Mose darf nicht nach Kanaan
Die Schlussverse unseres Kapitels enthalten noch wichtige Belehrungen für uns. Es wird uns gezeigt, wie Gott in seiner Regierung handelt. Mose spricht von der Ursache, warum er nicht in das Land der Verheißung eintreten durfte: „Auch gegen mich erzürnte der Herr euretwegen und sprach: Auch du sollst nicht hineinkommen“ (V. 37).
Beachten wir das Wort „euretwegen“! Die Gemeinde musste daran erinnert werden, dass sie die Schuld trug, wenn Mose, dieser geehrte Diener Gottes, den Jordan nicht überschreiten und das gelobte Land nicht betreten durfte. Allerdings hatte er „unbedacht“ geredet, als das Volk seinen Geist gereizt hatte (Ps 106,33). Sie hatten sich selbst durch den Unglauben des Vorrechts beraubt, in das Land zu kommen, und waren auch verantwortlich für seinen Ausschluss, obwohl Mose so sehr danach verlangte, „dieses gute Gebirge und den Libanon“ zu sehen (Kap. 3,25).
Die göttliche Regierung ist eine ernste Wirklichkeit. Der Mensch mag sich wundern, wie einige unbedachte Worte, eine übereilte Äußerung die Ursache sein konnten, dass der treue Knecht Gottes das Land nicht sehen durfte. Doch es geziemt uns, in Anbetung und Ehrfurcht uns zu beugen, nicht aber uns zu erheben und zu verurteilen. „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?“ (1Mo 18,25). Er kann keinen Fehler machen. „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger“ (Off 15,3). Gott ist „schrecklich in der Versammlung der Heiligen, und furchtbar über alle, die rings um ihn her sind“ (Ps 89,8). „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“; und „es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (Heb 12,29; 10,31).
Steht denn nicht die Gnade, in deren Wirkungsbereich wir uns als Christen befinden, im Widerspruch zu der göttlichen Regierung? Nein, es gilt auch heute noch: „Was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7). Es ist ein Irrtum, wenn jemand glaubt, dieser Grundsatz habe sich geändert. Gnade und Regierung sind zwei verschiedene Begriffe und dürfen nicht durcheinandergebracht werden. Die Gnade vergab die Sünde Adams; und doch trieb Gott ihn aus dem Garten Eden hinaus, damit er sein Brot esse im Schweiß seines Angesichts, inmitten der Dornen und Disteln einer verfluchten Erde. Die Gnade vergab die Sünde Davids, aber das Schwert hing über seinem Haus bis an sein Ende. Bathseba wurde die Mutter Salomos, aber Absalom rebellierte gegen seinen Vater.
So war es auch mit Mose. Durch Gottes Gnade durfte er vom Gipfel des Pisga aus das ganze Land sehen, und doch verbot Gott seinen Eintritt ins Land. Diese Wahrheit lässt den Grundsatz völlig unberührt, dass Mose in seiner amtlichen Eigenschaft, als Vertreter des gesetzlichen Systems, das Volk ohnehin nicht in das Land bringen konnte. Weder im 20. Kapitel des vierten noch im 1. Kapitel des fünften Buches Mose finden wir auch nur eine Andeutung über Moses amtliche Stellung. Hier steht er persönlich vor uns, und ihm wird nicht gestattet, in das Land einzugehen, weil er unbedachtsam mit seinen Lippen geredet hatte.
Lasst uns diese ernste Wahrheit in der Gegenwart Gottes gründlich durchdenken. Wir werden die Gnade Gottes umso mehr erkennen, wie wir den Ernst der göttlichen Regierung und ihre gerechten Wege verstehen, sonst laufen wir Gefahr, die Lehre von der Gnade in einer leichtfertigen und oberflächlichen Weise aufzunehmen und dabei Herz und Leben nicht unter den heiligenden Einfluss dieser Lehre zu bringen. Es ist sehr verderblich, nur oberflächlich mit der Lehre von der Gnade bekannt zu sein. Dadurch wird aller Art von Zügellosigkeit die Tür geöffnet. Wir können daher dem Leser die Wahrheit von der Regierung Gottes nicht ernst genug vorstellen, vor allem in der heutigen Zeit, wo die Neigung vorhanden ist, die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung zu verkehren (Jud 4).