Behandeler Abschnitt 4. Mose 35,9-15
Sechs Zufluchtsstädte
So sehen wir denn, dass in den zwölf Stämmen Israels 48 Städte mit ihren Bezirken den Leviten übergeben werden sollten, und diese wiederum hatten das Vorrecht, aus dieser Zahl sechs Städte zu Zufluchtsstädten für den Totschläger auszuwählen.
Von den Zufluchtsstädten lagen drei auf der Ostseite und drei auf der Westseite des Jordans. Mochten Ruben und Gad recht oder unrecht tun, indem sie sich ostwärts von dieser wichtigen Grenzlinie niederließen, Gott wollte in seiner Gnade den Totschläger nicht ohne eine Zufluchtsstadt vor dem Bluträcher lassen. So ordnete Er in seiner Liebe an, dass diese Städte auch ihrer Lage nach dem Schutzbedürfnis des Totschlägers entsprachen. In jedem Fall lag eine Stadt im Bereich desjenigen, der dem Schwert des Rächers ausgesetzt sein mochte. Das war unseres Gottes würdig. Wenn es vorkam, dass ein Totschläger in die Hände des Bluträchers fiel, so war es nicht deshalb, weil ein naher Zufluchtsort fehlte, sondern weil der Totschläger nicht in den Zufluchtsort geflohen war. Alle erforderlichen Vorkehrungen waren getroffen. Die Städte waren benannt, genau bestimmt und öffentlich bekannt. Alles war so klar, so einfach und so leicht wie möglich gemacht. Es waren die gnädigen Wege Gottes.
Zweifellos war der Totschläger dafür verantwortlich, seine ganze Kraft einzusetzen, um den geheiligten Bezirk zu erreichen, und sicher tat er es auch. Es wäre wohl niemand so blind und töricht gewesen, gleichgültig zu sagen: „Wenn es mein Los ist zu entrinnen, so werde ich entrinnen, und daher ist meine Anstrengung zwecklos. Und wenn es mein Los ist, nicht zu entrinnen, so kann ich nicht entrinnen, mag ich mich auch noch so sehr anstrengen.“ Man kann sich nicht vorstellen, dass ein Totschläger so dumm geredet haben sollte. Er wusste ganz gut, dass, wenn es dem Bluträcher gelang, ihn zu ergreifen, alle solche Überlegungen völlig wertlos sein würden. Es gab für ihn nur eins: um seines Lebens willen zu eilen, um dem drohenden Gericht zu entfliehen und hinter den Toren der Zufluchtsstadt einen sicheren Aufenthaltsort zu finden. Wenn er dort angelangt war, konnte er frei aufatmen.
Kein Übel konnte ihn dort mehr erreichen. In dem Augenblick, in dem er das Tor passiert hatte, war er so sicher, wie die Vorsorge Gottes ihn nur machen konnte. Hätte ihm innerhalb der Grenzen der Stadt ein Haar gekrümmt werden können, so wäre das für die Einrichtung Gottes eine Unehre und eine Schmach gewesen. Wohl hatte er sich sehr in Acht zu nehmen. Er durfte es nicht wagen, vor das Tor zu gehen. Innerhalb der Stadt war er in vollkommener Sicherheit; außerhalb war er dem Bluträcher schutzlos preisgegeben. Er durfte selbst seine Freunde nicht besuchen. Er war aus dem Haus seines Vaters verbannt. Er war ein „Gefangener auf Hoffnung“. Abwesend von der Heimat, wohin ihn sein Herz zog, wartete er auf den Tod des Hohenpriesters. Dieser Tod würde ihn vollkommen frei machen, ihn wieder in sein Erbe einsetzen und zu seinem Volk zurückführen.