu bleiben. Die Verwerfung eines falschen Propheten oder Träumers, mit dem man nicht durch persönliche Beziehungen verbunden ist, steht in keinem Vergleich zu der Schwere der Probe, die sich aus der Aufforderung ergibt, der eigenen Frau, dem Bruder, der Schwester oder dem vertrauten Freund gegenüber entschieden zu widerstehen. Trotzdem darf man keine Nachsicht walten lassen, sobald die Ansprüche Gottes, Christi und der Wahrheit auf dem Spiel stehen. Will jemand die natürlichen Zuneigungen benutzen, um uns von der Nachfolge Christi abzuhalten, so müssen wir mit aller Energie widerstehen. „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,26).
Selbstverständlich wollen diese Worte nicht sagen, dass wir „ohne natürliche Liebe“ sein sollen. Im Gegenteil, Gott hat Selbst natürliche Beziehungen zwischen den Menschen eingesetzt, und jede von ihnen hat ihre charakteristischen Zuneigungen, deren Ausübung in wunderbarer Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes steht. In den verschiedenen Briefen hat der Heilige Geist Belehrungen an Männer und Frauen, Eltern und Kinder, Knechte und Herren gerichtet, durch die Er diesen Beziehungen und den damit verbundenen Rechten und Pflichten den Stempel der göttlichen Bestätigung aufdrückt. Lukas 14 und 5. Mose 13 finden also nur dann Anwendung, wenn diese Beziehungen und Zuneigungen den Ansprüchen Gottes und Christi hindernd im Weg stehen. Dann müssen sie verleugnet und in den Tod gegeben werden.
Wir sehen im Leben des einzig vollkommenen Menschen, der je auf dieser Erde lebte, wie angemessen Er den verschiedenen Ansprüchen entsprach, die an ihn als Mensch und Diener herantraten. Er sagte zu seiner Mutter: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?“ (Joh 2,4) und trotzdem konnte Er zur geeigneten Zeit die zärtlichste Fürsorge für sie an den Tag legen, als Er sie der Obhut des Jüngers, den Er liebte, anvertraute. Er sagte zu seinen Eltern: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49b) und doch ging Er mit ihnen und unterwarf sich ihrer elterlichen Gewalt in allem. So zeigen uns die Lehren der Heiligen Schrift und die Wege Christi in den Tagen seines Fleisches, wie wir den Ansprüchen der Natur und denen Gottes gerecht werden können.
Aber vielleicht findet jemand es schwierig, die Handlungsweise, die den Israeliten in unserem Kapitel eingeschärft wird, mit einem Gott der Liebe und mit der im Neuen Testament gebotenen Gnade und Güte zu vereinbaren.