Behandelter Abschnitt 5. Mose 9,1-3
Nicht weil Israel besser ist, gibt Gott ihnen das Land
Die Söhne der Enakim, ein Volk der Riesen
„Höre, Israel! Du gehst heute über den Jordan, um hineinzukommen, Nationen in Besitz zu nehmen, größer und stärker als du, Städte, groß und befestigt bis an den Himmel, ein großes und hochgewachsenes Volk, die Söhne der Enakim, die du ja kennst, und von denen du ja gehört hast: Wer kann vor den Kindern Enaks bestehen?“ (V. 1.2).
Dieses Kapitel beginnt mit einem Ausdruck, der das ganze fünfte Buch Mose kennzeichnet: „Höre, Israel!“ Er gibt gleichsam den Grundton dieses Buches und vor allem jener Eingangsreden an, die uns bereits beschäftigt haben. Das vor uns liegende Kapitel enthält besonders wichtige Dinge. Zunächst stellt Mose mit ernsten Worten der Gemeinde vor, was sie bei ihrem Eintritt in das Land zu erwarten habe. Er verhehlt ihnen nicht, dass sie auf ernste Schwierigkeiten und furchtbare Feinde treffen würden. Er tat das nicht, um sie zu entmutigen, sondern um sie vorher zu warnen, damit sie auf alles vorbereitet und gerüstet wären. Worin diese Vorbereitung bestand, werden wir noch sehen. Der treue Diener Gottes fühlte, dass es recht, ja, dringend nötig war, seinen Brüdern die wirkliche Sachlage vorzustellen.
Es gibt zwei verschiedene Arten, sich mit Schwierigkeiten zu beschäftigen. Man kann sie vom menschlichen und vom göttlichen Standpunkt aus betrachten, im Geist des Unglaubens oder mit ruhigem und stillem Vertrauen auf den lebendigen Gott. Vom einen liefern uns die ungläubigen Kundschafter (4Mo 13), vom anderen der Anfang des vorliegenden Kapitels ein Beispiel.
Zu leugnen, dass Schwierigkeiten vorhanden sind, ist nicht Glaube, sondern Torheit oder Anmaßung und fleischliche Schwärmerei. Nie sollte man blindlings einen Weg gehen, auf den man nicht vorbereitet ist. Der Faule spricht: „Ein Löwe ist auf dem Weg“. Der Schwärmer meint: „Für mich gibt es weder Gefahren noch Schwierigkeiten!“ Ein glaubender Mensch spricht dagegen: „Ob auch tausend Löwen auf dem Weg wären, Gott ist mächtig genug, sie in einem Augenblick zu vernichten“.
Aber doch ist für alle, die des Herrn sind, der allgemein gültige und praktische Grundsatz sehr wichtig: ruhig und gründlich zu erwägen, was sie zu tun vorhaben, bevor sie irgendeinen Weg des Dienstes betreten oder eine Tätigkeit beginnen. Würde das mehr beachtet, so würden wir nicht so viel Schiffbruch in sittlicher und geistlicher Beziehung um uns her feststellen (vgl. auch Lk 14,26-30).
Wie viele unvollendete Gebäude begegnen uns, wenn wir das weite Feld des christlichen Bekenntnisses betrachten! Sie geben dem Beschauer Anlass zum Spott! Wie viele haben nur durch einen plötzlichen Impuls oder durch den Druck eines rein menschlichen Einflusses den Weg eines Jüngers Christi eingeschlagen, ohne die ganze Bedeutung dieses Schrittes verstanden und genügend erwogen zu haben! Gab es dann Schwierigkeiten, zeigte sich der Weg schmal, einsam und unbequem, so gaben sie ihn auf und bewiesen damit, dass sie nie wirklich die Kosten überschlagen, noch den Weg in Gemeinschaft mit Gott begangen oder überhaupt jemals verstanden hatten, was sie taten.
Solche Fälle sind sehr traurig. Sie bringen große Schmach auf die Sache des Herrn, geben dem Widersacher Anlass zur Lästerung und entmutigen die, die um die Ehre Gottes und das Wohl der Seelen besorgt sind. Es ist viel besser, nie den Weg eines Jüngers Christi zu betreten, als, nachdem man es getan hat, ihn im Unglauben und in weltlicher Gesinnung wieder zu verlassen.
Es ist daher nicht schwer, die Weisheit und Wahrheit der Anfangsworte unseres Kapitels zu verstehen. Mose sagte den Israeliten offen und ehrlich, was ihnen bevorstand, um sie dadurch vor jedem Selbstvertrauen zu bewahren, das im Augenblick der Prüfung immer zusammenbrechen wird. Sie sollten sich auf den lebendigen Gott stützen, der ein Herz, das auf ihn vertraut, nie beschämen wird. „So erkenne heute, dass der Herr, dein Gott, es ist, der vor dir her hinübergeht, ein verzehrendes Feuer; er wird sie vertilgen, und er wird sie vor dir beugen, und du wirst sie vertreiben und sie schnell vernichten, so wie der Herr zu dir geredet hat“ (V. 3).
Das ist die göttliche Antwort auf alle Schwierigkeiten, so unüberwindlich sie auch scheinen mögen. Was sind mächtige Nationen und große Städte, wenn der Herr gegenwärtig ist? Nichts als leichte Spreu im Wind. „Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?“ (Röm 8,31). Das, was ein furchtsames Herz mit Angst und Schrecken erfüllt, wird eine Gelegenheit für die Entfaltung der Macht Gottes und für die herrlichen Triumphe des Glaubens.